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18.12.20 / festliches Liedgut / Herders frohe Botschaft / Der gebürtige ostpreußische Philosoph brachte die Melodie eines der schönsten deutschen Weihnachtslieder von einer Italienreise mit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52 vom 18. Dezember 2020

festliches Liedgut
Herders frohe Botschaft
Der gebürtige ostpreußische Philosoph brachte die Melodie eines der schönsten deutschen Weihnachtslieder von einer Italienreise mit
Klaus Weigelt

Auch in Zeiten Corona-geprägter Adventssonntage denken viele Ostpreußen an die großen Drei des „Königsberger Jahrhunderts“, wie man die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts genannt hat, an Johann Gottfried Herder aus Mohrungen und an die Königsberger Johann Georg Hamann und Immanuel Kant. Sie haben nicht nur der damaligen Epoche ein Gesicht gegeben, sondern wirkten mit ihrem Denken weit über Königsberg und Ostpreußen hinaus in Deutschland und Europa. Kant blieb bis zu seinem Tode in Königsberg, Hamann beschloss sein Leben am Hofe der Fürstin Amalie von Gallitzin im westfälischen Münster, und Herder, der von 1762 bis 1764 zwei entscheidende Jugendjahre in Königsberg verbrachte, starb im Umfeld der deutschen Klassiker Wieland, Goethe und Schiller in Weimar.

Herder hatte am 25. August 2019 seinen 275. Geburtstag. Hier soll daran erinnert werden, dass er dem aufmerksamen Beobachter zu Weihnachten und in der Epiphaniaszeit des Kirchenjahres als bemerkenswerter Melodiensammler und Liederdichter begegnet. Zudem erleben wir einen tiefgläubigen Christen.

Zahllose Menschen singen das schöne Weihnachtslied „O du fröhliche“ (Evangelisches Gesangbuch 44) in den Weihnachtstagen. Dieses Lied ist ein über lange Jahrzehnte gewachsenes Gesamtkunstwerk. Die erste Strophe („Welt ging verloren, Christ ist geboren“) entstand 1816. Ihr Autor ist der aus Danzig stammende Schriftsteller und Kirchenliederdichter Johannes Daniel Falk, der in Weimar verstarb. Die zweite („Christ ist erschienen, uns zu versühnen“) und dritte Strophe („Himmlische Heere jauchzen dir Ehre“) sind zehn Jahre jünger: Sie wurden 1826 von dem oberfränkischen Kirchenliederdichter Heinrich Holzschuher aus Wunsiedel hinzugefügt.

Und die einprägsame, schöne Melodie? Sie brachte Johann Gottfried Herder im Jahre 1788 von einer Italienreise nach Deutschland mit. Es handelt sich um ein Sizilianisches Fischerlied, das lange bevor das Weihnachtslied entstand, bereits in Deutschland als weltliche Melodie bekannt war und erst viel später, als Herder schon gestorben war, mit den Texten von „O du fröhliche“ verbunden wurde. Herder hat also, ohne es bei Lebzeiten zu ahnen, zu einem unserer schönsten Weihnachtslieder beigetragen.

Das letzte Epiphaniaslied im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 74) hat Herder vor etwa 225 Jahren in Weimar gedichtet. Das griechische Wort Epiphanie beschreibt die Erscheinung Jesu in der Öffentlichkeit der Welt und ist verbunden mit Geschichten wie dem Gespräch des zwölfjährigen Jesus mit Schriftgelehrten im Tempel von Jerusalem (Lukas 2) oder seinem ersten Wunder bei der Hochzeit zu Kana (Johannes 2). Herders Lied enthält in vier kurzen Strophen eine verständliche und einprägsame Theologie, die Weihnachten, Epiphanias, Passion und Ostern zusammenfasst. 

In der ersten Strophe „Du Morgenstern, du Licht vom Licht“ wird Jesus als Morgenstern angesprochen. Herder nimmt damit das Selbstzeugnis Jesu aus der Offenbarung 22, 16 auf, wo Jesus am Ende des Neuen Testaments sagt „Ich bin der helle Morgenstern“ und damit zugleich auf den Anfang der Bibel hinweist, wo Gott in der Schöpfungsgeschichte sagt: „Es werde Licht! Und es ward Licht“ (1. Mose 1,3). Herder dichtet: „Du gingst vor aller Zeiten Lauf in unerschaffner Klarheit auf.“ Damit weist er auf die vielfach bezeugte Präexistenz Jesu „vor aller Zeit“ hin, wie es im Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel (381 n. Chr.) heißt. 

In der zweiten Strophe wird Jesus als „Lebensquell“ angesprochen und auf die Leidens- und Erlösungsgeschichte verwiesen: „Denn du durchdrangst des Todes Nacht, hast Sieg und Leben uns gebracht.“ Damit wird in nur zwei Strophen der heilsgeschichtliche Zusammenhang von „Krippe und Kreuz“, von Weihnachten, Passion und Ostern beschrieben.

Die dritte Strophe ist ein Stoß in die damalige, von der französischen Revolution und ihrem Vernunftkult beeinflusste Zeit: Mit der Verehrung der Göttin der Vernunft in Gestalt einer Dirne (1793) hatte die Pariser Revolution ihren Tiefpunkt erreicht. Herder hat das mit Abscheu erfüllt. Dem setzt er sein christliches Bekenntnis entgegen: „Du ewge Wahrheit, Gottes Bild, der du den Vater uns enthüllt, du kamst herab ins Erdental mit deiner Gotterkenntnis Strahl.“ Hier offenbart sich Herder als fest in seinem Glauben stehender Christ. 

Für ihn ist das Christentum keine Religion, also keine von Menschen erdachte Fiktion, wie der Philosoph Feuerbach es später behauptete, sondern strahlende Gotterkenntnis durch Jesus Christus, der als Gottes Bild auf Erden den Menschen die ewige Wahrheit, den Vater, enthüllt, und so für die Menschen erkennbar gemacht hat. Hinter dieser Strophe steht ein Selbstzeugnis Jesu aus dem Johannesevangelium: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6).

Das Lied schließt mit einem Gebet: „Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht, führ uns durch Finsternis zum Licht, bleib auch am Abend dieser Welt als Hilf und Hort uns zugesellt.“ Aus dieser Bitte spricht ein großes Vertrauen. Herder weiß sich geborgen in der Finsternis seiner „aufgeklärten“ Zeit, auch am Abend dieser Welt, in „Hilf und Hort“ Gottes in Jesus Christus. Weltliche Unterstützung bleibt immer brüchig, politische Herren kommen und gehen. Allein Jesus, der des Todes Nacht durchdrungen, Sieg und Leben gebracht hat, wird auch in den Nöten dieser Welt die alleinige Zuflucht bleiben, als Trost und Rettung.

Dieses Lied ist ein Glaubensbekenntnis. Es fasst die lutherische Lehre gegen den herrschenden Zeitgeist einer falsch verstandenen Aufklärung mit ihrem Vernunftkult zusammen. Dieser Kult hatte Gott abgeschworen, und so haben viele Zeitgenossen, sicher auch Goethe, dieses Protestlied nicht akzeptiert. Vielleicht aber Kant, der ein frommer Mann war, jedoch unbestechlich in seiner Philosophie. Auf seinem Fachgebiet ließ er es nicht zu, Gott aufzuspüren. Als „Alleszermalmer“ hatte er die damalige Metaphysik, die Lehre, dass man jenseits der Physik zur Vernunfterkenntnis Gottes kommen könnte, verworfen. Er widersetzte sich der Auffassung, die Existenz Gottes in den engen Grenzen des menschlichen Verstandes beweisen zu können. Seine „Kritik der reinen Vernunft“ räumte mit der alten Philosophie dieser Erkenntnismöglichkeiten auf.

So verdanken wir Herder mit seinem protestantischen Epiphaniaslied aus einer Zeit zunehmender Glaubenslosigkeit ein beachtenswertes Glaubenszeugnis und Trostlied. Darin erkennen wir auch einen aktuellen und fundierten Beitrag zur Orientierung in unserer eigenen, von zahlreichen Irrtümern und falschen Prophetien verwirrten Welt.