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15.01.21 / Baltikum / Gutshäuser in Dur und Moll / Die Fotokünstlerin Anja Putensen hat neben liebevoll restaurierten teilweise verfallene Gutshäuser in ästhetischer Weise abgebildet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-21 vom 15. Januar 2021

Baltikum
Gutshäuser in Dur und Moll
Die Fotokünstlerin Anja Putensen hat neben liebevoll restaurierten teilweise verfallene Gutshäuser in ästhetischer Weise abgebildet
Dagmar Jestrzemski

Mit ihrer Kamera hat sich die Fotografin Anja Putensen in Estland und Lettland auf eine „subjektive Spurensuche“ um noch erhaltene, teilweise aber dem Verfall preisgegebene Gutshäuser der deutschen Großgrundbesitzer begeben. Viele der Gutshäuser sind liebevoll restauriert worden. Umgewandelt in Museen oder Hotels, zählen sie zu den kulturellen Attraktionen ihrer Region. 

In dem Band „Das Gut. The Manor. Muiža. Mõis. Auf den Spuren baltischer Gutshauskultur“ wird eine Auswahl von Fotografien an diesen historischen Orten präsentiert. Die Bildmotive entlang einer Ästhetik, die ins Ungefähre und Ungewisse verweist, werden durch eingestreute Textbausteine konkretisiert. Putensen wählte eine imaginative Ausdrucksweise, um mit Anspielungen bildliche Vorstellungen zu wecken. Kostbar wie die bruchstückhaften Erinnerungen ist die Anmutung des dunkelblauen Leineneinbands mit seiner goldfarbenen Prägung aus stilisierten Nadelbäumen. 

Klare Farbigkeit wechselt ab mit matten Farben, sanfte Grün- und Brauntöne legen den Schleier des Geheimnisvollen über die abfotografierten alten Gemälde, Tapeten, Ausschnitte von Interieurs. Alles bleibt anonym. Verdunkelt, halb verschattet oder extrem unscharf gehalten sind einige Fotografien der typischen Landschaften: Birken- und Kiefernwälder, Strandszenen, ein altes Boot im Wald, Gutshäuser im Park. 

Was die Hinterlassenschaften der ehemaligen herrschaftlichen Bewohner betrifft, so wird dem Betrachter kaum ein Blick auf rekonstruierte Wohnensembles gestattet. Gezeigt werden vorwiegend Ausschnitte der früheren Häuslichkeit, sei es ein halbes Schaukelpferd oder eine einzelne Jagdtrophäe. Die kurzen Texte in deutscher, englischer, estnischer und lettischer Sprache sind Auszüge aus Kindheitserinnerungen. Sie werfen Schlaglichter auf die gesellschaftlichen Verhältnisse bis zu den politischen Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg.

Am Ende bleiben zur Gestaltung des Fotobandes Fragen offen. Warum sind einige Seiten des Buches weiß geblieben? Warum wurden einige Fotos doppelt, und zwar gespiegelt, abgebildet, warum ein Motiv ganz unkenntlich gemacht? Weshalb werden die Ursprungsorte der Fotografien auf einer Karte angezeigt, wenn die Angaben mangels Seitennummerierung nicht nachvollziehbar sind? All das dürfte wohl in der ästhetischen Intention des Buchprojekts begründet liegen, beim Betrachter aber könnte schlussendlich das Gefühl überwiegen, als Rezipient überfordert zu sein.  

Anja Putensen: „Das Gut. The Manor. Muiža. Mõis. Auf den Spuren baltischer Gutshauskultur“, Kerber Verlag, Bielefeld 2020, gebunden, 92 Seiten, 24 Euro