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31.12.20 / DDR / Mitteldeutsche im Westen / Viele aus der DDR Geflohene beklagten, sich nicht angenommen zu fühlen. Vor allem SPD und Grüne behandelten sie wie Ausländer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 53 vom 31. Dezember 2020

DDR
Mitteldeutsche im Westen
Viele aus der DDR Geflohene beklagten, sich nicht angenommen zu fühlen. Vor allem SPD und Grüne behandelten sie wie Ausländer
F.-W. Schlomann

Flucht aus einem Land bedeutet das Zurücklassen des bisherigen Lebens sowie den Beginn in einer neuen, fremden Welt. Das Leben dort ist abhängig von Aufnahmebereitschaft und Anteilnahme seitens der Gesellschaft. Jeder zehnte Geflohene aus der DDR hatte laut Bettina Effner das Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum Westen Deutschlands. Schwerpunkte ihres Buches „Der Westen als Alternative“, das auf vielen Selbstzeugnissen, Interviews und Bundestagsunterlagen beruht, stellen das veränderte Bewusstsein der Bundesbürger zu DDR-Geflüchteten dar und primär die Fragen der Staatsangehörigkeit. 

Eigentlich sollten sie kein Thema sein, waren doch auch die Menschen in der DDR Deutsche im Sinne der deutschen Staatsangehörigkeit und hatten dieselben Rechte wie Bundesbürger. Indes führte Ost-Berlin eine eigene ein, die im Westen von der SPD und den Grünen anerkannt wurde. Der Leiter der Ständigen Vertretung forderte sogar, DDR-Flüchtlinge sollten die – gar nicht existierende – BRD-Staatsbürgerschaft beantragen. Ziel der SPD-Vorsitzenden war, die „Deutsch-Definition“ des Grundgesetzes zu ändern. 

Hinzu kam, dass die Bundesrepublik sich ab den 1960er Jahren nicht mehr als provisorisch sah. Es entwickelte sich ein nur auf sie bezogenes Staatsbewusstsein. Keine 20 Jahre später bewertete knapp ein Drittel der Westdeutschen die Deutschen jenseits der Mauer als „Ausländer“. Dennoch herrschte damals noch die Auffassung von einer Nation vor. Während die Unionsparteien bis zuletzt die Gemeinsamkeit mit den Landsleuten „drüben“ betonten, lehnten Oskar Lafontaine (damals SPD) und die Grünen den Status als Deutscher ab und hoben auf die Bedürftigkeit des Geflüchteten im Einzelfall ab – gleichgültig, woher er geflohen war. 

Im September 1989 traten Lafontaine und weite Kreise der SPD mit dem Argument der hohen Kosten für die aufgenommenen DDR-Flüchtlinge für einen begrenzten Zuzug aus dem anderen Teil Deutschlands ein. Dass diese Schritte einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts widersprachen, nahmen sie offenbar in Kauf. Die Grünen befürworteten noch im Sommer 1990 (also nach dem Fall der Berliner Mauer) eine Zweistaatlichkeit. Im krassen Gegensatz zur Verfassung sollten DDR-Geflohene nicht als Deutsche behandelt werden, sondern als Nicht-EG-Ausländer, also etwa wie Schweizer. Man schwärmte viel von internationaler Solidarität, aber dieselbe Nationalität sollte keine Garantie mehr sein. Es war kein Ruhmesblatt in der deutschen Nachkriegs-Geschichte.

Bettina Effner: „Der Westen als Alternative“, Ch. Links-Verlag, Berlin 2020, gebunden, 446 Seiten, 40 Euro