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18.12.20 / Der dreifache Beethoven / Ode an die Jugend, Reife und Taubheit – ARD sendet zu Weihnachten eine Filmbiographie zum 250. Geburtstag des Komponisten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52 vom 18. Dezember 2020

Der dreifache Beethoven
Ode an die Jugend, Reife und Taubheit – ARD sendet zu Weihnachten eine Filmbiographie zum 250. Geburtstag des Komponisten
Anne Martin

Die letzte Szene ist eine der wenigen, in denen das Genie sehr menschlich wirkt: Da kauert ein älterer Herr frierend an der Schulter seines Neffen in einer offenen Kutsche. Beide sind auf dem Weg von Krems nach Wien, es schneit, und wieder einmal ist Beethoven ein Opfer seines Jähzorns geworden, denn er hätte es wahrlich komfortabler haben können. Sein Bruder hatte ihm angeboten, in Gesellschaft seiner Frau in geschlossener Kutsche zu reisen, aber nein, die Dame konnte er nicht leiden: „Dann gehe ich lieber zu Fuß!“ Nur wenige Monate später, im März 1827, wird er mit 57 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung sterben, zugezogen wohl während der winterlichen Kutschfahrt. 

Beethoven, der Visionär und musikalische Revolutionär, bleibt unsterblich. Geboren wahrscheinlich einen Tag vor seiner kirchlich dokumentierten Taufe am 17. Dezember 1770, sollte sein 250. Geburtstag in diesem Jahr mit Pauken und Trompeten gefeiert werden, allein: Corona bremste die meisten geplanten Konzerte und Jubelfeiern aus. Unbeschadet blieb der bereits im letzten Jahr in Tschechien und bei Bonn gedrehte Film „Louis van Beethoven“ (am 1. Weihnachtsfeiertag um 20.15 Uhr im Ersten Programm), ein opulenter Augenschmaus, garniert mit deutschen TV-Stars. 

Mit „Louis“ hatte das junge Genie als Zwölfjähriger seine ersten Eigenkompositionen unterschrieben, mit der französischen Version seines Vornamens wollte die ARD deshalb auch den Rahmen setzen für die seinerzeit herrschenden politischen Verhältnisse. Beethovens Geburtsstadt Bonn wie das gesamte Rheinland standen unter französischem Einfluss. Und am Vorabend der französischen Revolution zeigte die damalige Ständegesellschaft bereits erste Risse.

Der Film zeigt den jungen Ludwig in drei Phasen seines Lebens. Zunächst der Junge, der von seinem Vater Jean unbarmherzig zum Klavierüben angehalten wird. Später wechselt er in die Obhut des Hoforganisten Christian Gottlob Neefe (Ulrich Noethen), der bald erkennt, dass er dem Hochbegabten nur noch wenig beibringen kann. 

Dieser „Louis“ tut sich schwer

Beethoven ist weiter auf der Suche nach Förderern: Von dem Schauspieler Tobias Pfeiffer (Sabin Tambrea) wird er mit freiheitlichen Ideen geimpft, als gerade 16-jähriger reist er erstmals nach Wien, um dort den umjubelten Mozart zu treffen und von ihm zu lernen. Aber wie so vieles in seinem Leben, ist auch diese Reise mit Widerständen verbunden. Der umschmeichelte Mozart lässt den jungen Bittsteller am ausgestreckten Arm verhungern – er habe mit der Arbeit an seinem „Don Giovanni“ genug zu tun, lässt er ausrichten. Nur vier Jahre später ist Mozart tot, während Beethoven sich zu einem eigenwilligen Genius weiterentwickelt und in der österreichischen Hauptstadt schließlich Unterricht bei Joseph Haydn nimmt.  „Die Stimme der Freiheit ist nicht mehr zu überhören, und Du, Ludwig, spielst die Begleitmusik dazu“, sagt einer seiner Förderer. 

Was Milos Forman 1984 mit seinem Kinofilm „Amadeus“ so genial gelang, nämlich das Genre Historienfilm von jeglichem Staub zu befreien, fällt Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein schwerer, und das liegt vor allem an seinem Protagonisten. Wo Wolfgang „Amadeus“ Mozart seinen Charme spielen lässt, lebt Beethoven gefangen in schwierigen Familienverhältnissen und wird schon mit Anfang 30 durch seine zunehmende Schwerhörigkeit behindert.

Nach dem frühen Tod seiner Frau verfällt Beethovens Vater der Trunksucht, der gerade 19-Jährige muss die Verantwortung für zwei Brüder schultern und den Lebensunterhalt sichern. Sein Leben gleicht einem Ringen um seine Musik und die Finanzierung durch Mäzene und Gönner. Wie schwer muss es gewesen sein, eine eigene musikalische Handschrift zu entwickeln, die dem Zeitgeist oft genug widersprach? 

Allein seine einzige Oper „Fidelio“: Bei der Uraufführung 1805 in Wien sind die Reaktionen verhalten. Erst neun Jahre später und nach mehreren Umarbeitungen wird das Werk akzeptiert. 

Frustrierend auch Beethovens Werben um junge Damen eines höheren Standes: Im Film wird eine zarte Romanze zwischen der Tochter Eleonore seiner Gönnerin Helene von Breuning angedeutet, aber die Standesunterschiede verhindern eine Liaison. Beethoven wird in seinem Leben einigen Frauen den Hof machen, aber niemals heiraten. Stattdessen bemüht er sich um die Vormundschaft für seinen Neffen Karl, aber auch diese Beziehung steht unter keinem guten Stern. 

Extra neu eingespielte Musik

Die größte Tragik aber wird seine völlige Ertaubung sein. In seinen letzten Jahren kann er sich nur noch über schriftliche Notizen mit seiner Umwelt verständigen. Viele seiner heute so berühmten Sinfonien erschuf Beethoven aus der bloßen Vorstellung der Töne heraus. 

Der gealterte Künstler wird von Tobias Moretti als genau jener Misanthrop dargestellt, wie ihn auch späte Abbildungen zeigen. Als Gast im Haushalt seines Bruders Johann in Krenz bringt er mit seinem unwirschen, fordernden Wesen besonders seine Schwägerin Therese (Johanna Gastdorf) gegen sich auf. Selbst sein Ziehsohn Karl, Sohn seines verstorbenen Bruders Kaspar, kriegt das mürrische Naturell zu spüren. Eine Szene, die das gespannte Verhältnis illustriert: Er solle für ihn eine Partitur kopieren, herrscht ihn der Onkel an. Als Karl sich weigert, macht sich der Alte selbst an die Arbeit und lässt mit lautem Knirschen des Federkiels seinem Zorn freien Lauf. 

Was von dem Pandemie-bedingt gedämpften Beethoven-Jahr bleiben wird, ist dessen unsterbliche Musik, überwiegend neu eingespielt von Musikern, die auch im Film zu sehen sind. Der junge Pianist Colin Pütz etwa verkörpert den jungen Beethoven und intoniert auch gleich dessen Musik. Viele Streichquartette sind zu hören, auch die „Mondscheinsonate“, mit der sich Generationen von Klavierschülern mühten. Vor allem aber glänzt seine berühmte 9. Sinfonie nach Schillers Ode an die Freude („Freude schöner Götterfunken“), die zur strahlenden Fanfare Europas geworden ist.