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18.12.20 / Konrad Zuse / Gründer unserer digitalen Welt / Vor 25 Jahren starb der Schöpfer der 1941 betriebsfähigen ersten vollautomatischen, programmgesteuerten und in binärer Gleitpunktrechnung arbeitenden Rechenanlage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52 vom 18. Dezember 2020

Konrad Zuse
Gründer unserer digitalen Welt
Vor 25 Jahren starb der Schöpfer der 1941 betriebsfähigen ersten vollautomatischen, programmgesteuerten und in binärer Gleitpunktrechnung arbeitenden Rechenanlage
Hermann Flessner

Am 18. Dezember 1995 starb 85-jährig Konrad Zuse, der Altvater der heutigen Computer. Damit ist auch er eine der historischen Persönlichkeiten geworden, deren Wirken man nur noch aus schriftlichen Überlieferungen kennenlernen kann. Oder über Erzählungen von seinen Verwandten und Zeitgenossen, von denen auch nur noch wenige leben. 

Geboren in Berlin erlebte Zuse seine Kindheit in Ostpreußen, dann wieder in Berlin und prägende Schuljahre in Hoyerswerda in der Oberlausitz, wohin überall sein Vater als Postbeamter versetzt worden war. Nach dem Abitur dachte der im Zeichnen hochbegabte Konrad zunächst an eine künstlerische Ausbildung. Seine Eltern rieten ihm wegen der wirtschaftlich unsicheren Zeit in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts davon aber ab. Und er entschied sich nach einigen Versuchen an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, der heutigen TU Berlin, in den Fächern Architektur und Maschinenbau schließlich für das Bauingenieurwesen. Das erscheint heute als eine schicksalhafte Entscheidung, denn dieses Fach wurde der Nährboden seiner genialen Erfinderleistungen. 

Relevanz anfänglich verkannt

Da man in den Zuse heute nachfolgenden Generationen nicht unbedingt lernen kann, wo der Begriff „digital“ herkommt und was diese Bezeichnung eigentlich bedeutet, sei dieses zunächst in Kurzform erläutert: Damit ist das Rechnen mit ausschließlich ganzen Zahlen gemeint, wozu man oft auch die Finger an den Händen benutzt. Finger ist lateinisch „digitus“. Es gibt also keine Stellen hinter dem Komma, wie auch bei den römischen Zahlen. Wir benutzen dabei normalerweise zum Rechnen das Dezimalsystem mit zehn Ziffern von 0 bis 9. Man kann jedoch auch weitere Systeme verwenden, beispielsweise das Quinärsystem mit fünf Ziffern 0 bis 4, das Oktalsystem mit Ziffern 0 bis 7, oder das Dualsystem mit nur zwei Ziffern 0 und 1, was die Grundlage des Rechnens mit automatischen Rechenanlagen ist. 

Die umwälzend grundlegenden Ideen Zuses waren vor allem die Abwandlung beziehungsweise Erweiterung der üblichen Rechenmethoden mit Logarithmen in ein halblogarithmisches Verfahren, bei dem im Betriebssystem der Computer aus den elektronisch gebildeten dualen Schaltwerten reale Zahlen mit Stellen auch hinter dem Komma entstehen, sowie die Einbindung der dual dargestellten Aussagewerte „ja“ und „nein“ sowie „größer als“ und „kleiner als“ und weitere duale Operanden nach dem vom englischen Mathematiker George Boole (1815–1864) geschaffenen Aussage-Kalkül. 

Zu Beginn hat keiner, auch Konrad Zuse selbst nicht, an eine solche ausstrahlende Entwicklung gedacht. Erfinder müssen fast immer zunächst mit Kritik, sogar Ablehnung rechnen, besonders wenn ihre Ideen derartig umwälzend sind, wie es der Buchdruck, die Dampfmaschine oder das Automobil gewesen sind – und eben die programmgesteuerten Rechenautomaten. Auch bei Zuse meinte man, es gäbe doch schon Rechengeräte. Selbst solche, die in gewissen Grenzen bereits automatisch arbeiten wie elektrisch angetriebene Sprossenradmaschinen oder die Lochkarten verarbeitenden Tabelliermaschinen von Hermann Hollerith. 

Das war auch der wichtigste Grund dafür, dass Zuses Arbeiten selbst im Zweiten Weltkrieg nicht als geheim eingestuft wurden. Sie waren vielmehr zum Teil patentgeschützt und somit allgemein zugänglich. Man musste die Patentschriften nur lesen. Daran bestand bei Deutschlands damaligen Feindmächten jedoch kaum Interesse. Es konnte ja nicht wichtig sein, denn sonst würden es die Deutschen ja versuchen geheimzuhalten, so die damalige Überlegung auf Seiten der Alliierten. 

Die oft ablehnende Skepsis, die Zuse anfangs entgegenschlug, wurde nur langsam, aber immer deutlicher zu einer weltweiten Anerkennung, ja Bewunderung. Erfreulicherweise hat er das noch vor seinem Tode erleben können. 

Unter Zuses über 50 Patenten waren drei 1936 angemeldete Reichspatente, von denen das aus heutiger Sicht wichtigste unter dem Titel „Rechenmaschine im Dualsystem mit selbständiger Verschlüsselung in der Maschine“ nach langer Bearbeitungsdauer im deutschen Reichspatentamt „wegen fehlender Neuheitswerte“ aber nicht anerkannt wurde. Eine heutige Entscheidung im deutschen Patent- und Markenamt hätte bei gleichen Patentansprüchen zur Anerkennung geführt. Die eigene wirtschaftliche Nutzung, zu der auch die Vergabe von Lizenzen gehört, hätte Zuse zu einem steinreichen Mann gemacht, durchaus vergleichbar mit den Erfolgen von Bill Gates, so die gegenwärtige Einschätzung – doch vor allem die politische Situation im nachfolgenden Zweiten Weltkrieg machte das alles unmöglich. 

Als die Fachdisziplin „Informatik“ ab 1969 an den deutschen Hochschulen etabliert wurde, war das in diesem Artikel Beschriebene selbst vielen deutschen Wissenschaftlern und sonstigen Computerfachleuten nicht bekannt. Man unterrichtete in den Vorlesungen über den „John-von-Neumann-Rechner“, wie der in den USA nach 1945 entwickelte (aber nicht gebaute) Computer bezeichnet wurde. In den USA wusste man über die Zuse-Entwicklungen wegen der fehlenden Einstufung als geheim bis zum Ende des Krieges nichts, was US-amerikanische Wissenschaftler bestätigten. Der älteste Sohn von Konrad Zuse, der Berliner Informatikprofessor Horst Zuse, hat in einer sehr ausführlichen Darstellung unter dem Titel „Anmerkungen zum John-von-Neumann-Rechner“ diese Umstände beschrieben. 

Hier sei die Sache nur kommentiert. Der sogenannte John-von-Neumann-Rechner entspricht im logischen Konzept und in der Rechnerarchitektur durchaus den heutigen Computern. Die Leistungen des ungarisch-US-amerikanischer Mathematikers John von Neumann auf dem Gebiet der Computerentwicklung sind inzwischen mit denen anderer Computerpioniere aber kritisch zu vergleichen. Beim John-von-Neumann-Rechner wird unterstellt, dass von Neumann als Erster plante, die Rechenprogramme nicht nur von außen, also über Lochstreifen, Lochkarten oder fest verdrahtet ablaufen zu lassen, sondern ebenfalls im Rechenwerk zu speichern – so wie es in unseren heutigen Computern geschieht. Die Programme mussten natürlich vorher in die internen Speicher geladen werden, blieben dort aber für Rechenvorgänge aufbewahrt, bis man sie durch neue Daten oder Programme überschrieb. 

Zuse hatte auf den Hinweis hierauf geantwortet, dass er so etwas schon am 4. Juni 1938 in einer Notiz schriftlich niedergelegt hatte. Allerdings in Stenographie, die nur wenige lesen konnten, denn er benutzte viele selbst erdachte Kürzel. In seiner Autobiographie beschreibt er den Sachverhalt in Langschrift, also allgemein lesbar, so: „… kurz gesagt, (dass) die logische Entwicklung von der Babbage-Maschine (dem 1833 von Babbage geplanten analytischen Rechenautomat, d. Autor) – beziehungsweise meiner Z3 – zum Computer mit Programmspeicherung (führte), den wir heute als John-von-Neumann-Maschine kennen … Die Verwirklichung dieser Evolution des Computers war freilich immer nur in dem Maße möglich, wie die technischen Voraussetzungen gegeben waren. Nach dem Stand der Technik von 1938 wäre es nicht vernünftig gewesen, eine John-von-Neumann-Maschine zu bauen.“ Soweit das Zuse-Zitat aus seiner Autobiographie. Beim Internationalen Informatikertreffen im Heinz-Nixdorf-Forum im August 2002 in Paderborn wurde von über 80 Teilnehmern offiziell einvernehmlich anerkannt, dass die 1941 schon einwandfrei funktionierende Zuse Z3 in ihrer Rechnerarchitektur das Vorbild der gegenwärtigen Computer ist. 

Anerkennung noch zu Lebzeiten

Die Zahl der an Konrad Zuse verliehenen Ehrungen ist so gewaltig, dass sie hier nur summarisch aufgeführt werden können: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband, Honorarprofessor an den Universitäten Göttingen und Stettin [Szczecin], acht Doktortitel und weitere Ehrungen für seine wissenschaftlichen Leistungen aus dem In- und Ausland, Ehrenbürgerschaften der Städte Hünfeld und Hoyerswerda, zahlreiche Benennungen von Gebäuden, Museen, Hörsälen, Schulen, Straßen und Verkehrsplätzen, Denkmäler und Büsten, Münzen und Briefmarken, mehrere Fernsehsendungen. 

Der Mitgründer des Faches Informatik Friedrich Ludwig Bauer hat bereits die Worte formuliert, die unter einer Büste Konrad Zuses stehen sollten, wenn sie einmal in der Walhalla aufgestellt werden wird: „Schöpfer der ersten vollautomatischen, programmgesteuerten und in binärer Gleitpunktrechnung arbeitenden Rechenanlage. Sie war 1941 betriebsfähig.“ 

Die Verwirklichung dieser Ehrung setzt voraus, dass der zu Ehrende mindestens 20 Jahre nicht mehr unter den Lebenden weilt. Das ist seit 2016 erfüllt. Der Antrag ist bereits gestellt und die Finanzierung ist gesichert. Es muss nur noch die Tat erfolgen. 

Prof. Dr. Hermann Flessner ist Mitgründer und ehemaliges Vorstandsmitglied der Konrad-Zuse-Gesellschaft sowie Träger der Konrad-Zuse-Medaille und einer der Autoren der Biographie „Konrad Zuse. Der Vater des Computers“.