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08.01.21 / Kongo / Als Patrice Lumumba zu ganz Afrika wurde / Durch seinen Märtyrertod vor 60 Jahren avancierte der erste Premierminister der vormaligen belgischen Kolonie zur populärsten Ikone des Befreiungskampfes der Schwarzen auf dem schwarzen Kontinent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-21 vom 08. Januar 2021

Kongo
Als Patrice Lumumba zu ganz Afrika wurde
Durch seinen Märtyrertod vor 60 Jahren avancierte der erste Premierminister der vormaligen belgischen Kolonie zur populärsten Ikone des Befreiungskampfes der Schwarzen auf dem schwarzen Kontinent
Wolfgang Kaufmann

Am 30. Juni 1960 wollte der belgische König Baudouin die bisherige Kolonie Belgisch-Kongo mit viel Eigenlob bezüglich der „zivilisatorischen Verdienste“ des Mutterlandes offiziell in die Unabhängigkeit entlassen. Allerdings nahm die Zeremonie nicht den gewünschten harmonischen Verlauf, weil Kongos erster Premierminister, Patrice Lumumba alias Tasumbu Tawosa, an jenem Tage in seiner Replik auf die Rede des Monarchen die zahlreichen Verbrechen der Kolonialmacht auflistete und danach schwor: „Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten.“

Der am 2. Juli 1925 in Onalua geborene Afrikaner wusste, wovon er sprach. Als Wortführer der von ihm mitbegründeten Unabhängigkeitspartei Mouvement National Congolais (MNC) hatte der frühere Postbedienstete selbst mehrere Monate in belgischen Kerkern zugebracht. 

Noch brisanter als die Konfrontation  der einstigen Kolonialherren mit der Vergangenheit war seine Ankündigung, der Ausbeutung der Bodenschätze und Agrarressourcen des Kongo durch belgische und andere westliche Gesellschaften ein ebenso schnelles wie gründliches Ende zu bereiten. Deshalb galt beizeiten in entsprechenden Kreisen als abgemacht, dass der Premier aus dem Wege geräumt werden müsse. So gab der belgische Minister für afrikanische Angelegenheiten, der Graf Harold d’Aspremont Lynden, die Parole aus: „Das Hauptziel … ist fraglos die … Eliminierung Lumumbas.“

Lumumbas Tod wünschten viele

Genauso harsch reagierte der US-amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower auf die Verstaatlichungspläne. Schließlich waren auch US-amerikanische Unternehmen am Abbau der kongolesischen Bodenschätze beteiligt, von denen einer für die Vereinigten Staaten sogar allerhöchste strategische Bedeutung besaß. Das Uranerz, das in der US-Kernwaffenproduktion benötigt wurde, stammte zunächst vor allem aus der Shinkolobwe-Mine im Kongo.

Daher gab Eisenhower dem US-Auslandsgeheimdienst CIA am 18. August 1960 grünes Licht für die Ermordung Lumumbas. Die Tat wollte der CIA-Resident im damaligen Léopoldville, dem heutigen Kinshasa, Lawrence R. Devlin, mittels einer Tube vergifteter Zahnpasta bewerkstelligen. 

Doch bevor es gelang, diese in die Gemächer des Premierministers zu schmuggeln, überstürzten sich die Ereignisse durch das Zutun der CIA, des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, des belgischen Geheimdienstes Direction Supérieure du Renseignement et de l’Historique (S.D.R.H.) und der zahlreichen kongolesischen Rivalen Lumumbas.

Im September 1960 erklärte Staatspräsident Joseph Kasavubu von der Alliance des Bakongo (Abako) den Premierminister für abgesetzt und beauftragte den Stabschef der Armee, Oberst Joseph-Désiré Mobutu, mit dessen Verhaftung. 

Damit verschlimmerte er das ohnehin schon bestehende Chaos im Lande infolge einer Meuterei der schwarzen Soldaten der Streitkräfte gegen ihre belgischen Offiziere sowie der Sezessionsbestrebungen der reichen Bergbauprovinz Katanga im Süden des Landes. Dort hatte Moïse Tschombé mit Unterstützung der belgischen Bergbaugesellschaft Union Minière du Haut Katanga und ehemaliger Kolonialtruppen Brüssels den „Autonomen Staat Katanga“ ausgerufen. Daraufhin entsandten die Vereinten Nationen zwar auf Lumumbas Ersuchen hin Blauhelme in den Kongo, doch verhielten die sich weitgehend passiv.

Lumumba konnte im November 1960 aus dem Gewahrsam Mobutus entkommen, wurde aber bald darauf erneut ergriffen und dann schließlich im Januar 1961 auf Betreiben des Grafen d’Aspremont Lynden nach Élisabethville, der Hauptstadt des abtrünnigen Katanga, geflogen. Danach war schlagartig nichts mehr von Lumumba zu hören, bis der Separatistenführer Tschombé am 13. Februar 1961 vermeldete, der gestürzte Politiker sei von wütenden Bauern gelyncht worden.

Die wahren Täter, die Lumumba erst folterten, bevor sie ihn ermordeten, waren indes andere. Eine belgische Untersuchungskommission gab im November 2001 bekannt, katangische Soldaten unter dem Kommando belgischer Offiziere hätten Lumumba sowie dessen Gefolgsleute Joseph Okito und Maurice Mpolo am Abend des 17. Januar 1961 nach diversen Demütigungen und Misshandlungen, darunter auch durch Tschombé selbst, erschossen. Gleichzeitig identifizierte der Historiker Ludo De Witte Hauptmann Julien Gat und Polizeikommissar Frans Verscheure als die seinerzeitigen Befehlsgeber vor Ort. Darüber hinaus gestanden einige ehemalige Söldner und Agenten der CIA beziehungsweise des S.D.R.H. schon im Jahre 2000 in Fernsehinterviews, an der Liquidierung Lumumbas und der Beseitigung seiner Leiche beteiligt gewesen zu sein. Der Belgier Gérard Soete zeigte bei dieser Gelegenheit sogar einen ausgeschlagenen Schneidezahn des Ermordeten vor.

Aufklärung erst im 21. Jahrhundert

Durch seinen Märtyrertod avancierte Lumumba zur populärsten Ikone des Befreiungskampfes der Schwarzen in Afrika – lange, bevor ihm Nelson Mandela den Rang ablief. Allerdings ist fraglich, ob der Kongo unter seiner Herrschaft die verheißene gedeihliche Entwicklung genommen hätte. Denn das Land war nicht nur völlig unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassen worden, sondern auch ethnisch wie politisch zutiefst gespalten. Stabilität kehrte in der Republik Kongo, dem späteren Zaire, erst ein, als sich Mobutu 1965 an die Macht putschte und danach unter dem Namen Mobutu Sese Seko bis 1997 diktatorisch herrschte. 

Anschließend brachen erneut blutige Konflikte aus, die in manchen Teilen des Landes bis heute andauern. Währenddessen verlor der Westen, der im zutiefst korrupt-kleptokratischen Mobutu einen willfährigen Partner besessen hatte, an Einfluss im Kongo. Verantwortlich hierfür waren auch die zunehmend größer werdenden Finanzspritzen von Seiten Chinas. Mittlerweile kann Peking ziemlich ungestört nach den kongolesischen Rohstoffen greifen, wie dem Kobalt, das für die Batterien der Elektroautos genauso dringend benötigt wird wie Lithium.





Lomumbas kongolesische Rivalen

Joseph Kasavubu wurde 1960 Kongos erster Präsident. Er verbündete sich mit Mobutu gegen Lumumba und wurde 1965 selbst von diesem gestürzt

Joseph-Désiré Mobutu entmachtete erst Lomumba und putschte sich 1965 ins Präsidentenamt. Noch im Jahr seines Sturzes starb er 1997 in Marokko

Moïse Tschombé gab 1963 den Kampf für ein eigenständiges Katanga auf. 1964 berief ihn Kasavubu zu Kongos Premierminister, setzte ihn aber bereits 1965 wieder ab