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15.01.21 / Das Gold der Ostseee / Die Stolper Bernsteindreherzunft / Bernstein– seit dem Altertum begehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-21 vom 15. Januar 2021

Das Gold der Ostseee
Die Stolper Bernsteindreherzunft
Bernstein– seit dem Altertum begehrt

Die Fluten der Ostsee warfen den Bernstein seit jeher an die Gestade. Seine Herkunft und Bedeutung war in der Vorzeit mit besonderem Zauber und Segen verbunden. Der berühmte Bernsteinbär, der als Anhänger getragen wurde und sich im Pommerschen Landesmuseum in Stettin befand, stammt aus der Steinzeit. Sein Fundort bei Stolp deutet darauf hin, dass in dieser Gegend früh die Bearbeitung von Bernstein bekannt war.

Die Bernsteinstraße

Im Altertum war der Bernstein von goldgelber Farbe vor allem bei den südlichen Kulturvölkern sehr geschätzt und galt als das „Gold der Ostsee“. Von lebhaftem Handel mit Italien und dem Orient zeugen die dortigen Funde. Es entstanden mehrere Handelswege, von denen einer der wichtigsten, die sogenannte „Bernsteinstraße“, von Ostpreußen über die Weichsel und Donau nach Italien führte.

Der an der pommerschen Küste gefundene Bernstein wurde auf diesem Wege über Stolp in den Handel einbezogen. Die pommerellischen Herzöge führten in Ostpommern und Westpreußen das „Bernsteinregal“ ein, wonach das Recht, Bernstein zu sammeln, dem Staat zustand und leihweise übertragen werden konnte. Dabei behielten sich die Herzöge das Kaufrecht vor. Auch der Herzogstaat Pommern und später Brandenburg-Preußen ließen das Bernsteinregal bestehen.

Seit dem 14. Jahrhundert gab es in Stolp das Gewerk der Bernsteindreher. Paternostermacher werden sie in alten Urkunden genannt, weil sie den von der Ostsee angespülten Bernstein zu Paternostern (Rosenkränzen) verarbeiteten. Der Überlieferung nach waren zur Zeit einer schweren Pest mehrere Bernsteindreher aus Königsberg in Preußen ausgewandert und hatten sich in Stolp niedergelassen. 

Herzog Barnim IX. erteilte 1534 für alte Satzungen seine fürstliche Konfirmation. Neue Statuten wurden von Kurfürst Friedrich III. genehmigt. Im Jahre 1678 beschwerten sich die Stolper Bernsteinhändler, dass die alte Polizei-Ordnung von 1623 sie fast in die letzte Klasse anderen Handwerkern gleichgesetzt habe und ihnen dadurch Unrecht angetan sei. Erst Friedrich Wilhelm I. entschied diese Streitigkeiten am 19. August 1733 dahin, „dass die Stolpschen Bernsteindreher mit den dortigen Kaufleuten und Gewandschneidern gleichen Rang haben und der Brauergilde vorgehen sollten“. 

Großer Aufschwung

Damals nahm die Zunft einen großen Aufschwung. Im Jahre 1756 zählte sie 60, 1772 dann 54 und 1782 sogar 77 Mitglieder. Von den über 4000 Einwohnern, die Stolp damals hatte, ernährten sich etwa 400 Menschen von der Bernsteindreherei. Den rohen Bernstein bezogen die Stolper vorzugsweise aus Preußen, und zwar die Hälfte von allem, der dort gefunden wurde. Als die Königsberger Zunft die Lieferung auf ein Drittel verringern wollte, entschied die Regierung 1764, dass es zur Erhaltung der Bernsteindreherzunft in Stolp bei der alten Regelung bleiben sollte. 

Eine gleiche Entscheidung erging 1792, als die Königsberger Zunft von neuem den Stolpern nur ein Drittel von dem in Preußen gefundenen Bernstein zukommen lassen wollte. Nur der auf bergmännische Art gewonnene Bernstein sollte der Königsberger Zunft allein gehören.

Die Hauptmasse des Rohbernsteins wurde handwerksmäßig zu Korallen verarbeitet. Das ist der Fachausdruck für Rosenkranzperlen. Zum Versand kamen aber auch Galanteriewaren, Dosen, Stockknöpfe, Westen- und Hemdenknöpfe, Amulette, Schach- und Damespiele. Die Bernsteinwaren gingen in alle Welt, nach Hamburg, Holland und Italien, nach Konstantinopel und über Livorno nach Ägypten. Auf den Messen zu Leipzig, Braunschweig und Frankfurt am Main wurden vor allem Korallen verkauft. Die wertvollsten Kunstwerke waren Einzelbestellungen von Fürsten und Höfen. Fast alle Schlösser Europas besaßen Bernsteinsammlungen oder -kabinette.

Immer Konkurrenz mit Königsberg

Viele wertvolle Stücke stammten aus Stolp. Eines der bekanntesten ist die Bernsteinfigur des Camminer Domschatzes (stehende Madonna), die früher als „nordostdeutsch“ bezeichnet wurde, womit die Königsberger Konkurrenz gern den Namen Stolp umschrieb. Heute ist sie als Stolper Arbeit anerkannt und wurde so auch durch die Katalogabbildung im Juni 1955 in der Ausstellung „Pomerania“ von der Berliner Abteilung der Gesellschaft für Pommersche Geschichte, Altertumskunde und Kunst in der Berliner Kunstbibliothek ausgestellt. Über den Umfang des Stolper Bernsteinhandels liegen konkrete Angaben vor. Im Jahre 1797 führte Stolp 6900 Pfund Bernsteinwaren im Werte von etwa 26.500 Talern aus.

Auch bergmännischer Abbau

Ein großer Teil des in Stolp verarbeiteten Bernsteins wurde an der pommerschen Küste und auch durch bergmännischen Abbau im Binnenland gewonnen. Der Strand in unserem Landkreis war nicht ganz so ergiebig wie die westlichen Teile der hinterpommerschen Küste. Das liegt daran, dass die Ostsee von Jershöft bis Rowe stark eingebuchtet ist. Der von den Nordweststürmen aufgewühlte Bernstein landet deshalb größtenteils schon vor den Anfängen der Stolper Bank westlich von Jershöft oder weiter östlich von Neu Strand und Rowe, wo das Land wieder hervorspringt.

Strandabschnitte wurden gepachtet

In Pommern überließ der Staat den Strand im Wege der Pacht für die Bernsteingewinnung Privatunternehmen, die dafür eine Entschädigung zahlten. So wird als Pächter von 1756 bis 1762 die Stolper Bernsteindreherzunft für den Strand von Leba bis Kolberg genannt, also mit Einschluss des Stolper Kreises. Sie soll aber Verluste gehabt haben und gab die Pachtung nach Ablauf der Vertragszeit auf. Damals übernahm der Kaufmann Boje aus Rügenwalde den Bernsteinfang für einen langen Zeitraum. 

Aber er steckte mehr Geld in das Unternehmen, als es einbrachte, und machte Bankrott. Als die pommersche Strandpacht 1795 frei wurde, stellte wieder die Stolper Bernsteindreherzunft den Antrag, ihr den Strand von Leba bis zur Peene für die nächsten sechs Jahre (solange dauerte stets eine Pachtperiode) gegen Entrichtung von 208 Talern jährlich zu überlassen. Die Regierung schloss einen entsprechenden Vertrag mit der Zunft ab. 

Obgleich die Bernsteinsucher ihre Funde nicht immer reell an die Zunft ablieferten, sondern an Schleichhändler, die höhere Preise zahlten als der Pächter, besserte sich die Ertragslage. Jedenfalls erneuerte die Zunft 1801 und 1807 den Pachtvertrag um jeweils sechs Jahre. Aufzeichnungen über die Erträge waren schon vor dem letzten Weltkrieg nicht mehr vorhanden.

Von 1815 ab wurde der pommersche Strand geteilt verpachtet. Die Stolper Zunft hatte die Gesamtpachtung aufgegeben. Für die Gemeinde Stolpmünde schlossen die Schiffskapitäne Paul Aschendorf und Joachim Hoffmeister vor dem Königlich Preußischen Landrat und Kreisdirektor von Zitzewitz in Stolp am 25. Juli 1815 einen Pachtvertrag ab, der sich nach § 2 auf den Bezirk des Strandes der Ostsee erstreckte, „als so weit er auf dem Fundort von Stolpmünde belegen“ war, weil die anderen Distrikte in besonderer Pacht vergeben wurden. 

Der Vertrag hatte Gültigkeit vom 1. Januar 1815 bis 31. Dezember 1820. Als Pacht hatte die Gemeinde die „jährliche Summe von Elf Thaler in Courant nach dem Münzfuß de 1764 prompft und unweigerlich zu erlegen“. Ähnliche Verträge wurden für die übrigen Stranddörfer Neu Strand, Weitenhagen, Schönwalde und Rowe abgeschlossen.

Von Leba bis Kolberg

Der Landrat in Stolp veröffentlichte nach erfolgter Verpachtung des Bernsteinfanges stets in allen Stranddörfern eine Bekanntmachung, in welcher Unberechtigten bei Strafe verboten wurde, Bernstein zu suchen. Zufällig gefundener Bernstein war sofort an den Pächter oder seine Bevollmächtigten abzuliefern. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass sich die Bewohner der Stranddörfer Bernstein widerrechtlich aneigneten und an wilde Händler veräußerten.

Am 6. April 1833 erließ der Landrat von Gottberg in Stolp zum Rechtsschutz der Pächter eine längere Verordnung, durch die in allen Strandortschaften das Hausieren mit Bernstein jedermann untersagt wurde. Die Polizei-, Zoll- und Steuerbehörden erhielten Anweisung, auf Verhütung aller Bernstein-Unterschlagungen genau zu achten. Ehrlichen Ablieferern wurde bei Ablieferung eine Vergütung zugebilligt. Von nennenswerten Klagen über Bernsteinschmuggel ist in den Akten nicht mehr die Rede. Am 22. Februar 1867 wurde vom Staat ein Gesetz erlassen (Preußische Gesetz-Sammlung, Seite 272), wonach jeder, der sich rechtswidrig Bernstein zueignete, ohne zu dessen Gewinnung befugt zu sein, mit Geldstrafe bis zu 300 Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft werden konnte.

Von 1886 ab erfolgte die Verpachtung der Strandstrecke nicht mehr geteilt, sondern für das ganze Strandgebiet des Stolper Kreises. Die domänenfiskalischen Vertreter waren der Rentmeister und Forstkassenrendant Griesbach, später der Königliche Kreissekretär Lüdtke in Stolp. Wer das höchste Gebot abgab, erhielt den Zuschlag. Bis zum 31. März erhielt das Pachtrecht der Bernsteinfabrikant Carl August Westphal in Stolp, der dafür 50 Mark Jahrespacht zahlte. 

Sein Nachfolger im Vertrage wurde bis März 1898 der Fischhändler Julius Pagel in Stolpmünde, der 60 Mark jährliche Pacht geboten hatte. Nach ihm erhielt Westphal wieder das Nutzungsrecht bis 1904 für 50 Mark jährlich. Der letzte Pachtbieter war Emil Gottschalk in Stolp, dem aber der Zuschlag nicht mehr erteilt werden konnte. 

Inzwischen war am 12. September 1912 im Amtsblatt der Regierung Köslin verordnet worden, dass die Nutzung des Bernsteinfangrechtes an der Küste der Kreise Stolp und Lauenburg nur den Königlichen Bernsteinwerken in Königsberg zustand. Diese hatten 1899 den Großbetrieb der Firma Stantien & Becker übernommen. Die Bernsteingewinnung war künftig nur den Bewohnern der am Seestrand liegenden Ortschaften gestattet, die gewerbsmäßig Seefischerei betrieben. Im Kreise Stolp wurden in Dambee, Scholpin, Rowe, Neu Strand und Stolpmünde Bernsteinabnahmestellen eingerichtet, an die der in der Ostsee gefischte oder am Strande gesammelte Bernstein binnen 24 Stunden gegen ein Fundgeld abzuliefern war. (Fortsetzung folgt)

Karl-Heinz Pagel

Stolper Heimatkreise e.V.

www.stolp.de

Bernsteinmuseen Die Entstehung des Bernsteins, seine Geschichte und die Wege, die „Das Gold der Ostsee“ genommen haben und viele interessante Exponate können in den Museen besichtigt werden. Zum Beispiel in Greifswald im Pommerschen Landesmuseum; in Ribnitz-Damgarten im Deutschen Bernsteinmuseum; in Prerow im Kleinen Bernsteinmuseum; im Bernsteinmuseum im Ostseebad Dierhagen; im Ostseebad Sellin; in Danzig im Stockturm und ab Juni 2021 in der Großen Mühle (siehe PAZ Nr. 35 vom 28. August 2020); im Bernsteinmuseum im Dohnaturm in Königsberg und in der Bernsteingalerie und im Museum in Nidden und dem Bernsteinmuseum in Polangen. Eine interessante Ausstellung gibt es im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg. Die Leser in Süddeutschland sollten unbedingt das Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloss in Ellingen besuchen. Aber auch an der Nordsee in St. Peter-Ording kann man entdecken, wie der Bernstein bearbeitet wird und Schaustücke ansehen. Dr. Timo Ibsen ging den Wegen des Bernsteins nach, in der ZDF-Mediathek können die Filme angeschaut werden: „Das magische Siegel – Bernsteinhandel in der Bronzezeit. Vor rund 3500 Jahren gelangte Bernstein über uralte Handelswege von der Ostseeküste bis nach Ägypten“ und weitere Folgen.