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31.12.20 / Straßenkunst / Tolstoj, Dali und Szenen aus Königsberg / Stadtverwaltung und Kaufhäuser unterstützen Graffiti-Künstler mit Aufträgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 53 vom 31. Dezember 2020

Straßenkunst
Tolstoj, Dali und Szenen aus Königsberg
Stadtverwaltung und Kaufhäuser unterstützen Graffiti-Künstler mit Aufträgen
Jurij Tschernyschew

Straßenkunst ist ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil fast jeder Großstadt und Graffiti ist ihre häufigste Erscheinungsform. Die ersten derartigen Zeichnungen erschienen in Königsberg um die Wende von den 1980er zu den 90er Jahren an den Wänden einer Brennerei. Seitdem gibt es entlang des Schlossteichs eine Reihe von Stellen, die seit vielen Jahren Fans der Straßenkunst anziehen und an denen immer wieder neue Bilder auftauchen, die oft auch wieder übermalt werden.

Die Öffentlichkeit und die städtischen Behörden haben traditionell eine eher negative Einstellung zu solchen Modeerscheinungen. In der Tat handelt es sich oftmals um regelrechten Vandalismus. In den letzten Jahren tauchen jedoch immer mehr Graffiti auf den Straßen Königsbergs auf, die eher Kunstwerke als kitschige Kritzeleien sind. So steht in der Luisenallee ein Porträt des Schriftstellers Leo Tolstoj, und im Park Luisenwahl schaut der Künstler Salvador Dali die Passanten an. Ein Bild eines sich küssenden Paares mit medizinischen Masken erschien vor Kurzem auf einem der Pfeiler der zweistöckigen Brücke. Nach dem Bau der neuen Promenade entlang des Oberteichs wurde dort ein Skateboardbereich ausgestattet. Jetzt gibt es auch dort eine eigens dafür aufgestellte Wand, die komplett mit Graffiti bedeckt ist.

Kunst statt Vandalismus

Sprüh-Bemalungen erscheinen immer häufiger auch an den Wänden von Geschäften, deren Besitzer bei ausgewählten Künstlern bunte Bilder bestellen, um das Erscheinungsbild zu veredeln und Kunden anzulocken. In den Hauptstraßen der Stadt sind Zeichnungen zu sehen, die dem historischen Aussehen der Stadt gewidmet sind. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Darstellung Königsbergs auf dem Trafohäuschen zwischen dem Stadtverwaltungsgebäude und dem Europa-Einkaufszentrum.

Die Stadtverwaltung beabsichtigt ebenfalls, mit Straßenkünstlern zusammenzuarbeiten, um einigen Ecken der Stadt ein bunteres Aussehen zu verleihen. Ein anschauliches Beispiel dafür ist vor dem Nordbahnhof zu sehen, von dem aus der Pendlerverkehr zu den Küstenorten führt. Das Projekt wurde von der Königsberger Stadtverwaltung initiiert. Sie begründete dies damit, dass nicht alle Straßengrafiken als Vandalismus bezeichnet werden könnten. Sehr oft stellten die Bilder an Zäunen und Hauswänden sogar Kunst dar. 

Den Beamten und Straßenkünstlern fiel es nicht leicht, eine gemeinsame Sprache zu finden, aber sie schafften es schließlich doch, sich zu einigen. Der Standort für ein neues großflächiges Gemälde ist der Zaun, der die Rückseite des Königsberger Geschäftszentrums am Hansaplatz umgibt. Die Verwaltung des Einkaufszentrums stellte sogar die Mittel für Farben und andere Verbrauchsmaterialien zur Verfügung.

Einigung schafft Rechtssicherheit

Ein weiteres neues Bild zeigt eine rote Tatra-Straßenbahn, so als ob es daran erinnern wolle, dass das Königsberger Straßenbahnsystem das älteste auf dem heutigen Territorium der Russischen Föderation ist. Daneben steht eine Katze, die aussieht, als ob sie den Fahrgästen der Züge mitteilen wolle, dass sie in die „Hauptstadt der Katzen“, nach Cranz, fahren. Es gibt auch einen großen schwarzen Hund – wie bekannt ist, kann man in Königsberg immer noch streunende Hunde sehen, die auf den Straßen der Stadt herumlaufen. Diese farbenfrohen Zeichnungen sind das erste, was Passagiere sehen, die mit der Bahn aus den Küstenorten in Königsberg ankommen.

Die Vertreter des Königsberger Geschäftszentrums Europa wollen die Graffiti-Künstler auch weiterhin unterstützen. Diese wiederum hoffen, auf ihre Kreativität aufmerksam machen und ihren Bekanntheitsgrad erhöhen zu können. Die Stadtverwaltung zeigte sich mit der gefundenen Lösung zufrieden wie auch mit der Tatsache, dass die Künstler nun nicht mehr vor der Polizei weglaufen müssen, sondern mit der Verwaltung verhandeln und Werke schaffen, die beim Bürger Gefallen finden. Das Büro des Bürgermeisters diskutiert die Möglichkeit, eine ganze Straße für zeitgenössische Kunst zu schaffen, in der auch Graffiti präsentiert werden sollen.