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31.12.20 / Boris Palmer / „Erst einmal die Landtagswahl im Frühjahr abwarten“ / Grüne scheuen Bruch mit Tübingens populärem Oberbürgermeister vor dem Wählervotum vom 14. März

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 53 vom 31. Dezember 2020

Boris Palmer
„Erst einmal die Landtagswahl im Frühjahr abwarten“
Grüne scheuen Bruch mit Tübingens populärem Oberbürgermeister vor dem Wählervotum vom 14. März
Peter Entinger

Vor Weihnachten sorgte Boris Palmer wieder einmal überregional für Schlagzeilen. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen hatte stolz auf das Corona-Management in seiner Stadt verwiesen und dafür viel Lob erhalten. Der 48-Jährige ist einer der bekanntesten Grünen – nicht nur im Musterländle, sondern bundesweit. Das liegt vor allem daran, dass er nur selten auf Parteilinie liegt. 

Zunächst positionierte er sich in Sachen Asyl eindeutig und dann, zu Beginn der Corona-Pandemie, stellt er die Frage, ob es sinnvoll sei, „dass wir jetzt Menschen retten, die in ein paar Monaten ohnehin sterben“. Für viele Grüne war dies zu viel. Die Landesspitze forderte ihn zum Parteiaustritt auf, selbst die Bundestagsfraktion sah sich zu einer Distanzierung genötigt. „Für uns Tübinger Grüne ist vor allem wichtig, dass Boris Palmer nicht mehr grüner OB-Kandidat 2022 wird“, erklärte der Tübinger Parteivorstand zu Beginn der vergangenen Woche. Man werde ihn wegen dessen wiederholter verbaler Entgleisungen nicht mehr bei der Nominierung für eine Kandidatur um das Amt des Oberbürgermeisters unterstützen. 

Landtags- vor OB-Wahl

Einen Tag später ruderten die Funktionäre indes zurück. Die Aussage sei so nicht beschlossen worden. Man wolle erst einmal abwarten, wie die Wahlen im kommenden Jahr verlaufen, teilte die Partei knapp mit. Am 14. März wird außer in Baden-Württemberg auch in Rheinland-Pfalz das Parlament neu gewählt. Es folgen am 25. April Thüringen, am 6 Juni Sachsen-Anhalt sowie am 26. September Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und der Bund. Tübingens Oberbürgermeister wird hingegen erst im Herbst des Folgejahres 2022 ermittelt. 

Der Zickzackkurs könnte auch daran liegen, dass sich der grüne Ministerpräsident höchstpersönlich eingeschaltet hat. „Ich war noch nie unversöhnt mit ihm. Ich habe öfter ärgerliche Debatten mit ihm“, erklärte Kretschmann in einem Interview auf die Frage, ob er den umstrittenen Parteifreund nach wie vor für höhere Aufgaben geeignet halte. 

Palmer selbst, der zuvor mit einem Antritt als parteiloser Kandidat geliebäugelt hatte, will nunmehr um die Gunst der Partei kämpfen. „Ich fühle mich weiter als Grüner, ich will für diese Partei kämpfen, ich stehe hinter ihren Zielen. Dass ich kantiger und manchmal ein nicht einfacher Typ bin, das muss ich mir eingestehen“, sagte er während einer Mitgliederversammlung der Tübinger Grünen. „Ich kann immer nur drum bitten, mich so zu nehmen, wie ich bin. Von meiner Seite aus ist das Angebot der Versöhnung absolut ernst gemeint.“

Doch ob sein Werben um die Nachsicht und Toleranz seiner Parteifreunde erfolgreich sein wird, ist ungewiss. Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Chris Kühn, erklärte, es gebe inhaltlich erhebliche Differenzen mit den Positionen von Palmer: „Es geht nicht um Versöhnung, sondern um massive Meinungsverschiedenheiten.“ Der Landesvorstand wollte sich zur neuen Diskussion nicht äußern. Auch dort hieß es: „Erst einmal die Landtagswahl im Frühjahr abwarten.“