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22.01.21 / Kommentare / „Unworte“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-21 vom 22. Januar 2021

Kommentare
„Unworte“
Erik Lommatzsch

Regelmäßig im Januar erfreut sich das „Unwort des Jahres“, eigentlich das „Unwort des vergangenen Jahres“, breiter medialer Aufmerksamkeit. Ausgewählt wird es durch eine Jury aus vier Sprachwissenschaftlern, einem Journalisten sowie einem jährlich wechselnden Mitglied. Vorschläge unterbreiten kann jeder Interessierte, die Häufigkeit der Nennungen spielt keine Rolle. 

Die Beteiligung ist eher übersichtlich, gerade einmal 1826 Einsendungen zählte man für 2020. 625 Kandidaten für „Formulierungen in allen Feldern der öffentlichen Kommunikation, die gegen sachliche Angemessenheit und Kommunikation verstoßen“ – wie es in den „Unwort“-Grundsätzen heißt – wurden gezählt. Wechselndes Jury-Mitglied war dieses Mal die türkischstämmige Autorin Kübra Gümüşay, unter anderem Mitbegründerin eines „feministischen co-creation space“.

Da 2020 „Corona“ dominierte, aber auch in anderen Bereichen „weiterhin inhumane und unangemessene Wörter geprägt und verwendet werden“, fiel die Wahl erstmals auf zwei Begriffe: „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“. Der erste Ausdruck verharmlose „tatsächliche Diktaturen“ und mache es „schwieriger, berechtigte Zweifel an einzelnen Maßnahmen zu diskutieren“. Er werde gebraucht, „um regierungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu diskreditieren“, und zwar von der „selbst ernannten ‚Querdenker‘-Bewegung“. Gern hätte man von der Jury gewusst, wer regulär „Querdenker“ ernennt. 

„Rückführungspatenschaften“ bezeichnet die Idee, dass EU-Staaten, die keine „Flüchtlinge“ aufnehmen, wenigstens für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber Sorge tragen. Der Begriff sei „zynisch und beschönigend“.

Die Jury behauptet, ihre Entscheidung sei „keineswegs als Zensurversuch zu verstehen“, sorgt sich aber zugleich um die „Grenzen des Sagbaren“. Dieser Widerspruch ist ebenso offensichtlich wie die stets derselben politischen Linie zuzuordnenden Entscheidungen über das „Unwort des Jahres“.