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18.12.20 / Kummerow / Willkommen im Heidenland! / An ihren lustigen, aber durchaus sozialkritischen Streichen haben immer noch Jung und Alt ihren Spaß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52 vom 18. Dezember 2020

Kummerow
Willkommen im Heidenland!
An ihren lustigen, aber durchaus sozialkritischen Streichen haben immer noch Jung und Alt ihren Spaß
Peer Schmidt-Walter

Alle Jahre wieder versammelt sich die Schar der Ehm-Welk-Verehrer erwartungsvoll vor den Bildschirmen. Es ist für seine Fans schon ein Ritual, dabei zu sein, wenn um Weihnachten „Die Heiden von Kummerow“ im NDR, MDR und RBB ihre Streiche verüben. Das liegt zwar schon lange zurück, fasziniert aber immer noch Viele. Die dörfliche Idylle mag dabei eine Rolle spielen, gleichwohl ist es keine heile Welt, sondern liefert realistische Einblicke ins das Leben der Provinz des Deutschen Kaiserreichs.

Das Buch, das 1937 veröffentlicht wurde, hat in der DDR und später auch im Westen sowie im Ausland hohe Auflagen erreicht. Der DEFA-Film – eine erste ost-westdeutsche Gemeinschaftsproduktion, so etwas gab´s tatsächlich mal – 1967 gedreht, ist angesiedelt zwischen Heimatroman und Lausbubengeschichte. Zwar, wer weiß das schon, Hauptdrehort ist das kleine Dörfchen Vilmnitz auf Rügen östlich von Putbus. Pate stand jedoch Welks Geburtsort Biesenbrow bei Angermünde in der Uckermark, wo Ehm Welk 1884 das Licht der Welt erblickte und seine Jugend verlebte. Heute wirbt der Ort mit dem Slogan „Willkommen im Heidenland“. Wobei das Dorf Kummerow ganz in der Nähe und auch am Flüsschen Welse liegt.  

Solidarität der Kinder

Der Erfolgsroman besteht aus 22 Kapiteln, die Episoden aus dem Alltag der Dorfjugend um Martin, Johannes, Ulrike und Hermann wiedergeben. Als fiktiven Ort der Handlung muss man das vorpommersche Dorf Kummerow (insgesamt gibt es vier vorpommersch-uckermärkische Kummerows und zwei in Hinterpommern) bei Stralsund annehmen, denn Hermann, einer der Jungs, sieht die Stadt sogar vom Kirchturm aus. 

Zeit der Handlung: vor dem Ersten Weltkrieg. Geschildert werden Ereignisse, die sich zum Ende des 19. Jahrhunderts in einem halben Jahr abspielen. Kurz gesagt: Protagonist der Episoden ist der zehnjährige pfiffige Bauernsohn Martin Grambauer (Jörg Resler). Der streitbare, wortgewaltige Pastor Breithaupt (Paul Dahlke), Kantor und Lehrer Kannegießer (Hans Bosenius) und Superintendent Sanftleben (Theo Lingen) bemühen sich, ihn und seine Freunde zu gottesfürchtigen und regierungstreuen Bürgern zu erziehen. Alte heidnische Traditionen wie das „Heidendöpen“ und andere Bräuche sind der Dorfjugend – und deren Eltern – wichtiger als wilhelminischer Geist. Neben den Spielen, Streichen und Kämpfen der Jungen bestimmt vor allem ihr Verhältnis zu den Erwachsenen die Handlung der einzelnen Episoden. Zentrales Ereignis ist ihre Ächtung des Tierquälers Müller Düker (Fritz Tillmann). Dabei werden die Kinder vom Kuhhirten Krischan (Ralf Wolter) unterstützt, den der Müller aus dem Dorf jagen möchte. Als dieser daraufhin selbst Opfer der Behörden wird, kann auch die Solidarität der Kinder nicht verhindern, dass Krischan die Gemeinde verlassen muss. Ihre Streiche tragen aber dazu bei, dass dem Kuhhirten zu seinem Recht verholfen wird und er bleiben darf, während der Müller wegen einer früheren Schusswaffen-Straftat abgeführt wird. Das wirkt genugtuend. In der Urfassung kommt Krischans Happy-End allerdings nicht vor. Davon abgesehen geben die Dorfkinder dem Gemeinderat so manches gute Beispiel für Gerechtigkeitssinn, Herzensgüte und Ehrfurcht vor dem Leben.

Sozialkritische Aspekte

Aufgrund der jugendlichen Protagonisten kann man den Roman der Jugendliteratur zuordnen. Der einfache und auf Realismus bedachte Stil lässt den Text für junge Leser geeignet erscheinen. Einige Wendungen und Dialoge in pommerschem Dialekt könnten das Verständnis für heutige Leser jedoch stellenweise erschweren. 

Es wird angenommen, dass Welk in der Figur des Martin Grambauer autobiographische Elemente verarbeitet hat. Martins Vater Gottlieb (Rainer Penkert), dessen „revolutionäre Ideen“ dem Pfarrer ein Dorn im Auge sind, trägt zudem Züge von Welks Vater Gottfried. 

Sozialkritischen Aspekte gehören zur Handlung in der damaligen Zeit, die zudem durch Welks Erfahrungen untermauert werden: so Martins Freundschaft zum vaterlosen Johannes, dem verhinderten „Heidenkönig“ aus dem Armenhaus, und ihre Solidarität mit dem am Rande der Gesellschaft stehenden Kuhhirten. Und die strengen Vertreter der Obrigkeit – Pastor, Graf und Wachtmeister – bekommen wie nebenbei ihr Fett weg.

Führungen und Bleibe

Das alles und noch viel mehr erfährt der Besucher von Eckhard Kolle, einem pensionierten Ingenieur. Er lebt in der Heidenstraße im 725 Jahre alten Biesenbrow und lädt im Auftrag des Landkulturvereins ein zu Führungen „auf Spurensuche zu den Heiden von Kummerow“. Wobei er mit seinen Gästen alle Schauplätze abläuft: vom Schulhaus über die Kirche, den Friedhof, das Pfarrhaus samt Gänsestall, das Armenhaus, Gutshaus, „Bresch Eckn“, wo das „Heidendöpen“ stattgefunden haben könnte, bis zu Ehm Welks Geburtshaus im Schäfereiweg. Eine lohnender zwei- bis dreistündige Rundwanderung mit vielen Geschichten und Anekdoten, launig vorgetragen von Eckhard Kolle. Er ist das wandelnde Welk-Lexikon schlechthin, das man auch zu Details in Film und Buch jederzeit aufschlagen kann. 

Zum Übernachten und Essen, auch für einen längeren Landurlaub, empfiehlt sich „Die kleine Schäferei“. Luca Kloss und sein Vater führen das Gehöft in idyllischer Dorflage nach ökologischen Kriterien, zumal Biesenbrow im Biosphärenreservat Schorfheide/Chorin liegt. Hier kann man die Streiche der Heiden von Kummerow noch einmal Revue passieren lassen: in einer urigen Feldstein-Scheune, bei guten, aber nicht ganz preiswerten Gerichten aus lokalen und hofeigenen Produkten zu erlesenen Weinen am knisternden Kaminfeuer. Inklusive Blick auf verwilderte Gärten, durch die Katzen schleichen, und Weiden, über die Kühe und Schafe ziehen. 

Ehm Welk – er starb 1966 in seinem Bad Doberaner Haus in der Dammchaussee 23, wo heute das Ehm-Welk-Museum untergebracht ist – hätte sich in der inspirierenden Umgebung der „Kleinen Schäferei“ sicher auch wohlgefühlt.