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22.01.21 / Carl Gustaf Emil Mannerheim / Finnlands Nationalheld sprach am besten Schwedisch / Der begnadete Feldherr und Staatsmann verteidigte geschickt die Unabhängigkeit seines Heimatlandes. Vor 70 Jahren starb er in Lausanne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-21 vom 22. Januar 2021

Carl Gustaf Emil Mannerheim
Finnlands Nationalheld sprach am besten Schwedisch
Der begnadete Feldherr und Staatsmann verteidigte geschickt die Unabhängigkeit seines Heimatlandes. Vor 70 Jahren starb er in Lausanne
Wolfgang Kaufmann

Als der Freiherr Carl Gustaf Emil Mannerheim am 4. Juni 1867 auf Schloss Louhisaari in Westfinnland zur Welt kam, war Finnland noch ein Großfürstentum und Teil des russischen Zarenreiches. So diente der Spross einer schwedischsprachigen Familie, deren Vorfahren in den 1640er Jahren aus Deutschland eingewandert waren, wie tausende andere Finnen auch zunächst in der zaristischen Armee. Aufgrund seiner überragenden militärischen Fähigkeiten in Kombination mit beispielhafter Loyalität stieg Mannerheim in der russischen Armee sukzessive bis zum Generalleutnant und Kommandeur eines Kavallerie-Korps auf. Welch hohe Meinung Zar Nikolaus II. von dem Offizier hatte, zeigt dessen Bestellung zu seinem Leibwächter während seiner Krönungsfeierlichkeiten am 26. Mai 1896. Die Ausnahmestellung Mannerheims verdeutlicht auch der Auftrag des russischen Generalstabs vom Jahre 1906, die unerforschten Gebiete entlang der Grenze zu China zu erkunden.

Durch den Sturz des Zaren und die Errichtung der bolschewistischen Diktatur in Russland fühlte sich der hochdekorierte Offizier nicht mehr an seinen Eid gebunden und kehrte in die Heimat zurück. Nach der finnischen Unabhängigkeitserklärung vom 6. Dezember 1917 erhielt Mannerheim am 15. Januar des Folgejahres aufgrund seines hohen militärischen Ranges den Oberbefehl über die im Aufbau befindlichen Streitkräfte Suomis. Diese musste er sofort in den Kampf schicken, um einen sozialistischen Umsturzversuch zu verhindern. Höhepunkt des daraus resultierenden Finnischen Bürgerkrieges war die für beide Seiten höchst verlustreiche Schlacht um Tampere im März/April 1918, in der Mannerheims bürgerliche, weiße Armee die aufständischen Roten besiegte.

Nach dem Sieg der Weißen im Bürgerkrieg wurde Mannerheim am 12. Dezember 1918 die Position des Reichsverwesers angetragen. Als solcher warb er erfolgreich für die diplomatische Anerkennung seines Heimatlandes als unabhängiger, souveräner Staat. Ungeachtet seiner eigenen monarchistischen Neigungen unterzeichnete Mannerheim am 17. Juli 1919 die vom Parlament beschlossene republikanische Verfassung. Trotzdem unterlag er bei den zehn Tage später abgehaltenen ersten Präsidentschaftswahlen dem Kandidaten des Mitte-Links-Lagers, Kaarlo Juho Ståhlberg.

In der Folgezeit fungierte Mannerheim unter anderem als Präsident des finnischen Roten Kreuzes und Chef des Aufsichtsrates der Liittopankki-Unionsbanken. Er unternahm mehrere ausgedehnte Jagdreisen durch Asien. 

1931 zum Staatspräsidenten gewählt, ernannte Evind Svinhufvud af Qvalstad, der wie Mannerheim konservativ und adelig war sowie schwedische Wurzeln hatte, noch im Jahr seiner Wahl den General im Ruhestand zum Chef des Nationalen Verteidigungsrates. Dem folgte 1933 die formelle Beförderung zum Feldmarschall. Mannerheim erhielt die verbindliche Zusage, im Kriegsfalle wieder das Kommando über die finnischen Streitkräfte übernehmen zu können.

Marschall von Finnland

Dieser Fall trat am 30. November 1939 mit dem sowjetischen Überfall auf Finnland ein, als die Sowjets die Finnen trotz des 1934 bis 1945 verlängerten sowjetisch-finnischen Nichtangriffspaktes von 1932 auf breiter Front angriffen. Dem Feldmarschall, der zu diesem Zeitpunkt bereits 72 Jahre alt war, gelang es, seine Landsleute zu einem äußerst verbissenen Abwehrkampf gegen die Aggressoren und Invasoren zu motivieren, die aufgrund ihrer erdrückenden zahlenmäßigen Überlegenheit auf leichte Beute gehofft hatten. Dennoch endete der sogenannte Winterkrieg schließlich mit der Niederlage Finnlands und schmerzhaften Gebietsabtretungen. 

Um Letztere rückgängig zu machen und eingedenk der Erfahrung, dass von den Westmächten oder Schweden keine hinreichende Hilfe zu erwarten war, wenn die Rote Armee anrückte, führte Mannerheim nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges Finnland am 25. Juni 1941 in den sogenannten Fortsetzungskrieg gegen die UdSSR. In diesem kämpfte Suomi zunächst an der Seite Deutschlands. 

Aus Anlass seines 75. Geburtstags wurde der Feldmarschall zum Marschall von Finnland befördert. Am 26. Juni 1944 unterzeichneten der finnische Präsident Risto Ryti und der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop die Ryti-Ribbentrop-Einverständniserklärung. In ihr verpflichtete sich der finnische Präsident zum Verzicht auf einen Separatfrieden mit der Sowjetunion. Damit Finnland trotzdem einen Separatfrieden mit der SU schließen konnte, trat Ryti unter dem Vorwand gesundheitlicher Probleme am 31. Juli 1944 zurück. Vier Tage später wurde Mannerheim durch ein Parlamentsgesetz für sechs Jahre zu Rytis Nachfolger gewählt.

Der neue Präsident stellte sich auf den Standpunkt, durch die Einverständniserklärung seines Vorgängers nicht gebunden zu sein, und am 19. September 1944 wurde auf seine Initiative hin ein Separatfrieden mit dem sowjetischen Diktator Josef Stalin geschlossen. Durch diesen gelang es, Finnland trotz der aussichtslos gewordenen militärischen Lage vor dem Verlust der Souveränität zu bewahren. Dabei wurde die finnische Verhandlungsposition durch das Feldherrngenie Mannerheims gestärkt, das beispielsweise im finnischen Sieg in der Schlacht von Tali-Ihantala im Juni/Juli 1944 zum Ausdruck kam und in Moskau die Sorge vor endlosen und ressourcenverschlingenden Abnutzungskämpfen in den Wäldern Kareliens aufkommen ließ.

Nach dem Krieg gab Mannerheim sehr bald alle Ämter und Funktionen aus gesundheitlichen Gründen auf und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im Sanatorium Valmont im schweizerischen Montreux. Er starb am 27. Januar 1951 an einem Darmverschluss beziehungsweise den Folgen der dadurch notwendig gewordenen Operation im L’Hôpital cantonal in Lausanne. 

Reichsverweser und Staatspräsident

Mannerheim, der nie besonders gut Finnisch gesprochen hat, hat bereits zu Lebzeiten den Nimbus eines „Retters des Vaterlandes“ erlangt. Einer der bedeutenden Boulevards seines Landes war bereits nach dem Winterkrieg zu seinen Ehren umbenannt worden. 1960 wurde an diesem Mannerheimintie gegenüber vom Sitz des Parlaments das Mannerheimdenkmal errichtet. 

In Russland ist das Bild ambivalenter, zwiespältiger. Dort gilt er vielen als „blutiger Baron“ oder Kriegsverbrecher und NS-Sympathisant. Andererseits hängt seit 2016 an der Petersburger Militärhochschule, die Mannerheim besucht hat, eine Gedenktafel, die an den „Helden der zaristischen Armee“ erinnert. 

Das kann den Finnen inzwischen allerdings ziemlich gleichgültig sein. Die Zeiten, in denen „Finnlandisierung“ als Schimpfwort galt, weil Helsinki bei jeder Gelegenheit ängstlich in Richtung Moskau schauen musste, um die von Mannerheim verteidigte Unabhängigkeit nicht durch eine Verärgerung der Kreml-Führung zu gefährden, sind seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vorbei. Das weiterhin blockfreie Finnland kooperiert mittlerweile auch eng mit der NATO. 2016 schloss das einstige russische Großherzogtum mit den USA einen Vertrag über militärische Zusammenarbeit ab. 





Präsidenten Finnlands und Zeitgenossen Mannerheims

Kaarlo Juho Ståhlberg  verzichtete 1925 auf eine erneute Kandidatur in der Hoffnung, dadurch das Amt des Präsidenten gegenüber dem Parlament zu schwächen

Pehr Evind Svinhufvud war Finnlands dritter Präsident. Bei den Präsidentschaftswahlen 1937 wurde der deutschfreundliche Monarchist abgewählt

Risto Ryti war ab 1939 erst Regierungs- und dann Staatschef Finnlands. 1945 verurteilte ihn sein Land auf Druck der UdSSR zu zehn Jahren Haft