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22.01.21 / Das Gold der Ostsee / Die Stolper Bernsteindreherzunft / Bernstein – seit dem Altertum begehrt – (Fortsetzung)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-21 vom 22. Januar 2021

Das Gold der Ostsee
Die Stolper Bernsteindreherzunft
Bernstein – seit dem Altertum begehrt – (Fortsetzung)
Karl-Heinz Pagel

Nach dem Gesetz vom 11. Februar 1924 (Preuß. Gesetzsammlung Seite 106) war das vorsätzliche Suchen von Bernstein verboten. Die Hochseefischer brauchten keinen besonderen Erlaubnisschein, mussten aber den auf See zutage geförderten Bernstein ebenfalls abliefern. Vorher konnten sie über den außerhalb der Hoheitsgrenze gefischten Bernstein frei verfügen. Alle Bernsteinfunde, gleich welcher Art, waren also binnen 24 Stunden den staatlichen Bernsteinabnahmestellen zu übergeben. Die Stolpmünder Abnahmestelle verwaltete der Fischer Leo Wegner in der Marktstraße. Bei ihm wurden jährlich etwa 1½ Zentner Bernstein abgeliefert. Im Jahre 1924 waren es über 3 Zentner. Bei allen Funden handelte es sich um kleinere und mittlere Stücke. Im Jahre 1924 hatten die Stolpmünder Fischer Erich und Paul Notzke ein Stück von 600 Gramm in ihren Netzen, andere Stolpmünder Fischer ein solches von 2½ Pfund. In gewissen Abständen übersandten die Annahmestellen den Bernstein an die Staatlichen Bernsteinwerke in Königsberg (Preußische Bergwerks- und Hütten-AG, Zweigniederlassung Bernsteinwerke Königsberg i.Pr.) zur weiteren Verarbeitung.

Fundorte bis 27m unter der Erde 

Es ist kaum bekannt, dass im Kreis Stolp der Bernstein in früheren Zeiten auch bergmännisch gewonnen wurde. Die hiesigen Bernstein führenden Schichten sind nur eine Fortsetzung der äußerst ergiebigen samländischen Schichten. Allerdings liegen die Schichten sehr tief, bis zu 27 Meter unter der Erdoberfläche. Schon um 1760 hatte der Stolper Kaufmann Spruth die Bernsteinausbeute der Stolper Kämmereigüter gepachtet und zwei Jahre lang – offenbar in den Lehmgruben der Ziegeleien – gute Funde gemacht. Um 1780 erhielt der Stolper Jude Liepmann gegen Zahlung von jährlich 50 Talern die Erlaubnis, in allen pommerschen Amtsbezirken nach Bernstein zu graben. Im Mützenow beschäftigte er zwischen 1782 und 1784 etwa 60 und zeitweise sogar 100 Arbeiter, die im ganzen für 1900 Taler Bernstein förderten. Schließlich ersoffen die Gruben durch Wassereinbruch, und Liepmann geriet in Konkurs. Das Unglück wirkte keineswegs abschreckend, denn ein anderer pachtete sofort das Recht, in der Stolper Umgebung nach Bernstein graben zu dürfen. Er hatte so reiche Ausbeute, dass er 1784 und 1785 für zusammen 8485 Taler Rohbernstein an die Stolper Bernsteindreherzunft abliefern konnte. Im Jahre 1832 pachteten die Bernsteindreher in Stolp vom Magistrat die Bernsteingräberei auf dem Kämmereigut Krussen. Es wurde unter sachkundiger Leitung vom Sommer 1832 bis zum Herbst 1833 fleißig gearbeitet. Doch nach einem Anfangsergebnis von 2½ Pfund Bernstein im Werte von sechs Talern fand sich nichts mehr, so dass die Arbeiten eingestellt werden mussten.

Ende der Bernsteindreherzünfte

Im 19. Jahrhundert ging das Gewerbe der Bernsteindreher immer mehr zurück. Die Zahl der Zunftmeister, die früher über 80 betragen hatte, verringerte sich allmählich auf zwei. Die Zunft wurde 1885 aufgelöst. Die anderen Bernsteindreher-Zünfte in Lübeck, Wismar, Kolberg, Köslin, Danzig, Elbing und Königsberg waren schon vorher eingegangen. Die Bernsteinverarbeitung wurde künftig fabrikmäßig betrieben. Der Begründer der wohl bedeutendsten Stolper Bernsteinwarenfirma war der 1785 in Stolp geborene Carl August Westphal. Er verschaffte seiner Firma einen guten Ruf und genoss auch als Stadtrat Ansehen. Nachfolger im Geschäft wurde sein 1821 in Stolp geborener Sohn Heinrich Wilhelm, unter dem das Unternehmen zur höchsten Blüte gelangte. Heinrich Wilhelm Westphal erwarb ein großes Vermögen und wurde zum Preußischen Kommerzienrat ernannt. Als Teilinhaber traten 1884 seine Söhne Edmund und Paul in die Firma ein. Alleiniger Inhaber wurde 1899 Edmund Westphal, der 1901 seinen Sohn Walter als persönlich haftenden Gesellschafter in die Firma aufnahm.

Immer wieder Konkurrenzdruck

Die Konkurrenz zu Königsberg erreichte 1892 einen neuen Höhepunkt, als die Firma Stantien & Becker der Stolper Firma Westphal unter Missbrauch der Monopolstellung so gut wie keinen Bernstein mehr lieferte. Daraufhin gab Edmund Westphal eine Denkschrift heraus, in der er die Königsberger Firma anprangerte. „Unsere Arbeiter werden durch das Monopol zu Bettlern gemacht und müssen schließlich der Kommune zur Last fallen. Wo bleiben für die Arbeiter die Versprechungen und Wohltaten der Königlichen Regierung, die diese der arbeitenden Klasse angedeihen lassen will?“ Und gezielt auf die Firma Stantien & Becker hieß es: „Die Firma Stantien & Becker hat durch Führung falscher Bücher und durch die zum Zwecke der Täuschung vorgenommene Verschleppung der sogenannten Spierentonnen, d. h. der zugleich zur Bestimmung der Grenzen des Pachtgebietes der Firma dienenden Schifffahrtszeichen, die Staatskasse erheblich geschädigt. Die königliche Regierung zu Königsberg hat zweifellos von jenen betrügerischen Handlungen der Firma Kenntnis gehabt; sie ist aber diesen Betrügereien nicht entgegengetreten“. Es reihte sich Vorwurf an Vorwurf. Wegen dieser Denkschrift kam es 1896 zum Prozess wegen Beleidigung gegen das Handelsministerium und dessen Beamte sowie des Kommerzienrates Moritz Becker. 47 Zeugen hatte das Stolper Gericht geladen. Doch unter „stürmischem Beifall und Händeklatschen im Zuschauerraum“ wurde Westphal freigesprochen.

Zunächst Erfolge

Aus der Firma Westphal ist im Jahre 1909 die Firma Paul Barankewitz & Co hervorgegangen. Seit 1919 war Alleininhaber Paul Barankewitz. Die Firma bezog ihr Rohmaterial fast ausschließlich von den Staatlichen Bernsteinwerken in Königsberg. Die Käufe aus Bernsteinfunden der Provinz Pommern, meistens aus der Umgebung von Stolp, fielen bei der Umfrage des Betriebes kaum ins Gewicht. Die geschäftlichen Beziehungen erstreckten sich über den ganzen Erdball. Die Firma Barankewitz bestand noch etwa zwei Jahrzehnte, bis sie der Wirtschaftsnot zum Opfer fiel.

Im Jahre 1933 schrieb Eisermann über das Ende des Stolper Bernsteingewerkes: „Zur Zeit gibt es nur noch einen einzigen Bernsteindreher in Stolp, der in bescheidenstem Umfange Rohbernstein verarbeitet. Wenn er sich im nächsten Jahre nach 51jähriger Berufsausübung zur Ruhe setzt, hat ein jahrhundertealtes Gewerbe in Stolp – und wahrscheinlich in ganz Pommern – zu bestehen aufgehört.“

Stolper Heimatkreise e.V.

www.stolp.de

Bernsteinbrosche, gepunzt mit SBM, gefertigt von der Bernsteinmanufaktur Königsberg, auf Sand aus Zoppot.