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22.01.21 / Wirtschaft / Ein Herz für die Großen / Brandenburgs Politik liebt „Mega-Projekte“ – Mittelstand beklagt Schattendasein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-21 vom 22. Januar 2021

Wirtschaft
Ein Herz für die Großen
Brandenburgs Politik liebt „Mega-Projekte“ – Mittelstand beklagt Schattendasein
Norman Hanert

Um einen eventuellen Rückbau seiner „Giga-Fabrik“ abzusichern, falls eine endgültige Genehmigung für das Gesamtprojekt ausbleibt, soll das Unternehmen Tesla als Sicherheit 100 Millionen Euro hinterlegen. Doch nachdem der US-Konzern im Dezember die Frist für die Zahlung einer Sicherheitsleistung verstreichen ließ, sind Brandenburgs Behörden den Amerikanern erneut entgegengekommen. 

Ursprünglich hatte Tesla die Sicherheitsleistung bis zum 17. Dezember hinterlegen sollen. Als das Geld ausblieb, ruhten die Arbeiten auf der Baustelle für Tage. Vom Landesumweltamt erhielt der Konzern noch zweimal eine Fristverlängerung. Wenige Tage vor Ablauf der letzten Frist verkündete eine Sprecherin des Umweltministeriums schließlich eine Einigung mit Tesla: „Die notwendige Sicherheit wird durch die Beibringung einer Patronatserklärung durch eine deutsche GmbH erbracht, verknüpft mit einer Geldeinlage in Höhe von 100 Millionen Euro.“ 

Das Netz-Portal „Golem.de“ äußert die Vermutung, hinter der wochenlangen Zahlungsverzögerung stecke Teslas Bestreben, seine Bilanz für das Jahr 2020 nicht zu belasten. Mit der Zahlung ist nun zunächst die Gefahr gebannt, dass die Behörden die Bauarbeiten in Grünheide stoppen. 

Etliche Pleiten in der Vergangenheit

Die Großbaustelle ist nicht nur für den Tesla-Chef Elon Musk ein Vorzeigeprojekt. Auch für die brandenburgische Landesregierung steht viel auf dem Spiel. Setzt Tesla Musks Ankündigung um, dann entwickelt sich das Werk in Grünheide zum größten privaten Arbeitgeber in den östlichen Bundesländern. Mit einer angekündigten Investitionssumme von bis zu vier Milliarden Euro würde die „Gigafactory“ sogar die größte einzelne Industrieinvestition in der Geschichte der Bundesrepublik darstellen. Brandenburgs Landesregierung würde damit endlich auch jenen großen Erfolg einfahren, auf den ihre dreißig Jahre lang verfolgte Wirtschaftspolitik immer abgezielt hat. 

Seit der Gründung des Bundeslandes im Jahr 1990 haben die stets SPD-geführten Landesregierungen immer wieder versucht, über Großprojekte einen wirtschaftlichen Erfolg quasi aus dem Boden zu stampfen. Vorhaben wie Cargo-Lifter, der Lausitzring oder der Plan für eine Chipfabrik in Frankfurt/Oder endeten jedoch alle als Pleiten. Der Großflughafen BER hat bis zur Eröffnung fast sieben Milliarden Euro gekostet und ist schon zum Start ein finanzieller Sanierungsfall. Neben diesen gefloppten Großprojekten gab es in Brandenburg aber auch Erfolgsgeschichten, die weniger Aufmerksamkeit erhielten. 

Die Rede ist von familiengeführten, mittelständischen Betrieben. Im Fall des Oranienburger Unternehmens Orafol sprach Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, von einer Entwicklung, wie sie es in Deutschland kein zweites Mal gebe. Anlass für das Lob war die Aufnahme von Orafol in die „Hall of Fame der Familienunternehmen“ im vergangenen Jahr.

Auch der Bund ist nicht viel besser

Treibende Kraft bei dem märkischen Unternehmen ist der promovierte Chemiker Holger Loclair. Mit einer Affinität zum Technischen und seinem Unternehmergeist machte er einen ehemaligen DDR-Betrieb, der nach der Währungsunion vor dem Ruin stand, zu einem weltweit führenden Anbieter von Spezialfolien. Erst im vergangenen Herbst hat der Mittelständler eine weitere Firmengruppe in den USA übernommen. 

Das Erstaunliche an dieser Erfolgsgeschichte: Sieht man vom langjährigen Landrat und späteren Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) ab, dann wird der Weltmarktführer aus Brandenburg von der Landespolitik kaum wahrgenommen. Als Orafol-Gründer Loclair vor einiger Zeit auf Teslas Milliardenpläne in Grünheide angesprochen wurde, antwortete er: „Das passt in das Wahrnehmungsmuster der Landesregierung.“ Sein Unternehmen hätte als Mittelständler und größter Arbeitgeber der Region weit weniger Aufmerksamkeit erhalten. 

Die Fixierung der Politik auf Mammutprojekte und große Konzerne betrifft allerdings nicht allein das Land Brandenburg. Als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Jahr 2019 seine „Industriestrategie 2030“ präsentierte, hagelte es heftige Kritik an den Plänen zur Förderung „nationaler Champions“. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) appellierte an Altmaier, gerade die für Deutschland so wichtigen Mittelständler nicht aus dem Auge zu verlieren. Rainer Kirchdörfer von der Stiftung Familienunternehmen forderte die Bundesregierung ebenfalls auf, statt Größe doch besser Innovationen zu fördern.