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22.01.21 / Klassik / „Ohne Beethoven geht es nicht“ / Der Star-Dirigent Christian Thielemann beschreibt auf persönlich-subjektive Weise seine Beziehung zu dem berühmten Komponisten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-21 vom 22. Januar 2021

Klassik
„Ohne Beethoven geht es nicht“
Der Star-Dirigent Christian Thielemann beschreibt auf persönlich-subjektive Weise seine Beziehung zu dem berühmten Komponisten
Dirk Klose

Das Beethovenjahr ist zu Ende, und viele Konzerte sind Corona-bedingt ausgefallen. Das lässt sich verschmerzen, weil ja gerade Beethoven immer wieder aufgeführt wird. 

Christian Thielemann ist derzeit fast der einzige deutsche Dirigent von internationalem Renommee. Sah man ihn lange überwiegend als exzellenten Wagner- und Strauß-Dirigenten, so hat er sich längst das ganze klassische Repertoire erarbeitet. Zwei viel gerühmte Beethoven-Zyklen in Wien und Dresden sind als prägende Erfahrungen in diese „Reise zu Beethoven“ eingegangen. Das Buch fußt auf langen Gesprächen mit der Musikjournalistin Christine Lemke-Matwey, die auch die Redaktion besorgte. 

„Meine Reise“ sagt Thielemann, und so ist es ein sehr persönliches, subjektives Buch, das aber wegen der immensen Erfahrung aus vier Jahrzehnten als Dirigent in seinen Aussagen fast immer überzeugt oder zu anregender Gegenmeinung herausfordert. „Ein Leben ohne Beethoven kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, sagt er. Wie eine viersätzige (Beethoven-)Sinfonie baut er das Buch auf: Vier Abschnitte gelten den Sinfonien (1 bis 3, 

4 und 5, 6 und 7 sowie 8 und 9 plus Missa Solemnis). Eingeschoben sind Kapitel, in denen Thielemann darüber nachdenkt, wie Beethoven zu dirigieren sei, welche befreienden oder belastenden Erfahrungen er dabei machte, welche historischen Vorbilder ihn zeitlebens begleitet haben, welche Notentexte er bevorzugt und ob die viel gerühmte historische Aufführungspraxis wirklich das Nonplusultra sei. Er plädiert dafür, nicht immer nur die Eroica (Nr. 3), die fünfte und siebte Sinfonie zu nennen, sondern auch die „geraden“ Werke. Er misst ihnen den gleichen Rang zu, und in seiner Darstellung zeigt er sich von der „kleinen“ Achten geradezu begeistert. Die stimmungsvolle „Pastorale“ (Nr. 6) ist liebevoll dargestellt.

Der Stil ist gut verständlich. „Die Fünfte ist die Fünfte, die brettert durch“; „die Siebte ist wie besoffen von sich selbst“; „die Neunte hat jede Menge Tschingderassabum im Finale“; „Beethoven hatte eine furchtbare Sauklaue“. Das ist ja nicht falsch, aber etwas dezenter könnte man es doch ausdrücken.

Insgesamt ist es ein sehr anregendes, gerade im subjektiven Urteil höchst informatives, den Leser mitnehmendes Buch. Es setzt gewisse Kenntnisse der Musik Beethovens und überhaupt eine Emphase für das klassische Musikgeschehen der letzten Jahrzehnte voraus. „Ohne Beethoven geht es nicht“, heißt es gleich zu Beginn. Gut vorstellbar, dass manche Leser nach der Lektüre ähnlich denken. 

Christian Thielemann: „Meine Reise zu Beethoven“, C.H.Beck Verlag, München 2020, gebunden, 272 Seiten, 22 Euro