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15.01.21 / Präzisionsgelenkte Munition / Der erste große Feldversuch / Im Zweiten Golfkrieg wurden erstmals lasergelenkte Waffen in größerem Umfang eingesetzt. Vor 30 Jahren begann die Operation Desert Storm der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-21 vom 15. Januar 2021

Präzisionsgelenkte Munition
Der erste große Feldversuch
Im Zweiten Golfkrieg wurden erstmals lasergelenkte Waffen in größerem Umfang eingesetzt. Vor 30 Jahren begann die Operation Desert Storm der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak
Wolfgang Kaufmann

Im statistischen Durchschnitt mussten im Zweiten Weltkrieg 108 viermotorige Bomber 648 Bomben abwerfen, um ein ausgewähltes Ziel zu treffen. Dies kann heute eine einzige „Smart Bomb“ erledigen. Hierbei handelt es sich um einen Sprengkörper, der zur Klasse der präzisionsgelenkten Munition (PGM) gehört. Darunter fallen selbststeuernde Raketen, Bomben und Granaten, die Flugrichtung und -lage nach dem Abschuss oder Abwurf eigenständig zu ändern vermögen und dadurch eine wesentlich höhere Treffergenauigkeit erreichen. Ihre Premiere erlebten die „intelligenten“ Bomben am 10. Mai 1972, als die US-Luftwaffe die Paul-Doumer-Brücke in Nordvietnam zu zerstören versuchte. Zum ersten wirklich großen Experimentierfeld für PGM avancierte indes erst der Zweite Golfkrieg, die Operation Desert Storm (Wüstensturm), die vor 30 Jahren, am 17. Januar 1991, um 3 Uhr Ortszeit begannen.

Casus Belli war die Annexion des Emirates Kuwait durch den Nachbarstaat Irak im August 1990. Daraufhin verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 662 mit der Forderung nach einem unverzüglichen Abzug der irakischen Truppen und die Resolution 678, welche die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ermächtigte, „alle erforderlichen Mittel einzusetzen“, um Kuwaits Besetzung zu beenden. 

Letzteres wurde insbesondere von den USA angestrebt. Gemäß der am 23. Januar 1980 verkündeten und nach dem damaligen US-Präsidenten benannten Carter-Doktrin galt der Raum um den Persischen Golf als Region von herausragender strategischer Bedeutung und jeder Versuch einer einzelnen Macht, die Kontrolle darüber zu erlangen, als „Angriff auf die lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten“. 

Im konkreten Falle ging es den USA weniger um das besetzte Kuwait als um Saudi-Arabien, an dessen Grenzen die irakischen Panzer nun standen. Wäre Iraks Präsident Saddam Hussein auch in das wahhabitische Königreich eingefallen, hätte er faktisch über die Hälfte der damals bekannten globalen Ölreserven verfügt. Um das zu verhindern, schmiedete Washington ein Militärbündnis, das am Ende 34 Staaten vereinte, darunter sogar arabische Staaten wie Ägypten oder Marokko.

„Chirurgische Schläge“

Trotz dieser Übermacht dachte Hussein nicht daran, der UN-Forderung nachzukommen, Kuwait bis zum 15. Januar 1991 zu räumen. Vielmehr schwor er seine 650.000 Soldaten am 6. Januar voller Pathos auf die „Mutter aller Schlachten“ ein. Einen Tag nach dem Verstreichen des UN-Ultimatums, am 17. Januar 1991, starteten die Koalitionsstreitkräfte, die eine Stärke von 956.600 Mann hatten, von denen 575.000 dem US-Militär angehörten, ihre Offensive gegen den Irak. An deren Anfang standen fast 110.000 Luftangriffe auf militärische Ziele in Kuwait sowie Teile der irakischen Infrastruktur wie Kraftwerke, Häfen, wasserwirtschaftliche Anlagen, Ölraffinerien oder Verkehrswege. Dabei kam oftmals auch präzisionsgelenkte Munition zum Einsatz, so zum Beispiel bei der Zerstörung von Radaranlagen, Stellungen von Flugabwehrraketen und Bunkern. Allerdings machten ungeachtet aller Propaganda die „Smart Bombs“ nur 7,4 Prozent der verwendeten Bomben mit einem Gesamtgewicht von 60.624 Tonnen aus. Die verbleibenden Prozent wurden wie schon zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs im Rahmen von Flächenbombardements abgeworfen.

Hussein reagierte mit dem Abschuss von Scud-Raketen auf Israel und Saudi-Arabien. Außerdem besetzten irakische Einheiten am 29. Januar die saudi-arabische Grenzstadt Chafdschi. 

Nach einem weiteren Ultimatum an die Adresse Bagdads, bis zum 23. Februar den Rückzug anzutreten, begann am Folgetag die Bodenoffensive der Alliierten unter dem Kommando des US-Viersternegenerals Norman Schwarzkopf. In deren Verlauf wurden bei sehr geringen eigenen Verlusten 29 irakische Divisionen zerschlagen und über 3000 gegnerische Kampfpanzer zerstört. 63.000 Soldaten Husseins gerieten in Gefangenschaft. Der Krieg endete am 12. April 1991, nachdem der Kommandorat der Revolution in Bagdad die Annexion Kuwaits formell annulliert hatte. 

Nach dem Zweiten Golfkrieg kam präzisionsgelenkte Munition bei den NATO-Luftangriffen in Bosnien-Herzegowina und Afghanistan zum Einsatz. In Afghanistan betrug ihr Anteil an den abgeworfenen Bomben bereits 60 Prozent. Und im Dritten Golfkrieg vom 20. März bis 1. Mai 2003 waren rund 20.000 der 30.000 gegen den Irak eingesetzten Bomben Präzisionswaffen.  

Bewaffnete Kampfdrohnen

Die Vorteile des Einsatzes von präzisionsgelenkter Munition für den Anwender liegen auf der Hand. Bei den sogenannten chirurgischen Schlägen (surgical strikes), wie der militärische Euphemismus lautet, gibt es weniger Streuverluste und propagandistisch unangenehme Kollateralschäden. Präzisionsgelenkte Munition eignet sich insbesondere für die Bekämpfung vergleichsweiser kleiner Ziele und damit für die asymmetrischen Kriege der Gegenwart, in denen der Gegner oft nur in geringer Zahl auftritt und kleinräumig agiert. 

Allerdings gibt es auch eine Achillesferse der präzisionsgelenkten Munition und ähnlicher neuartiger Waffen wie unbemannten Marschflugkörpern und Drohnen, die durch Trägheits- und Satelliten-Navigationssysteme oder per Fernsteuerung gelenkt werden. Jeder technisch einigermaßen bewanderte Gegner findet bei ihnen eine Vielzahl von Störmöglichkeiten vor, deren Nutzung oft nur relativ geringen Aufwand erfordert. Dazu zählen die Unterbrechung von Datenströmen, die „Blendung“ von Sensoren an der präzisionsgelenkten Munition und den Flugkörpern sowie Hackerangriffe auf die Computersysteme oder weitere kritische Infrastrukturen zur Absicherung der Missionen.   

Insofern löst die insbesondere von der Union befürwortete Anschaffung bewaffneter Kampfdrohnen nicht das grundsätzliche Problem der Bundeswehr. Sollte es nämlich dem Gegner gelingen, die neuartigen Drohnen mit elektronischen Mitteln auszuschalten, müsste die Bundeswehr wieder auf die übliche althergebrachte Weise kämpfen, wozu sie kaum mehr in der Lage ist.