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29.01.21 / August Horch / Gründer und Namensgeber gleich zweier Automarken / Das vor 70 Jahren gestorbene technische Ausnahmetalent hatte auf wirtschaftlichem Gebiet eine weniger glückliche Hand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-21 vom 29. Januar 2021

August Horch
Gründer und Namensgeber gleich zweier Automarken
Das vor 70 Jahren gestorbene technische Ausnahmetalent hatte auf wirtschaftlichem Gebiet eine weniger glückliche Hand
Manuel Ruoff

Wie sein Vater sollte auch der am 12. Oktober 1868 als Spross einer alten Schmiede- und Winzerfamilie in Winningen an der Mosel in der Rheinprovinz geborene August Horch Schmied werden. Folglich erlernte er das Handwerk nach der Schulausbildung in der väterlichen Schmiede. Der Ausbildung folgten Wanderjahre als Geselle. Für einen Schmied war er jedoch recht leichtgewichtig, und die Mechanik faszinierte ihn mehr. 1888 begann er also ein Maschinenbaustudium am Technikum Mittweida, das er zwei bis drei Jahre später erfolgreich abschloss. 

Über Zwischenstationen landete er 1896 bei Carl Benz. Der Automobilpionier hielt viel von ihm und machte ihn bereits nach wenigen Monaten zum Betriebsleiter des Motorenwagenbaus. Doch zeigte sich schon hier Horchs grundsätzliches Problem. Der talentierte Techniker wollte leistungsfähige, innovative Produkte herstellen. Ob sie sich rechneten, war für ihn zweitrangig. Darüber kam es zum Bruch mit Benz. 

1899 gründete Horch mit dem Tuchhändler Salli Herz ein eigenes Automobilunternehmen in Köln-Ehrenfeld: Horch & Cie. Im Jahr 1901 entstand das erste Auto. Horchs Produkte sind fortschrittlich – mit dem Einsatz von Reibungskupplungen und Kardanwellen zur Kraftübertragung leistete er Pionierarbeit im Automobilbau –, aber seine Fahrzeuge waren zu teuer für den Markt, ließen sich kaum absetzen. 

Erst Horch dann Audi

Die Suche nach neuen Geldgebern ließ Horchs Unternehmen wandern. Erst wechselte es 1902 wegen Moritz Bauer nach Reichenbach im Vogtland und dann wegen Paul Fikentscher nach Zwickau. Der Gründer des Steinzeugwerks Friedrich Chr. Fikentscher und Angehörige des Stadtrats von Zwickau war wohlhabend, gut vernetzt und automobilbegeistert. Der gebürtige Zwickauer holte Horch in den von ihm 1903 gegründeten und geleiteten Sächsisch-Thüringischen Automobilclub. Ein Jahr später verlagerte Horch sein Unternehmen in die sächsische Kreisstadt. Wie einst mit Benz entstanden hier nun mit seinen Teilhabern Meinungsverschiedenheiten. 

Wieder wollte Horch leistungsstarke, moderne Autos bauen ohne Rücksicht auf die Herstellungskosten und den sich daraus ergebenden Preis. Um Investoren zu gewinnen, war sein Unternehmen 1904 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, und der gesellschaftlich aufgestiegene Sohn eines Schmiedes war nur Minderheitsaktionär. Der Aufsichtsrat forderte schließlich, dass Horch sein technisches Ausnahmetalent der Firma weiterhin zur Verfügung stellen, aber die Geschäftsführung abgeben sollte. 

Zu einer derartigen Lösung war Horch jedoch nicht bereit. Er schied 1909 aus dem Unternehmen aus und gründete mit Fikentscher und mitgenommenen Mitarbeitern unweit des Standortes seines alten ein neues Automobilwerk, die August Horch Automobilwerke GmbH. Gegen den Namen prozessierte allerdings sein vormaliges Unternehmen erfolgreich. Nun war guter Rat teuer. Ein Sohn Fikentschers mit Lateinkenntnissen hatte dann den entscheidenden Einfall: die lateinische Übersetzung des Befehls „Horch!“, also „audi“. 1910 wurde die August Horch Automobilwerke GmbH in „Audi Automobilwerke GmbH“ umbenannt. Noch im selben Jahr kam der erste Audi auf den Markt.

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, lautet ein Sprichwort. 1915 wurde auch dieses Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um Investoren zu gewinnen. Auch diesmal schwächte der Kapitalzufluss Horchs Stellung in seinem Unternehmen. 1920 wechselte er vom Vorstand in den Aufsichtsrat, zog sich also aus dem operativen Geschäft zurück. 

Anerkennung über Systemgrenzen

Nun hätte man meinen können, dass Horch sich auf sein Talent, das Konstruieren von Autos, konzentriert hätte. Dann hätte er sich jedoch unterordnen müssen, was er ja bereits 1909 gegenüber dem Horch-Aufsichtsrat abgelehnt hatte. Stattdessen versuchte er sich lieber weiterhin als Geschäftsmann. Skurril mutet sein ab 1929 unternommener Versuch an, nahe seiner Geburtsstadt eine Hühnerfarm zu betreiben. Auch diesmal fand sein Engagement ein weniger befriedigendes Ende. Seine Hühner erwiesen sich zur Hälfte als unfruchtbar und sein Plan, die Eier per Seilbahn auf die andere Moselseite zu transportieren, ließ unberücksichtigt, dass sie dort auf die Konkurrenz örtlicher Bauern stießen. 1934 gab er das Projekt auf – nicht allerdings ohne in den 40er Jahren einen erneuten Anlauf zu unternehmen. Diesmal versuchte er es zwar nicht mit Eiern, sondern mit Wein, aber der Erfolg war vergleichbar. Nachdem er 1931 bereits sein Haus in Berlin hatte verkaufen müssen, musste er nun auch noch seinen Hof versilbern. Der erfolglose Unternehmer starb mittellos.

Diese unternehmerischen Misserfolge stehen in einem eklatanten Gegensatz zu dem Renommee als Konstrukteur und Autofachmann, das Horch im Dritten Reich, aber auch schon in der Weimarer Republik genoss. Von Letzterem zeugen diverse Ämter und Ehrungen. Ab 1921 leitete er im Reichsverkehrsministerium den Ausschuss „Außenhandelsstelle für Fahrzeuge“, der die Ein- und Ausfuhr von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen überwachte. 1922 verlieh ihm die Technische Hochschule in Braunschweig die Ehrendoktorwürde. 1924 wurde er sowohl Leiter des Normenausschusses der Deutschen Industrie als auch der erste Präsident der Deutschen Verkehrswacht. 

Und 1939 ernannte ihn Zwickau zu seinem Ehrenbürger. Kurz vorher war sein 70. Geburtstag groß gefeiert worden. Selbst der Reichsrundfunk berichtete. Die Motorisierung spielte im Nationalsozialismus eine wichtige Rolle – man denke nur an den KdF-Wagen (siehe „Porsche“ Seite 11) und die Autobahn –, und Horch war einer der bedeutendsten deutschen Autokonstrukteure der damaligen Zeit.

Die im Dritten Reich genossene Wertschätzung ließ Horch nach dem Ende von NS-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg Verfolgung fürchten. Diese Befürchtung erwies sich jedoch als letztlich unbegründet. Nun gereichten ihm sein frühes Ende als Autobauer und seine wirtschaftlichen Misserfolge zum Vorteil. Die Produktion von Rüstungsgütern ließ sich ihm ebenso wenig vorwerfen wie die Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Zwar wurde beantragt, ihm die Zwickauer Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, aber dieser Antrag fand in der Stadtverordnetenversammlung keine Mehrheit. 

Nicht nur, dass Horch Verfolgung durch die neuen Herren erspart blieb, die Ehrungen setzten sich schließlich sogar noch fort. Bereits nach dem Zusammenschluss der Automobilhersteller Horch und Audi mit DKW und Wanderer zur Auto Union AG mit Sitz in Chemnitz 1932 war August Horch in den Aufsichtsrat berufen worden. Nach dem Neubeginn in Ingolstadt im Jahre 1949 wurde ihm diese Ehre erneut zuteil. Ebenso ernannte ihn nach Zwickau nun auch Winningen zum Ehrenbürger.

Gerne wäre Horch nach dem Zweiten Weltkrieg in seine Geburtsstadt zurückgekehrt. Das ließ die französische Besatzungsmacht jedoch nicht zu. Stattdessen verlebte Horch seinen Lebensabend im oberfränkischen Münchberg. Dort starb Horch am 3. Februar 1951. Seinem Wunsch folgend wurde er in Winningen beigesetzt.