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18.12.20 / Berliner Mietendeckel / „Eine soziale Unwucht“ / Gerade Wohlhabende profitieren von der Senkung der Bestandsmiete besonders stark

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52 vom 18. Dezember 2020

Berliner Mietendeckel
„Eine soziale Unwucht“
Gerade Wohlhabende profitieren von der Senkung der Bestandsmiete besonders stark
Norman Hanert

Nachdem ein Berliner Boulevardblatt bereits auf die Nutzung der Bundestagsfahrbereitschaft für Einkaufsfahrten und Ausflüge berichtet hatte, lieferte unlängst auch der Fernsehkanal Phoenix einen kleinen Einblick in die Lebensumstände einiger Bundestagsabgeordneter in der Hauptstadt. In der Sendung „Unter den Linden“ wies der CDU-Abgeordnete Kai Whittaker auf eine erstaunliche Nebenwirkung des Berliner Mietendeckels hin. „Die meisten Abgeordneten wohnen in Laufnähe um den Bundestag herum, Berlin-Mitte, teuerstes Pflaster, das man überhaupt haben kann. Die kriegen jetzt ihre Miete um die Hälfte gesenkt im Schnitt“, so der per Direktmandat gewählte Abgeordnete für den Bundestagswahlkreis Rastatt. 

Mit seinem Hinweis hat der 35-jährige Politiker eine Schwachstelle des Berliner Mietendeckels bestätigt, vor der einige Kritiker bereits im Vorfeld gewarnt hatten. Tatsächlich profitieren von der angeordneten Reduktion der Bestandsmieten nicht nur Geringverdiener, sondern auch kaufkräftige Mieter, die wie die Bundestagsabgeordneten mit ihren Diäten von monatlich über 10.000 Euro eigentlich keine Hilfe auf dem Wohnungsmarkt nötig haben. 

Beispielrechnung von Immoscout

Gerade bei den Wohnungssuchenden mit hohen Einkommen oder Vermögen waren in den letzten Jahren geräumige Gründerzeitwohnungen oder neu ausgebaute Dachgeschoss-Lofts in Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg und Kreuzberg besonders gefragt. Laut Daten des Internetportals Immobilienscout24 verfügen von den etwa 60.000 Haushalten in Berlin-Mitte 44 Prozent über ein Nettoeinkommen von monatlich mehr als 5000 Euro. 

Wie gerade diese Mieter besonders stark von der Reduktion in der Bestandsmiete profitieren, zeigt eine Beispielrechnung von Immoscout: Ein Musterpaar in Mitte oder Prenzlauer Berg kann mit dem Mietendeckel bei einer sanierten 100-Quadratmeter-Altbauwohnung monatlich zirka 300 Euro und mehr sparen.

„Eine Kleinfamilie aus Marzahn oder Hellersdorf in einem unsanierten 80er-Jahre-Bau mit der gleichen Größe hingegen nur 50 bis 100 Euro“: Immoscout-Geschäftsführer Thomas Schröter sprach vor diesem Hintergrund sogar davon, dass der Versuch, die Mieter über den Mietendeckel zu entlasten und den Preisdruck zu reduzieren, „eine soziale Unwucht“ habe. Wie am Beispiel Stockholms deutlich wird, sind die Besserverdienenden und Vermögenden bei einer pauschalen Mietendeckelung auch bei der Wohnungssuche im Vorteil. 

In Schwedens Hauptstadt gilt schon seit 1969 eine Mietpreisbegrenzung. Wohnungssuchende müssen allerdings mittlerweile über zehn Jahre auf eine Mietwohnung warten, in besonders gefragten Innenstadtlagen kann die Wartezeit aber schon mal Jahrzehnte dauern. Auf dem Stockholmer Wohnungsmarkt sind hohe Abstandsforderungen der Vormieter zum Normalfall geworden.