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29.01.21 / Grenzkonflikt / China fühlt sich durch Indien provoziert / Neu-Delhi hat den autonomen Status der auch als „Klein-Tibet“ bezeichneten Grenzregion Ladakh de facto aufgehoben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-21 vom 29. Januar 2021

Grenzkonflikt
China fühlt sich durch Indien provoziert
Neu-Delhi hat den autonomen Status der auch als „Klein-Tibet“ bezeichneten Grenzregion Ladakh de facto aufgehoben
Wolfgang Kaufmann

Zwischen den beiden Nuklearmächten Indien und China eskalieren die Spannungen. Vordergründig resultiert das aus territorialen Streitigkeiten, die im Herbst 1962 schon einmal in einem Grenzkrieg gipfelten. Peking hält seitdem die eigentlich zu Indien gehörende Hochregion von Aksai Chin und das Shaksgam-Tal besetzt. Darüber hinaus beansprucht es noch weitere 90.000 Quadratkilometer indischen Territoriums. Nun fühlt sich die Volksrepublik von dem Nachbarland provoziert, weil dieses den autonomen Status des ehemaligen buddhistischen Königreiches Ladakh, das als „Klein-Tibet“ gilt, de facto aufhob. 

Darüber hinaus geht es aber noch um mehr. So argwöhnt die Führung in Peking, der sogenannte Quatrilaterale Sicherheitsdialog zwischen Indien, Australien, Japan und den USA werde demnächst in ein antichinesisches Militärbündnis münden. 

Indien wiederum wertet die zahlreichen ambitionierten Infrastrukturprojekte der Volksrepublik in Bangladesch, Myanmar, Nepal, Pakistan und Sri Lanka als absichtliche Einkreisung und versucht daher im Gegenzug, China wirtschaftlich zu schaden. Beispielsweise richtet sich die 2014 von Premierminister Narendra Modi gestartete Initiative zur Förderung der Produktion im Inland nun zunehmend gegen das Reich der Mitte. Streckenweise läuft die Kampagne „Make in India“ mittlerweile sogar auf einen unverhüllten Boykott chinesischer Produkte hinaus. In den letzten Monaten verbot die Regierung in Neu-Delhi rund zweihundert Handy-Apps von Anbietern aus China und forderte darüber hinaus alle staatlichen Firmen auf, keine Technologie aus dem Huawei-Konzern zu nutzen. Außerdem benötigen indische Unternehmen jetzt eine formelle Genehmigung, wenn sie mit Investoren aus China kooperieren wollen. 

Peking reagierte auf Letzteres, indem es indischen Gründern, die durch die Maßnahmen ihrer Staatsführung schwerer an Startkapital kommen, einen besseren Zugang zum chinesischen Markt bietet, um dergestalt Verbündete zu gewinnen. Ob sich die antichinesische Stimmung in Indien dadurch dämpfen lässt, bleibt indes fraglich. Zu verbreitet ist dort der Ärger über die ständigen Zusammenstöße an der nach wie vor nicht offiziell festgeschriebenen Grenze zwischen Indien und dem von Peking kontrollierten Autonomen Gebiet Tibet. 

Beispielsweise sollen Mitte Juni 2020 einige indische Militärs am Fluss Galwan in Ladakh Angehörige der Volksbefreiungsarmee „provoziert und angegriffen“ haben. Die zettelten daraufhin eine brachiale Massenschlägerei mit Fäusten, Steinen und Knüppeln an, in deren Verlauf mindestens 20 Inder und eine unbekannte Zahl von Chinesen ums Leben kamen. Das war die erste tödliche Auseinandersetzung zwischen den Soldaten Pekings und Neu-Delhis seit vielen Jahrzehnten.

Eine Beendigung des Konfliktes scheint derzeit in weiter Ferne zu liegen. Denn beide Streitparteien verhalten sich extrem ablehnend, wenn es um die Frage des Einsatzes von Schlichtern geht. So wurde selbst das Vermittlungsangebot des damaligen US-Präsidenten Donald Trump zurückgewiesen.