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29.01.21 / AfD / Im Visier des Verfassungsschutzes / Während sich die Partei gegen die Einstufung als rechtsextremer „Verdachtsfall“ wehrt, bescheinigt ein internes Gutachten dem Berliner Landesverband Verfassungstreue. SPD-Innensenator Geisel tobt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-21 vom 29. Januar 2021

AfD
Im Visier des Verfassungsschutzes
Während sich die Partei gegen die Einstufung als rechtsextremer „Verdachtsfall“ wehrt, bescheinigt ein internes Gutachten dem Berliner Landesverband Verfassungstreue. SPD-Innensenator Geisel tobt
Robert Mühlbauer

Die Auseinandersetzung zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz spitzt sich zu. Eine verschärfte Beobachtung könnte Ende Januar verkündet werden. Mit mehreren Klagen und Eilanträgen beim Verwaltungsgericht Köln gegen das dort ansässige Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die Partei versucht zu verhindern, dass sie vom BfV zum rechtsextremen „Verdachtsfall“ erklärt wird. Die AfD argumentierte unter anderem damit, dass ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt werde. Am Montag dieser Woche gab der VS eine „Stillhaltezusage“ ab. Er wird nichts unternehmen, bis das Verwaltungsgericht über die Eilanträge entschieden hat. Schon das wurde als Teilerfolg für die AfD angesehen. Der Verfassungsschutz habe „den ersten Schritt verstolpert“, schrieb etwa die „taz“.

Ein anderer Vorgang in Berlin hat unterdessen hohe Wellen geschlagen. Der Berliner Landes-AfD war durch einen 

anonymen Informanten ein Zwischenbericht des Landesamts für Verfassungsschutz zugespielt worden. Die Autoren äußern in dem 43 Seiten langen Papier starke Zweifel, ob die AfD als rechtsextrem und verfassungsfeindlich einzustufen sei. Der untersuchte Einfluss des rechten „Flügels“ in Berlin wird als „sehr gering“ bewertet. In der Gesamtschau der gesammelten Erkenntnisse über die AfD Berlin seien „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Schwelle zum Verdachtsfall überschreiten“, heißt es als Fazit. Es war eine Art Persilschein.

Rot-rot-grün zeigt sich empört

Innensenator Andreas Geisel (SPD), die Grünen und die Linkspartei zeigten sich empört darüber, dass die Partei in den Besitz des Berichts gelangt war. Geisel ließ mitteilen, der entlastende Bericht weise „methodische Mängel“ auf und sei nur eine vorläufige Zwischenversion gewesen. Nur zwei Tage nach dem Bekanntwerden des brisanten Papiers wurde ein Referatsleiter des Verfassungsschutzes vom Dienst freigestellt. Die „Berliner Zeitung“ fasste den Vorgang so zusammen: „Ein Bericht des Berliner Verfassungsschutzes sieht bei der AfD keine Verfassungsfeindlichkeit. Die Innenverwaltung will deshalb den Autor feuern.“ AfD-Parteichef Jörg Meuthen kritisierte dies als Skandal. Es zeige, „wie die politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes in der Realität vonstattengeht“, sagte Meuthen.

Für die Partei könnte das durchgestochene Berliner Papier ein wichtiges Beweismittel in dem anstehenden Rechtsstreit sein. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will unbedingt verhindern, dass Gerichte einen „Verdachtsfall“-Beschluss kippen. Seehofer hat die Juristen seines Ministeriums daher nochmals mit einer genauen Prüfung beauftragt. Eine erfolgreiche Klage der AfD im Superwahljahr wäre eine gewaltige Blamage und eine Glaubwürdigkeitskrise für die Innenminister und ihre Verfassungsschutzämter.

Die AfD-Spitze um Meuthen hat sich seit Längerem auf einen Abwehrkampf eingestellt. Ein Teil der Abwehrstrategie bestand darin, den Rechtsaußen-Flügel zu stutzen und Radikale auszuschließen. Der größte Schritt dabei war der Rauswurf des Brandenburger AfD-Landesschefs Andreas Kalbitz wegen einer verheimlichten rechtsextremistischen Vergangenheit. Darüber kam es zum Konflikt mit dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland. Kalbitz erlitt vergangene Woche im Berufungsverfahren vor dem Kammergericht Berlin abermals eine juristische Schlappe.

Wie einflussreich ist der „Flügel“? 

Ohne Kalbitz wirkt der offiziell aufgelöste „Flügel“ um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke schwächer. Beim jüngsten Bundesparteitag im November unterlagen „Flügel“-Kandidaten bei allen Wahlen. Dennoch hat Bundesverfassungsschutzchef Thomas Haldenwang mehrfach behauptet, die „Flügel“-Leute könnten ihre Machtposition in der AfD ausbauen. Dies wird eine der entscheidenden Fragen im juristischen Streit um die Beobachtung der Partei sein. Dem „Flügel“ sollen angeblich 7000 der mehr als 34.000 Mitglieder nahestehen.

Kommt es zur Hochstufung zum „Verdachtsfall“, kann der Inlandsgeheimdienst die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten, also etwa Telefonate abhören, und er kann V-Leute anwerben und einschleusen. Ungemütlich dürfte die BfV-Beobachtung besonders für Beamte, etwa Polizisten oder auch Soldaten werden, die sich in der AfD engagieren. Allerdings sei die Vorstellung falsch, dass ihre berufliche Position unmittelbar gefährdet sei. Es komme auf das individuelle Verhalten an, betonte der Juraprofessor Ralf Brinktrine von der Universität Würzburg in einem Interview, das er der „Süddeutschen Zeitung“ gab. Wer bloß zahlendes Mitglied sei, „dem wird man auch künftig oft wenig anhaben können“. 

Nur wenn Beamte selbst mit als verfassungsfeindlich gewerteten Äußerungen auffallen und sich mit hohen Parteiämtern oder als „Flügel“-Anhänger exponieren, könnte dies als Verletzung der Treuepflicht gesehen werden, sagen Beamtenrechtler. Ein hoher AfD-Funktionär sagte gegenüber der PAZ, er habe dennoch Angst, dass bürgerlich-konservative Parteimitglieder kalte Füße bekämen und austreten würden. 

Die Nervosität in der AfD ist mit Händen zu greifen. Aber auch ihre Gegner scheinen nicht frei von Nervosität, wie die Reaktion des Berliner SPD-Innensenators Geisel zeigt.