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29.01.21 / Leitartikel / Schwesigs Schachzug

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-21 vom 29. Januar 2021

Leitartikel
Schwesigs Schachzug
René Nehring

Die Kommentare waren deutlich. Von „Schwesigs Schmierentheater“ sprach der „Cicero“, von einem „Lügengebäude von geradezu Trump’schen Dimensionen“ die „Welt“. Die Rede ist von der „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“, deren Gründung Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am 6. Januar verkündete. Offizieller Stiftungszweck ist, „Projekte zum Klimaschutz und zum Naturschutz in Mecklenburg-Vorpommern und vor den Küsten des Landes durchzuführen“. Zudem heißt es in einer Pressemitteilung der Schweriner Landesregierung: „Über einen eigenen Geschäftsbetrieb kann die Stiftung einen Beitrag zur Fertigstellung zur Ostseepipeline Nord Stream II leisten.“ 

Vor allem diese Aussage, die angesichts einer Zustiftung seitens der Nord Stream 2 AG in Höhe von 20 Millionen Euro zum ursprünglichen Stiftungskapital von 200.000 Euro durchaus als der eigentliche Stiftungszweck interpretiert werden kann, bringt die Kritiker auf die Palme. „Einfach ungeheuerlich“ nannte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock das Vorhaben, und die FDP-Außenpolitikerin Renata Alt sprach davon, dass sich „die SPD-geführte Landesregierung de facto kaufen lassen“ habe. 

Kein Wort freilich verloren die Kritiker Schwesigs von der Vorgeschichte der Schweriner Stiftungsgründung. Kein Wort vor allem von dem unter Bündnispartnern einzigartigen US-amerikanischen Erpressungsversuch im vergangenen Sommer, als drei US-Senatoren um den Texaner Ted Cruz einen Drohbrief an die Geschäftsführung des Hafens Sassnitz-Mukran schrieben und allen an Nord Stream 2 Beteiligten harte Reaktionen bis hin zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz androhten, wenn sie das Projekt fortsetzen würden. Und natürlich auch kein Wort davon, dass die Europäer im Falle eines Stopps der Pipeline andere Energieträger einkaufen müssten wie das teurere Flüssigerdgas „Liquefied Natural Gas“ (LNG), wovon unter anderem die Energiewirtschaft in Cruz’ Heimat Texas profitieren dürfte (siehe PAZ 35/2020). 

Offenkundig ist der Schweriner Ministerpräsidentin ein Coup geglückt. Zum einen, weil sie mit der Stiftungskonstruktionen einen Weg gefunden zu haben scheint, die angedrohten US-Sanktionen zu unterlaufen. Zum anderen, weil sie zahlreiche der gegen Nord Stream 2 gerichteten Vorwürfe als haltlos entlarvt. Denn im Grunde stehen die Europäer lediglich vor der Wahl, ob sie ihr Erdgas aus Russland oder anderen Regionen der Welt beziehen möchten. Gezeigt hat Schwesig auf jeden Fall, dass sie bereit ist, deutsche Interessen zu vertreten, und dass sie dabei auch in Kauf nimmt, sich mit der immer noch größten Macht der Erde anzulegen. 

Zu den wenigen deutschen Politikern, die sich trotz aller Kritik an der Pipeline bislang für deren Weiterbau aussprachen, gehört auch der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet. Als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen weiß er um die bewährte Energiepartnerschaft zwischen Russland und Deutschland seit Anfang der 1970er Jahre, von der unter anderem Unternehmen wie Ruhrgas profitiert haben. Umso wichtiger wäre jetzt ein klares unterstützendes Signal auch von ihm. Nicht zuletzt damit klar wird, dass sich Deutschland nicht erpressen lässt.