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31.12.20 / Naher Osten / Die arabische Welt nach der Arabellion / Der Nahost-Studioleiter des ORF beleuchtet den Einfluss des Westens auf die Umstürze der vergangenen Jahre sowie die aktuelle Entwicklung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 53 vom 31. Dezember 2020

Naher Osten
Die arabische Welt nach der Arabellion
Der Nahost-Studioleiter des ORF beleuchtet den Einfluss des Westens auf die Umstürze der vergangenen Jahre sowie die aktuelle Entwicklung
Wolfgang Kaufmann

Eine arabische Weisheit lautet: „Wenn Du ein Haus kaufen willst, schaue Dir vorher die Nachbarn an.“ Wäre Europa ein Haus, sollte man daher klugerweise vom Erwerb absehen. Denn in der Nachbarschaft liegt der größte Unruhe- und Konfliktherd der Welt, nämlich der arabisch geprägte Nahe Osten. Dessen aktuellen Zustand erklärt der Leiter des ORF-Nahostbüros in Kairo und Bestsellerautor Karim El-Gawhary in seinem neuen Buch „Repression und Rebellion“.

Darin geht es um den turbulenten Wandel in der arabischen Welt nach Ausbruch der sogenannten „Arabellion“ im Dezember 2010 und den seither stärker denn je tobenden Kampf zwischen Autokraten, die um jeden Preis an der Macht bleiben wollen, und deren recht inhomogener Gegnerschaft. Für El-Gawhary steht dabei zweifelsfrei fest, dass Europa und die USA maßgeblich mit dafür verantwortlich seien, dass sich die Krise im Nahen Osten in den letzten Jahren noch deutlich verschärft habe. Denn der Westen setze nach wie vor auf Herrscherpersönlichkeiten, die „keine Stabilität bringen und nicht die Lösung, sondern ein großer Teil des Problems sind“, weil sie „Terror und Flüchtlinge produzieren“. Die ganze Misere resultiere also in allererster Linie aus dem „unseligen arabischen Dreigespann Armut, Ungleichheit und Machtlosigkeit“ sowie aus der Unfähigkeit der Regierungen in Amerika und Europa, hieraus die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.

Allerdings ist El-Gawhary so fair, nicht in die übliche undifferenzierte Trump-Schelte einzustimmen: Immerhin habe der Noch-US-Präsident die militärischen Konflikte mit amerikanischer Beteiligung in arabisch-islamischen Ländern von seinem Vorgänger, dem Friedensnobelpreisträger Barack Obama, „vererbt“ bekommen. Aber sonst bleibt der Verfasser hart: Auch Trump fehle eine „kohärente Strategie“ und Europa setze währenddessen seinen altbekannten „Eiertanz“ fort: In Sonntagsreden beschwöre man „Demokratie und Menschenrechte“ und im Alltag werde dann emsig mit Diktatoren jedweder Art kooperiert.

Dabei führt El-Gawhary selbst auch einen Eiertanz auf, indem er immer wieder versucht, die maßgebliche Rolle des Islam und der vielfach noch sehr archaischen Mentalität im arabischen Raum herunterzuspielen. Doch genau diese beiden hausgemachten Faktoren sind es, welche der Region am meisten zu schaffen machen. Und das beileibe nicht erst, seit der Westen durch seine Kolonialpolitik Einfluss auf den Nahen Osten nahm.

Karim El-Gawhari: „Repression und Rebellion. Arabische Revolution – was nun?“, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2020, gebunden, 224 Seiten, 24 Euro