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11.12.20 / Zeitgeschichte / Mordermittlung im Nachkriegs-Berlin / In seinem fünften Roman lässt Harald Gilbers Kommissar Richard Oppenheimer den Fall eines vom Turm gefallenen Mannes untersuchen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50 vom 11. Dezember 2020

Zeitgeschichte
Mordermittlung im Nachkriegs-Berlin
In seinem fünften Roman lässt Harald Gilbers Kommissar Richard Oppenheimer den Fall eines vom Turm gefallenen Mannes untersuchen
Angela Selke

Hungerwinter“ ist der fünfte Roman, den Harald Gilbers über den jüdischen Kriminalbeamten der Mordkommission Richard Oppenheimer geschrieben hat. Gilbers führt mit dem Kommissar durch das kriegszerstörte Berlin im Jahr 1947. Es ist Anfang November, die ersten Schneeflocken fallen und kündigen einen harten Winter an, bei dem wieder viele Menschen leiden und sterben werden, denn die Häuser sind immer noch einsturzgefährdet und in jeder möglichen Kellernische oder löcherigen Wohnung richten Menschen sich ein. Sie verfeuern selbst Türzargen in den Büros, in denen sie in Mantel und Hut arbeiten. Ein Ersatzkaffee aus Bucheckern ist eine der Freuden, die noch möglich sind. 

Kommissar Oppenheimer ist beauftragt, einen Mord aufzuklären. Ein Mann ist von einem Turm gefallen, oder es wurde nachgeholfen. In seinem Mantel befanden sich Ausweis- und Ausreisepapiere nach Argentinien. Es stellt sich heraus, dass diese Papiere sehr wertvoll sind, denn sie ermöglichen hochrangigen Nationalsozialisten die Flucht aus Deutschland sowie die Nachverfolgung ihrer Untaten im Krieg. 

Diese Fahndung ist nicht ungefährlich für die Ermittler. Die vier Besatzungsmächte sind sich in keiner Weise einig, es ist schwierig, in einem russisch besetzten Gebiet zu ermitteln, manche kamen danach nicht wieder. Gilbert hat eine sehr ausführliche und anschauliche Schreibweise, durch die der Leser sich die historischen Umstände, Nachkriegsdeutschland und das Elend auch emotional gut vorstellen kann.

Man kann es sich heute nicht mehr vorstellen, welche Freude eine richtige Tasse Kaffee hervorrufen kann oder ein Geschenk zu Weihnachten.

Die Menschen sind sehr dankbar für alles Essbare, und alle versuchen, durch diese schwere Zeit zu kommen – ein Ende ist noch nicht in Sicht. Jeder handelt auf dem Schwarzmarkt, selbst Kinder sind reine Überlebenskünstler geworden und hausen, wenn sie ihre Familie verloren haben, in Gruppen in Ruinen. Sie sind auf sich gestellt und handeln skrupellos. Bei Not und Hunger kommt das menschliche Tier zum Vorschein. Das hat sich auch zwei Jahre nach dem Krieg nicht geändert.

Gilbers hat gut recherchiert und erwähnt einige Tatsachen, die im Allgemeinen nicht bekannt sind. Seine Romane sind sehr zu empfehlen, führen sie dem Leser doch das vergessene Elend vor Augen, welches der Zweite Weltkrieg hervorgerufen hat und auch die Deutschen erlitten haben. Das sollte man nie vergessen.  

Harald Gilbers: „Hungerwinter“, Knaur Verlag, München 2020, Taschenbuch, 446 Seiten, 9,99 Euro