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15.01.21 / Jubiläum / Heimliche Mordgedanken / Patricia Highsmith hat das Krimigenre revolutioniert – Vor 100 Jahren wurde die Meisterin psychologischen Spürsinns geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-21 vom 15. Januar 2021

Jubiläum
Heimliche Mordgedanken
Patricia Highsmith hat das Krimigenre revolutioniert – Vor 100 Jahren wurde die Meisterin psychologischen Spürsinns geboren
Stephanie Sieckmann

Eine Begegnung im Kaufhaus an der Fifth Avenue in New York oder ein junger Mann, der an einem sonnigen Sommertag am Strand von Locarno spazieren geht – Alltagsszenen wie diese inspirierten Patricia Highsmith zu ihren Werken. Das, was die vor 100 Jahren im US-Bundesstaat Texas als Mary Patricia Plangman geborene Krimiautorin aus den unscheinbaren Situationen kreierte, waren vor allem literarisch umgesetzte psychologische Studien von Morden und Kriminalfällen, mit denen sie Weltruhm erlangte.

Innerhalb des Krimigenres galt High­smith als revolutionäre Autorin, denn sie war immer radikal an den psychologischen Hintergründen einer Tat interessiert. Die Aufklärung des Mordfalls war dabei nebensächlich. Wer einen Mord begeht und was ihn dazu bringt – darauf lag stets ihr Fokus. Dabei schrieb sie keineswegs technisch oder abstrakt. Ihr Stil war literarisch, ließ sich aber genau deshalb nicht klar einordnen. Mit dem ihr eigenen Stil eroberte die am 19. Januar 1921 in Fort Worth geborene Literaturwissenschaftlerin neues Terrain und schuf ein völlig neues Genre: den psychologischen Krimi.

Gleich mit ihrem ersten veröffentlichten Buch landete Highsmith einen Coup. „Der Fremde im Zug“ von 1950 wurde von Alfred Hitchcock verfilmt und machte sie über Nacht berühmt.

Zuvor hatte sie als Verkäuferin im Einzelhandel ihren Lebensunterhalt verdient. Durch den Erfolg konnte sie nicht nur von den Einkünften aus den ersten Buchveröffentlichungen leben, sie konnte sich auch für den Rest ihres Lebens Reisen und Auslandsaufenthalte erlauben. Dabei zog es sie immer wieder nach Europa. Hier verbrachte sie einen Großteil ihres Lebens, wohnte in Frankreich, Großbritannien und schließlich in der Schweiz, wo sie am 4. Februar 1995 in Locarno an Krebs verstarb.  

Im Jahr 1955 kreierte sie in ihrem Buch „Der talentierte Mr. Ripley“ die Figur des Tom Ripley. Ein junger Mann, der am Strand spazieren ging, inspirierte sie zu diesem Kriminalfall, bei dem die Polizei erfolglos Jagd auf einen Mörder macht, mit dem der Leser mitfiebert. Ripley ist ein junger Durchschnittsmensch, strebt nach besserer Kleidung, schnelleren Autos und mehr Geld. Dass er auf seinem Weg nach oben moralisch verwerfliche Abkürzungen nimmt und nicht die für gewöhnlich vorhandenen Schuldgefühle oder ein Gewissen an den Tag legt, wird oft als faszinierend und zugleich abstoßend wahrgenommen. Die Leser begeistern sich für den Roman. Verfilmungen, erst mit Alain Delon und viel später mit Matt Damon in der Hauptrolle, wurden zu Kinoschlagern.

Das Spiel mit Gegensätzen ist etwas, das Highsmith in ihrem Werk immer wieder zur Perfektion gebracht hat. Heimliche Mordgedanken, der Einfluss des Gewissens auf die Handlungen der Romanfiguren, Spannungen, die durch Angst und Schuld hervorgerufen werden – das sind Elemente, die bei der Autorin ein immer wiederkehrendes Element darstellen.

Ein anderer Aspekt, den sie in ihren Werken immer wieder aufgreift, sind gleichgeschlechtliche Neigungen, die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts von der Gesellschaft nicht akzeptiert wurden. Den Roman „Salz und sein Preis“ veröffentlichte sie 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan und lüftete erst sehr spät, im Jahr 1990, das wohlgehütete Geheimnis, dass dieses Buch aus ihrer Feder stammte. Der autobiographisch geprägte Roman, der ausnahmsweise einmal kein Krimi ist, kam 2015 unter dem Titel „Carol“ in die Kinos. 

In ihrem Heimatland USA fand sie vergleichsweise wenig Anerkennung. In Europa wurde sie für ihren Stil geliebt und bewundert. Insgesamt 22 Romane und Kurzgeschichten, die in sieben Sammelbänden erschienen sind, hat sie im Laufe ihres Lebens geschaffen. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt worden. Vor allem in Europa und Japan fanden die Bücher großen Anklang. Auch verfilmt wurden viele ihrer Werke, besonders in Frankreich waren die Verfilmungen gefragt. Nicht nur Hitchcock, auch Claude Chabrol und Wim Wenders haben dabei Regie geführt und dafür gesorgt, dass der Name von Highsmith und ihre Romane unvergesslich bleiben werden.

Neue Bücher gebundene Ausgaben im Diogenes Verlag: „Ladies. Frühe Stories“ (320 Seiten, 24 Euro); „Diaries/Notebooks. Die Tage und Notizbücher“ (erscheint im Herbst); im Dezember erschienen sind Diogenes-Taschenbuchneuauflagen von „Der Schrei der Eule“, „Der süße Wahn“, „Ediths Tagebuch“, „Tiefe Wasser“, „Elsies Lebenslust“ und „Salz und sein Preis“ (jeweils 13 Euro); am 26. Mai erscheint High­smiths Erstling „Zwei Fremde im Zug“ in einer Neuauflage (432 Seiten, 13 Euro)