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18.12.20 / Beutekunst / Russlands Hüterin deutscher Museumsschätze / Die Doyenne der russischen Kunstwissenschaft starb mit 98 Jahren – Irina Antonowa dachte nie an eine Rückgabe geraubter Kunst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52 vom 18. Dezember 2020

Beutekunst
Russlands Hüterin deutscher Museumsschätze
Die Doyenne der russischen Kunstwissenschaft starb mit 98 Jahren – Irina Antonowa dachte nie an eine Rückgabe geraubter Kunst
Wolfgang Dahle

Am 30. November kam die Nachricht, dass die russische Kunstwissenschaftlerin Irina Antonowa in Moskau im hohen Alter verstorben ist. Sie hatte sich jahrzehntelang als Direktorin des Puschkin-Museums mit den aus Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in die damalige Sowjetunion verschleppten Kulturgütern beschäftigt und seit den 1990er Jahren in einer russisch-deutschen Kommission zur Rückführung mitgewirkt.

Mit ihrem Tod könnte die Frage der Beutekunst einen neuen Stellenwert erhalten, obwohl sie bereits 2013 aus dem Amt geschieden war. Sowjetische Soldaten hatten nach Ende des Zweiten Weltkrieges viele Museumsschätze aus dem russisch besetzten Teil Deutschlands und Berlins als Kriegsbeute abtransportiert, was jahrzehntelang mit dem Mantel des Schweigens bedeckt wurde und nur inoffiziell bekannt war.

Seit der deutschen Vereinigung gab es von deutscher Seite Bemühungen, in einer gemeinsamen Kommission Klarheit über den Umfang der Kriegsbeute zu erhalten, denn die deutschen Bibliotheken, Archive und Museen wiesen viele Bestandslücken auf, die meist nicht mit dem Ort der Verbringung gekennzeichnet waren, außer den Gegenständen, die durch kriegerische Einwirkungen verloren gegangen waren. So konnte die Deutsche Staatsbibliothek in ihren Katalogen lange nachweisen, was durch kriegsbedingte Auslagerung in Richtung der mitteldeutschen Gebiete und später als Kriegsbeute in Richtung Russland und auch Polen verschwunden war. Zur Auslagerung, zum Verlust und zur Rückführung von Beständen der Berliner Bibliothek liegt beispielsweise eine Dokumentation von dem Historiker Werner Schwochow aus dem Jahre 2003 vor, in der zu lesen ist, dass Depots in hinterpommerschen Gutshäusern und Schlössern angelegt wurden (1941–1945), die meist verloren gingen. Eine Bibliographie „Beutekunst“ von 1999 wies viele Verluste nach. So fehlen der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin seitdem über 2000 Bände an historischer Militärliteratur.

In den späten 1950er Jahren gab es zwar eine Rückführung von „geretteten“, berühmten Gemälden aus den Beständen Dresdener Galerien an die damalige DDR. Das war aber nur eine einmalige Geste, denn viele seltene Buchbestände befanden sich jahrelang ungeordnet in russischen Depots, zu denen deutsche Wissenschaftler später zeitweise aber Zugang hatten. Die Troja-Funde von Heinrich Schliemann verschwanden ebenfalls in russischen Museen.

So hatte das Deutsche Reich nach Ende des Krieges nicht mehr als ein Fünftel seines Staatsgebietes verloren, sondern auch viele unersetzbare Kulturgüter, die als Siegestrophäen in östliche, aber auch westliche Richtung verschwanden. Die Bemühungen von deutscher Seite, eine Restitution oder auch nur teilweise Rückgabe zu erwirken, scheiterten in den früheren Verhandlungen, sodass durch einen Beschluss der russischen Duma diese Objekte vor Jahren als „Wiedergutmachung“ zum Staatseigentum erklärt wurden.

Wird es in Putins Russland noch ein Einsehen für eine Rückgabe geben, oder werden diese Güter einmal als „Weltkulturerbe“ mit einem neuen Standort in Russland gewertet?