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22.01.21 / Energiewende / „Fakepower schwächt das Stromnetz“ / Der Energieexperte Hans-Günter Appel äußert sich gegenüber der PAZ zum jüngsten „Beinahe-Blackout“ wegen eines Stromausfalls in Siebenbürgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-21 vom 22. Januar 2021

Energiewende
„Fakepower schwächt das Stromnetz“
Der Energieexperte Hans-Günter Appel äußert sich gegenüber der PAZ zum jüngsten „Beinahe-Blackout“ wegen eines Stromausfalls in Siebenbürgen

Nach einem Stromausfall im rumänischen Siebenbürgen ist es am Nachmittag des 8. Januar im europäischen Stromversorgungssystem zu einem massiven Leistungs- und Frequenzeinbruch gekommen. Schlagartig fehlten in Europa 3,8 Gigawatt an Leistung. Um zu verhindern, dass auf dem Kontinent die Lichter ausgehen, trennten die Netzbetreiber Südosteuropa vom gemeinsamen Stromnetz und drosselten die Versorgung von Großverbrauchern in Italien und Frankreich. Unter anderem durch das Hochfahren von Kraftwerken in Österreich gelang es den Versorgern schließlich, nach rund einer Stunde wieder den Normalbetrieb im europäischen Stromnetz herzustellen. Die PAZ hat Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel vom Verein NAEB Stromverbraucherschutz zum Risiko befragt, dass eine solche Störung eines Tages in einem langandauernden Stromausfall in ganz Deutschland mündet.

Herr Appel, das europäische Stromverbundnetz ist am 8. Januar offenbar nur knapp an einem großflächigen Zusammenbruch vorbeigeschrammt. Wie ernst war die Lage an diesem Tag aus ihrer Sicht?

Es gab einen Abfall der Frequenz im Europäischen Verbundnetz unter die kritische Grenze von 49,8 Hertz (Schwingungen/Sekunde). Das bedeutet, es war plötzlich zu wenig Strom im Netz. Die Momentan-Reserve, die Rotationsenergie der großen Generatoren der Kraftwerke im Verbundnetz, konnte einen stärkeren Abfall der Frequenz verhindern, bis die Regelkraftwerke durch mehr Dampf wieder die Sollfrequenz erreicht hatten. Die Lage war kritisch. Die Momentan-Reserve war jedoch ausreichend für einen sicheren Netzbetrieb.

Nach Plänen der EU-Kommission sollen 800 Milliarden Euro in den Ausbau von Windkraftanlagen vor den Küsten Europas fließen. Kann dieses Mammutprojekt die Versorgungssicherheit verbessern?

Es sollen vermehrt Windkraftanlagen auf See gebaut werden, weil der Widerstand der Bevölkerung gegen die Verspargelung unserer Landschaft wächst. Anlagen auf See erzeugen doppelt so viel Strom wie Landanlagen.

Ihr Bau kostet aber das Vierfache. Off-Shore-Strom ist also doppelt so teuer wie Landstrom. Hinzu kommen noch die Kosten für den Transport an Land, der von Insidern mit etwa fünf Cent pro Kilowattstunde angegeben wird.

Unsere Regierung und die EU-Kommission wollen in Zukunft mit diesem teuren und wetterabhängigen Strom unsere Energieversorgung sicherstellen. Das ist technischer und wirtschaftlicher Unsinn. Solche Behauptungen sind eine Täuschung (englisch: Fake) der Verbraucher. Um das deutlich zu machen, bezeichnet der Stromverbraucherschutz NAEB, ein Zusammenschluss von Fachleuten, die über Jahrzehnte maßgeblich an einer sicheren und bezahlbaren Stromversorgung mitgewirkt haben, den Wind- und Solarstrom als „Fakepower“.

Seit einiger Zeit fällt im Zusammenhang mit der Zukunft der Energiewende auch immer öfter der Begriff „Spitzenglättung“. Worum geht es dabei?

Es wird immer schwieriger und teurer, die stark schwankende Fakepower auf den Verbrauch zu regeln. Daher sollen bei hoher Stromnachfrage Geräte und Anlagen, die ohne größere Nachteile zeitverzögert laufen können (Wassererhitzer, Waschmaschinen und so weiter) abgeschaltet und bei wenig Nachfrage wieder zugeschaltet werden. Dies soll mit „intelligenten“ Stromzählern erfolgen, die mit den Geräten und mit der Netzschaltzentrale vernetzt sind. Grundsätzlich ist das ein vernünftiges Vorhaben, das aber den Strompreis weiter in die Höhe treibt, denn die gesamte „intelligente“ Infrastruktur muss bezahlt werden.

Welche Auswirkungen sind nach Ihrer Meinung zu erwarten, wenn es statt Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren künftig nur noch Elektroautos gibt?

Mit der Aufgabe der Kohle- und Kernkraftwerke wird Deutschland bereits auf Stromimporte angewiesen sein. Die stark schwankende Fakepower fällt bei nächtlicher Flaute vollkommen aus. Das gilt auch, wenn die Anlagen verdreifacht werden. Bei einer kompletten Umstellung auf Elektroautos brauchen wir 20 weitere Großkraftwerke mit je 1000 Megawatt Leistung.

Die Versorgungsleitungen reichen nicht für die hohen Ladeleistungen. Sie müssen verstärkt werden. Elektroautos führen zu höheren Strompreisen.

Der österreichische Stromversorger EVN hat nach dem jüngsten „Beinahe-Blackout“ im europäischen Stromverbundnetz Konsequenzen gefordert. EVN fordert unter anderem neue gesetzliche Rahmenbedingungen für den Weiterbetrieb bestehender Gaskraftwerke und Anreize für schnellstartfähige Gasturbinen. Welche Schlussfolgerungen zieht NAEB aus dem Frequenzabfall im europäischen Stromnetz am 8. Januar?

Die Momentan-Reserve der Großkraftwerke ist für ein sicheres Netz mit stabiler Frequenz unerlässlich. Als Faustregel gilt: Ein stabiles Stromnetz braucht mindestens 45 Prozent Grundstrom aus solchen Kraftwerken. Wind- und Solarstromanlagen liefern keine Momentan-Reserve.

In Deutschland wird bei Starkwind und Sonnenschein durch den Ausbau von Fakepower-Anlagen der Grundstrom-Mindestanteil immer häufiger unterschritten. Das ist möglich, weil vor allem die Kernkraftwerke in Frankreich über den Verbund auch das deutsche Netz stabilisieren.

Schnellstartfähige Gasturbinen können Lastspitzen abdecken. Sie haben aber kaum Momentan-Reserve, und ihr Wirkungsgrad ist deutlich geringer als Gas- und Dampfkraftwerke. Fakepower schwächt das Netz bis zum Blackout und ist viel zu teuer. Für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung brauchen wir weiterhin Kohle- und Kernkraftwerke. Wir haben heute schon den höchsten Strompreis aller Industriestaaten. Das Abschalten dieser Anlagen verdoppelt den Strompreis. Deutschland ist dann nicht mehr wettbewerbsfähig.