20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.21 / Wilhelm Maybach / „König der Konstrukteure“ / Der vor 175 Jahren geborene Freund und Weggefährte Gottlieb Daimlers entwickelte das erste moderne Automobil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-21 vom 05. Februar 2021

Wilhelm Maybach
„König der Konstrukteure“
Der vor 175 Jahren geborene Freund und Weggefährte Gottlieb Daimlers entwickelte das erste moderne Automobil
Manuel Ruoff

Der am 9. Februar 1846 in Heilbronn geborene Schreinermeistersohn Wilhelm Maybach wurde bereits früh Vollwaise. Erst starb seine Mutter, zwei Jahre später, 1856, wählte dann wohl sein Vater den Freitod durch Ertrinken. Durch Vermittlung von Freunden der Familie fand Wilhelm Aufnahme im Reutlinger Bruderhaus. Dieser christlich-sozialen Einrichtung des Geistlichen Gustav Werner war zu deren Finanzierung eine Maschinenfabrik angeschlossen. Werner erkannte das zeichnerische Talent Wilhelms und ließ ihn ab 1861 im Konstruktionsbüro der Maschinenfabrik eine Ausbildung zum Technischen Zeichner machen. Im Jahre 1865 beendete Maybach die Ausbildung und Gottlieb Daimler übernahm die Leitung der Maschinenfabrik. So lernten sich die beiden kennen. Es war der Beginn einer bis zu Daimlers Tod dauernden Zusammenarbeit und Freundschaft der beiden Männer. Die Zusammenarbeit begann damit, dass Maybach Daimlers Assistent in der Maschinenfabrik wurde. 

1867 erhielt die Beziehung zwischen den beiden Männern eine zusätzliche Komponente. In jenem Jahr heiratete Daimler die Apothekertochter Emma Pauline Kurtz. An der Hochzeit nahm neben Maybach auch die mit der Braut befreundete Wirts- und Posthalterstochter Bertha Habermaas teil. Die beiden Hochzeitsgäste lernten sich kennen und lieben. 1878 wurde geheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor.

Der ideale Motor für Fahrzeuge

1869 wechselte Daimler an die Spitze der Maschinenbau-Gesellschaft Karlsruhe und nahm Maybach mit. 1872 übernahm Daimler die Leitung der Werkstätten der Gasmotorenfabrik Deutz und holte Maybach abermals nach. Dort arbeitete Letzterer nun nicht mehr nur als Technischer Zeichner, sondern übernahm die Leitung des Konstruktionsbüros. 1876 entwickelte der Mitgründer und Mitinhaber von Deutz sowie Namensgeber des Ottomotors Nicolaus Otto einen Viertaktmotor, den Maybach zur Serienreife brachte. 

Otto und Daimler zerstritten sich jedoch und Letzterer verließ das Unternehmen, gründete 1882 in Cannstatt bei Stuttgart eine eigene Versuchswerkstatt, den Kern der 1890 gegründeten Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG). Und wieder kam Maybach mit. Gemeinsam arbeiteten sie an der Entwicklung eines kompakten, leichten, schnelllaufenden Benzinmotors und dessen Verwendung insbesondere in Fahrzeugen. Ein frühes Ergebnis war die sogenannte Standuhr, deren Zylinder senkrecht stand, daher der Name. Klein, leicht und mit Benzin betrieben war sie für den Einsatz in Fahrzeugen prädestiniert. 1885 führte die Zusammenarbeit zum ersten Fahrzeug, dem sogenannten Reitwagen. Dabei handelte es sich, wenn man so will, um das erste Motorrad der Welt mit einem mit Benzin betriebenen Verbrennungsmotor. Weitere Fahrzeuge folgten. Der Reigen der Fahrzeuge, in denen der neue Benzinmotor als Antrieb eingebaut wurde, reicht von Boot und Schiff über Kutsche, Straßenbahn, Omnibus und Lastkraftwagen bis zur Gondel eines Gasballons, der damit zu einem der ersten Luftschiffe wurde.

Ein wichtiger Meilenstein war der 1889 von Maybach auf der Pariser Weltausstellung vorgestellte sogenannte Stahlradwagen. Hierbei handelte es sich nämlich nicht um eine althergebrachte konventionelle Pferdekutsche, in die ein Motor eingebaut worden war, sondern um eine vom Fahrradbau inspirierte Neukonstruktion um den Motor herum. Letzterer hat erstmals nicht nur einen, sondern zwei in V-Form angeordnete Zylinder. Neu ist auch die Kraftübertragung per Zahnradwechselgetriebe. 

Nach dem „Stahlradwagen“ wurde mit dem Mercedes 35 PS die Abkehr von der motorisierten Kutsche weiter fortgesetzt, wenn nicht gar vollendet. Nicht umsonst gilt der Mercedes 35 PS als erstes modernes Automobil. Der Wagen war so neu wie es das 20. Jahrhundert war, als er entstand. Im Jahre 1900 bestellte Emil Jellinek gleich 36 Exemplare eines Sportwagens, das nach seinen Vorgaben entwickelt werden sollte. Maybach, von dem der wohlhabende österreich-ungarische Geschäftsmann, Diplomat und Automobilrennfahrer sehr viel hielt und gesagt hat: „Er kann auf Kommando erfinden“, sollte das Fahrzeug konstruieren. Noch im selben Jahr war das Fahrzeug fertig. Es begeisterte. Die Verwendung von Leichtmetall beim Motorenbau und der neuartige Bienenwabenkühler ließen das Fahrzeug nur eine Tonne schwer werden. Der niedrige Schwerpunkt und der lange Radstand kamen dem Sportwagen zusätzlich zugute. Paul Meyan, den Generalsekretär des französischen Automobilklubs Automobile Club de France (ACF), ließ der Mercedes 35 PS konstatieren: „Wir sind in die Ära Mercedes eingetreten.“ Überhaupt waren es insbesondere die Franzosen, die voll des Lobes waren. Von ihnen stammt auch die Bezeichnung Maybachs als „König der Konstrukteure“.

Das Jahr 1900 war jedoch noch aus einem ganz anderen, traurigeren Grund wichtig für Maybach. In jenem Jahr starb Daimler. Damit verlor Maybach zunehmend an Rückhalt in der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Gottlieb Daimlers Söhne Adolf und Paul Daimler sägten, gedeckt von dem ehrgeizigen neuen Aufsichtsratschef Wilhelm Lorenz, an seinem Stuhl. 1907 zog Maybach die Konsequenz und verließ die Daimler-Motoren-Gesellschaft.

Zusammenarbeit mit Zeppelin

Im darauffolgenden Jahr stellte die Havarie des Zeppelin LZ 4 eine Zäsur im deutschen Luftschiffbau dar. Einerseits zeigt die Havarie deren Schwächen auf. Andererseits verschaffte die anschließende Zeppelinspende des deutschen Volkes, das sogenannte Wunder von Echterdingen, dem Grafen Ferdinand von Zeppelin ungeahnte finanzielle Mittel. In dieser Situation bot Maybach dem Grafen, für dessen erstes Luftschiff er bereits 1900 zwei 16-PS-Vierzylinder-Motoren zur Verfügung gestellt hatte, einen neuen Luftschiffmotor mit 150 PS Dauerleistung an, den er zusammen mit seinem Sohn Karl entwickelt hatte. Der Graf war zufrieden. Und nachdem er mit dem Geld der Zeppelinspende des deutschen Volkes 1908 die Luftschiffbau Zeppelin GmbH gegründet hatte, gründete er im Folgejahr mit Maybach die Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH als Zuliefererbetrieb. Mit der Leitung des Unternehmens wurde Wilhelm Maybachs ältester Sohn Karl Maybach betraut. Maybach senior, mittlerweile auch nicht mehr der Jüngste, begnügte sich mit dem Posten eines technischen Beraters.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutschland die Produktion von Luftschiffen wie Flugzeugen verboten, die Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH wurde in „Maybach-Motorenbau GmbH“ umbenannt. Ganz in der Maybachschen Tradition blieben Motoren für Fahrzeuge ein Schwerpunkt. So wurden beispielsweise schnelllaufende Dieselmotoren für den Einsatz in Lokomotiven entwickelt. Den legendären Dieselschnelltriebwagen der Deutschen Reichsbahn „Fliegender Hamburger“ trieben zwei Zwölfzylindermotoren mit je 410 PS von Maybach an. Ab 1921 wurden auch Automobile angeboten. 2300 Stück wurden insgesamt gefertigt. Legendär war das von einem Zwölfzylinder-V-Motor angetriebene Spitzenmodell „Zeppelin“. Dessen Vorstellung im Jahre 1930 erlebte Wilhelm Maybach nicht mehr. Er starb am 29. Dezember 1929 in Stuttgart.