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31.12.20 / „Hymne an deutschland“ / „Jetzt wird ein Symbol gemacht. So entstehen Symbole nicht“ / Mit seinem Versuch einer Alternative zum „Deutschlandlied“ handelte Theodor Heuss wider seine eigene Erkenntnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 53 vom 31. Dezember 2020

„Hymne an deutschland“
„Jetzt wird ein Symbol gemacht. So entstehen Symbole nicht“
Mit seinem Versuch einer Alternative zum „Deutschlandlied“ handelte Theodor Heuss wider seine eigene Erkenntnis
Manuel Ruoff

Der spätere erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland hat 1948 im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates etwas sehr Bedenkenswertes gesagt, als es um die Staatsflagge der zu gründenden Bundesrepublik ging:

„Wir haben in der Situation, in der wir uns befinden, gar nicht die Geschichtsmächtigkeit, nun ein Symbol zu beschließen: Es hat für mein Gefühl etwas Skurriles, wenn ein Kreis wie dieser sich zusammensetzt und sagt: Jetzt wird ein Symbol gemacht. So entstehen Symbole nicht; sie entstehen aus einem geschichtlichen Vorgang und nicht aus Abstimmungen.“

Bizarrerweise hat Heuss selbst, als es um die Staatshymne ging, strikt gegen diese Erkenntnis gehandelt. Genauso wie das diktatorische DDR-Regime versuchte er, eine Nationalhymne zu machen beziehungsweise machen zu lassen. Bei ihm hieß dieser Versuch eines Symbols nicht „Auferstanden aus Ruinen“ wie östlich der Elbe, sondern „Hymne an Deutschland“.

Ausstrahlung zu Silvester 1950

Als „schwäbisch-protestantischer Nationalchoral“ und „Theos Nachtlied“ ist die Hymne verspottet worden. Das ist hart, aber nicht ganz unpassend. Die Melodie ist eher seicht als prägnant. Und der Text für einen Staatsgesang sehr christlich. Das war kein Zufall. Heuss hatte für das Verfassen des Textes mit Alexander Schröder einen bedeutenden evangelischen Kirchenlieddichter beauftragt. Und selbst dessen Text war Heuss nicht christlich genug. Gegen Schröders Widerstand wurde aus dessen drei Strophenanfängen „Herz der Treue, Vaterland“, „Herz der Hoffnung, Heimatland“ und „Herz der Liebe, deutsches Land“ „Land des Glaubens, deutsches Land“, „Land der Hoffnung, Heimatland“ und „Land der Liebe, Vaterland“. Schröder empfand es als „zu willkürlich“, wie Heuss „eine sakral gewordene Formel vom religiösen aufs säkulare Gebiet“ übertrug. 

Der durch die szenischen Kantate Carmina Burana damals schon berühmte Komponist und Musikpädagoge Carl Orff zeigte sich wenig begeistert, als Heuss ihn nach der Fertigstellung des Textes im Frühherbst 1950 um die Vertonung bat. Der Text sei „von so starker geistiger Verhaltenheit, dass es schwer sein wird, ihn irgendwie zu vertonen“, argumentierte er. Durchaus im Geiste von Heuss’ Äußerung zur Flaggenfrage plädierte er dafür, statt adhoc eine neue Hymne schaffen zu wollen, sich lieber bei dem zu bedienen, was die deutsche Kultur über die Jahrhunderte bereits hervorgebracht hatte. Für den Fall, dass Heuss auf einer Neuschöpfung bestand, was der Fall war, empfahl Corff diesem, sich wegen der Melodie an Hermann Reutter zu wenden, „einen ausgezeichneten, mit hymnischer Ausdruckskraft begabten Musiker“. Heuss folgte diesem Rat, Reutter nahm den Auftrag an, und noch im selben Jahr lag das Ergebnis vor. 

Nun musste der Bundespräsident den Deutschen nur noch die für sie bestimmte Hymne vorstellen. Er nutzte dafür den Jahreswechsel vor 70 Jahren. Nach seiner Neujahrsansprache folgte die „Hymne an Deutschland“. Sie floppte. 

Vorher hatte Heuss bereits in seiner Ansprache erklärt, dass das letzte Wort über das Lied noch nicht gesprochen sei, „da dies den Vorwurf des ,Anbefohlenseins‘ mit sich bringen könnte“. Es kam also nicht zur Kraftprobe und Heuss konnte ohne Gesichtsverlust zurückrudern. Nach langem Sträuben gab der Bundespräsident schließlich 1952 seinen Widerstand gegen das von Bundeskanzler Konrad Adenauer favorisierte „Lied der Deutschen“ auf.

Text und Melodie zum Nachlesen und Anhören finden sich im Internet auf der Seite https://www.markomannenwiki.de