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05.02.21 / Theaterschiff auf dem Trockenen / Seit einem Jahr liegt die Kultur brach. Wie stark die Künstler unter der Pandemie leiden, zeigen zwei Erfahrungsberichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-21 vom 05. Februar 2021

Theaterschiff auf dem Trockenen
Seit einem Jahr liegt die Kultur brach. Wie stark die Künstler unter der Pandemie leiden, zeigen zwei Erfahrungsberichte

Freischaffende Musiker und Theaterbetreiber sind ungleich schwerer vom Lockdown betroffen als ihre Kollegen mit festen Engagements an den staatlichen Kultureinrichtungen und deren Intendanten. 

Bis vor einem Jahr konnte die zehnköpfige Hamburger Showband Dirty Royal Orchestra (DRO) noch aus dem Vollen schöpfen. Die Liveband tourt seit Jahren durch Deutschland und das europäische Ausland und sorgt auf Großveranstaltungen wie der Kieler Woche, den Berliner Filmfestspielen und Kongressen mit nationalen und internationalen Schlagern für Freude und Feierlaune beim Publikum. 

2019 begeisterte die Band auf der NDR-Sommertour-Bühne in Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit Stars wie Kim Wilde, Nico Santos und Michael Schulte zahlreiche Zuhörer. Auch 2020 sollte es so weitergehen. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr wurden aber nach und nach sämtliche Engagements abgesagt. PAZ-Autorin Dagmar Jestrzemski sprach darüber mit DRO-Musikdirektor Raimondo Di Renzo und fragte nach, wie es ihm und seinen Musikerkollegen während der erzwungenen Ruhepause geht.


Herr Di Renzo, leider sind ja Großveranstaltungen in Hallen und Arenen für unbestimmte Zeit nicht durchführbar. Wie geht es Ihnen, Ihrer Familie und Ihren Bandkollegen jetzt dabei?

Natürlich sorgt die Situation bei uns allen für große Verunsicherung und Frustration. Leider haben sich auch Firmen von Events wie unseren Musik-Workshops verabschiedet. Für Oktober war das DRO in der Schleswig-Holstein-Kultur-Förderung. Unsere Show wurde dann kurzfristig wegen bevorstehender Maßnahmen abgesagt. Die Ausfall-Gage habe wir glücklicherweise erhalten.


Wie ist es mit dem sogenannten zweiten Standbein?

Ich selbst habe Einkünfte aus nebenberuflicher Tätigkeit, gebe weiterhin Instrumentalunterricht. Wir konnten als Familie zum Glück von den Förderprogrammen der Regierung profitieren, allerdings noch nicht von den Novemberhilfen.


Welches Instrument unterrichten Sie? 

Klavier. Der Unterricht läuft tatsächlich weiter über Face Time und Zoom. Das hört sich etwas schräg an auf dem Handy, aber es funktioniert. 


Konnten Sie darüber hinaus die digitalen Möglichkeiten nutzen?

Ja, im Juni hat das DRO die erste Live­stream-Show auf www.streammax.de gespielt. Weitere Livestream-Shows folgten. Es gab auch eine positive Firmenbotschaft und ein Zoom-Meeting aller Filialen in Deutschland.  


In den Bundesländern gab es Förderprogramme für Musik …

In NRW beispielsweise im Zeichen des Beethovenjahres. Im September fand das „Rheinische Lesefest für Kinder und junge Erwachsene“ statt. Meine Frau ist Flötistin, sie ist mit ihrem Ensemble „Tityre“ in Bonn aufgetreten. Dafür hatte ich Beethovens größte „Hits“ musikalisch arrangiert. Im November haben wir mit unserem Royal Christmas Orchestra vier schöne Shows für den Advent vorproduziert. Die Shows wurden an jedem Adventssonntag über einen Link gestreamt. 

Haben Sie für das Streaming ein „Eintrittsgeld“ erhoben?

Nein, virtuelle Tickets konnten freiwillig gekauft werden. Immerhin spendete die Hälfte der Zugeschalteten einen Betrag. 50 Prozent der Produktion konnte damit gedeckt werden. Eine Gage für uns Musiker konnte davon nicht bezahlt werden. Für 2021 hoffen wir nach wie vor auf eine Konzert-Tour durch die Hallen und Arenen Deutschlands. Hierfür suchen wir noch Sponsoren und Konzertveranstalter. Kritisch erwähnen möchte ich, dass wir einen superkompliziert auszufüllenden Förderungsantrag bei der Musik Initiative Berlin eingereicht haben, der jedoch abgelehnt wurde. In so einer Situation sollte man nicht weitherum Hoffnungen wecken, um diese anschließend zu enttäuschen.

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In Wedel am westlichen Stadtrand von Hamburg betreibt der 81-jährige Hannes Grabau seit fast 50 Jahren das Theaterschiff „Batavia“. Der alte Kahn liegt elbnah im ehemaligen Hafen des Flüsschens Au am Rand der Wedeler Elbmarsch. Grabau, genannt „der Käpt’n“, hat das 1892 in Stettin als Flusskanonenboot erbaute Schiff (Länge 30 Meter) 1972 erworben und zum Theaterschiff mit Gastronomie umgebaut. Im Unterschiff mit 70 Sitzplätzen fanden seitdem Tausende Veranstaltungen statt. Der Spielplan war bunt und abwechslungsreich, mit hauseigenen Inszenierungen von der Klamotte bis zur Tragödie, Gastspielen und Livemusik bis zum Weihnachtsmärchen. Großer Beliebtheit erfreute sich in jedem Herbst das Batavia-Kleinkunst-Festival, ebenso das sommerliche Pippi-Langstrumpf-Kindertheater auf der Freilichtbühne. 

Grabau berichtet: „Im Frühjahr erhielten wir Fördermittel aus dem Corona-Hilfsprogramm des Landes Schleswig-Holstein, aber das war’s dann auch. Die zugesagte Novemberhilfe ist erst spät Ende Januar angekommen. Im Sommer hatten wir noch gute Umsätze durch unsere Open-Air-Veranstaltungen mit Kabarett, Lesung, Musik, Kindertheater. Wir haben mit dem Hut Spenden gesammelt. Ich denke jetzt vor allem an die soloselbstständigen Künstler, mit denen wir teilweise seit 30 Jahren verbunden sind. Sie haben inzwischen Familien gegründet, haben Kinder. Da spielen sich jetzt Dramen ab. Die geringen Gagen werden dringend zum Leben gebraucht. Betriebskosten haben die meisten nicht und erhielten aus Kiel daher keine Fördermittel. Je nach Bundesland gibt es da aber Unterschiede. Wir wollen unser Open-Air-Programm wiederaufnehmen, sobald es das Wetter erlaubt. Ich möchte meine Künstler behalten!“D.J.