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08.01.21 / Politik und Nation / Hassen die Grünen ihr Land? / Die Partei kann mit der Nation nicht viel anfangen. Aber war das immer so? Grünen-Urgestein Rolf Stolz gibt überraschende Einblicke in die bemerkenswerte Geschichte einer langen Fehlentwicklung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-21 vom 08. Januar 2021

Politik und Nation
Hassen die Grünen ihr Land?
Die Partei kann mit der Nation nicht viel anfangen. Aber war das immer so? Grünen-Urgestein Rolf Stolz gibt überraschende Einblicke in die bemerkenswerte Geschichte einer langen Fehlentwicklung
Rolf Stolz

Vierzig Jahre sind eine lange Zeit. In den vierzig Jahren seit ihrer Gründung 1980 ist aus den Grünen eine andere Partei geworden. Als „Anti-Parteien-Partei“ (Petra Kelly), als bunter parlamentarisch-außerparlamentarischer Arm der Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen begannen sie – noch ohne Joseph Fischer (Mitglied seit 1982) und Claudia Roth (seit 1987, seit 1985 für die grüne Fraktion tätig). Waren sie in Sachen Deutschland anfangs ähnlich ausgerichtet wie heute? Ganz und gar nicht. 

Rudi Dutschke, von entscheidendem Einfluss auf die Gründung der Partei, hatte sich bis zu seinem tragischen Tod am 24. Dezember 1979 für seine Konzeption einer flügelübergreifenden, Linkssozialisten und Wertkonservative einschließenden Organisation eingesetzt („von Gruhl bis Dutschke“). Bei Luckenwalde geboren, floh er drei Tage vor dem Mauerbau nach West-Berlin und richtete seine erste politische Aktion vier Tage später gegen den Spätstalinismus. Als christlicher Sozialist, als Gegner diktatorischer Staatsvergottung, als linker Patriot war ihm der Kampf für ein einiges, friedliches, demokratisches Deutschland ein Herzensanliegen. 

Dieses Ziel verband ihn mit Herbert Gruhl (1921–1993), der die CDU 1978 verließ und die „Grüne Aktion Zukunft“ (GAZ) gründete, und mit August Haußleiter (1905–1989), der nach seinem Rücktritt als deren stellvertretender Vorsitzender und Austritt aus der CSU 1949 über drei Jahrzehnte einer der wichtigsten Verfechter eines unabhängigen, blockfreien Gesamtdeutschland gewesen war. 

Hieraus ergab sich, dass das bis März 2002 gültige Saarbrücker Programm von 1979/80 forderte: „Der Ausbau einer am Leitwert Frieden ausgerichteten Zivilmacht muss mit der sofort beginnenden Auflösung der Militärblöcke, vor allem der NATO und des Warschauer Paktes, einhergehen. Damit wird die Grundlage geschaffen, um die Teilung Europas und damit auch die deutsche Spaltung zu überwinden.“ 

Patrioten stiegen enttäuscht aus

Aus der Perspektive der Regierungsposition der Grünen seit 1998 betrachtete Christoph Egle 2003 das Programm von 1979/80 nur mehr als Altlast. Wie kam es dazu? Zunächst zogen sich ab Sommer 1980 jene zurück, die als unabhängige Linke wie Heinz Brandt oder Wertkonservative wie Gruhl an der Idee der Sammlungsbewegung („weder links noch rechts, sondern vorn“) festhielten. Im Januar 1982 gründete Gruhl mit der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) eine einflusslose Konkurrenzpartei, deren Abdriften ins antideutsche Lager ihn 1989 zur Gründung der noch schwächeren Unabhängigen Ökologen für Deutschland (UÖD) bewegte. Obwohl die Abgänge die patriotisch-nationalneutralistische Strömung in den Grünen schwächte, gelangen dieser zunächst einige Erfolge: 1983 fand die erste bundesweite Konferenz für eine grün-alternative Deutschlandpolitik in Köln statt. 1984 gründete sich der überparteiliche Initiativkreis Linke Deutschland-Diskussion (LDD) und gab den Materialbrief „Deutsche Probleme“ heraus. 1984 konnte der Verfasser dieser Zeilen im Auftrag von Partei und Fraktion im Streitgespräch mit Manfred Stolpe, Günther Gaus und Peter Bender in der Akademie Tutzing für Konföderation und Wiedervereinigung eintreten und in seinem Vortrag „Ein deutscher Sonderweg außerhalb der Blöcke“ in jenem Rahmen, in dem Egon Bahr 1963 seine ostpolitische Konzeption „Wandel durch Annäherung“ entworfen hatte, Alternativen zum Status quo skizzieren. 

Diese Entwicklung wurde jäh unterbrochen, als 1985 Dirk Schneider (1939–2002) Vertreter der Grünen im Innerdeutschen Ausschuss des Bundestags wurde. Schneider, Stasi-IM „Ludwig“ seit 1975, 1990 zur PDS gewechselt und 1991 enttarnt, hatte nicht umsonst den Spitznamen „Ständige Vertretung der DDR in den Grünen“. Er geißelte, sekundiert von der Herz-Jesu-Stalinistin Antje Vollmer, die Wiedervereinigungsforderung als friedensgefährdend und hetzte gegen DDR-Ausreiser als „Luxusflüchtlinge“. Im Innerdeutschen Ausschuss beerbte ihn später der ähnlich gepolte Henning Schierholz (1949–2007), der ebenfalls später zur PDS wechselte. 

Diesen Antideutschen gelang es, die Ansätze einer grünen Deutschlandpolitik im Keim zu ersticken, zumal 1986 alle Vorstöße, für einen Friedensvertrag als Kernelement einer Europäischen Friedensordnung einzutreten, von der Bundesversammlung abgelehnt wurden. Wie die Historikerin Regina Witt schrieb, blieb in den Grünen der Nationalneutralismus ebenso wie die aktive Unterstützung der Bürgerrechtsgruppen in der DDR eine „Minderheitenposition“ – im Gegensatz zur mehrheitlich unterstützten völkerrechtlichen Anerkennung der DDR. 

Ultralinke wie Jürgen Reents (später bis 2012 Chefredakteur des „Neuen Deutschland“) und Jutta Ditfurth (1991 Gründerin der Kleinpartei „Ökologische Linke“) taten sich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre mit den 1990 auf ganzer Linie siegreichen Realos zu einer vereinigten antideutschen Front zusammen. 

Fischer erklärte 1991, dass er ebenso wie „die Mehrheit der westdeutschen Linken und auch der jüngeren Generation im Westen“ die Einheit nicht gewollt habe. Die Ablehnung der Einheit sei „historisch und biographisch begründet: die Furcht vor der Wiedergeburt eines deutschen Nationalismus; die Angst vor dem Verlust an innerer Demokratie und Freiheit, falls sich der ökonomische Riese und politische Zwerg Bundesrepublik Deutschland daran macht, nunmehr auch zum politischen Riesen zu werden und, wenn nicht heute, so doch morgen oder übermorgen, seine ,Weltmachtrolle‘ sucht.“

Abschaffung im Schongang

Vom politischen Riesen und der Weltmacht ist Deutschland weit entfernt. Und innere Demokratie und Freiheit kränkeln eher. Dafür haben es die Spitzengrünen weit gebracht: in die Nähe der Berliner Regierungsbänke. Dazu haben sie eine einstige Partei der ökologischen und friedenspolitischen Opposition verwandelt in einen Wechselbalg aus Neo-SPD und Neo-CDU. Allzeit bereit und allseits verwendbar lauern sie auf den nächsten Karrieresprung – womöglich als Minister unter Markus Söder. Ihre Haltung zu Deutschland schwankt zwischen leisem Heimatgesäusel beim wendigen Robert Habeck und blankem antideutschen Hass bei Claudia Roth oder den Fahnenpinklern der „Grünen Jugend“. Lässt man die Schönwetterphrasen von einer „Völkergemeinschaft weltoffener Demokratie“ und einer „Föderation der Nationalstaaten“ im Programm von 2002, welches das Saarbrücker Programm ablöste, beiseite, so wird schon dort auf eine europäische Integration, welche die Nationalstaaten beseitigt, gesetzt. 

Das Ziel ist ein zentralistischer Bundesstaat statt eines Staatenbundes souveräner Vaterländer. Das wird verschärft im neuen, im November 2020 verabschiedeten Programm, welches eine „Föderale Europäische Republik“ mit eigener Verfassung fordert. Die Nationen erscheinen hier nur als Gespenster der Vergangenheit, denen per Mehrheitsentscheid der Garaus gemacht wird. Nachdem die Radikalkur des „Deutschland verrecke!“ die Wahlniederlage von 1990 bescherte, will man klammheimlich Deutschland beerdigen und in ein multikulturelles Wohngebiet ohne Grenzen und störende Identität verwandeln. Deutschlandabschaffung im Schongang ist heute die Devise.