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05.02.21 / Östlich von Oder und NeißE / Schlesien trotzt dem polnischen Wegwerftrend / Die ersten Sozialkaufhäuser der Rzeczpospolita befinden sich in Kattowitz und Liegnitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-21 vom 05. Februar 2021

Östlich von Oder und NeißE
Schlesien trotzt dem polnischen Wegwerftrend
Die ersten Sozialkaufhäuser der Rzeczpospolita befinden sich in Kattowitz und Liegnitz
Chris W. Wagner

Anfang Dezember wurde staatsweit das erste Sozialkaufhaus nach Vorbild im niederösterreichischen Wiener Neustadt im oberschlesischen Kattowitz eröffnet. Organisiert wurde dies durch die Stadt und die Stiftung „Wolne Miejsce“, was so viel wie „Freier Platz“ bedeutet. 

Café derzeit geschlossen

Diese Stiftung führt seit vielen Jahren weihnachtliche und österliche Benefizbanketts für Alleinstehende durch. „Bei diesen Festtafeln haben wir die Möglichkeit, uns mit den Teilnehmern zu unterhalten. Doch danach geht jeder wieder seinen eigenen Weg. 

Wir wollen aber mit den Alleinstehenden in Kontakt bleiben“, so der stellvertretende Stiftungsvorsitzende Piotr Kochanek. So kam er auf die Idee, im stiftungseigenen Sozialkaufhaus eine Café-Ecke einzurichten. Pandemiebedingt ist das Café jedoch noch nicht in Betrieb gegangen.

Seit der Kaufhauseröffnung am 11. Dezember 2020 bildeten sich große Menschenmengen an den Kassen, so Leiterin Ewa Szymura gegenüber dem Internetportal „Business Insider“. Die meist von Discountern gespendeten Lebensmittel und Hygieneartikel stünden kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums. Die Waren seien jedoch vollwertig und würden um 50 Prozent günstiger verkauft. Damit möchte man auch dem Wegwerftrend entgegenwirken, erläutert Szymura.

Täglich für 100 Zloty

Am 25. Januar wurde nun ein zweites Sozialkaufhaus geöffnet – jetzt im niederschlesischen Liegnitz. Norbert Palimąka von der Stiftung „ESPA“, die das Liegnitzer Kaufhaus betreibt, lebt seit 20 Jahren in der alten Piasten-Residenzstadt. Seine Stiftung verteilt jedes Jahr tonnenweise Lebensmittel und Bekleidung an Bedürftige. 

Er arbeitet eng mit der Stadt, dem Sozialamt und der Kattowitzer Stiftung „Wolne Miejsce“ zusammen.

In den beiden schlesischen Sozialkaufhäusern können nur diejenigen einkaufen, die eine Bedürftigkeitsbescheinigung vom Sozialamt vorlegen können. Mit dieser dürfen Bedürftige einmal täglich für 100 Zloty, also etwa 20 Euro, einkaufen, wobei in den Sozialkaufhäusern Alkoholika und Tabakwaren nicht angeboten werden.

Weitere Städte geplant

Mikołaj Rykowski, Chef der Kattowitzer Stiftung „Wolne Miejsce” und Ideengeber der schlesischen Sozialkaufhäuser, führt derzeit Gespräche mit weiteren Städten, in denen er Sozialkaufhäuser eröffnen möchte. Auf seiner Liste stehen Myslowitz [Mysłowice], Siemianowitz [Siemianowice Śląskie], Königshütte [Chorzów], Schwientochlowitz [Świętochłowice], Dambrau [Dąbrowa Górnicza], Allenstein, Warschau, Ostrowo 

[Ostrów Wielkopolski], Kolberg, Kalisch, Radom und Lodsch. 

Er weiß, dass Polen in Sachen Lebensmittelverschwendung an fünfter Stelle in der Europäischen Union steht. Jährlich werden neun Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet, was im Schnitt 247 Kilogramm pro Kopf bedeutet. In der Bundesrepublik liegt die Lebensmittelverschwendung pro Kopf bei etwa 75 Kilogramm.

In Breslau haben sich pandemiebedingt Gastronomen einem Programm angeschlossen, mit dem in erster Linie Lebensmittel gerettet werden. Dadurch verbessert sich zugleich auch die Lage der Gastronomen, indem Gerichte, die am Tag vorbereitet, jedoch nicht verkauft wurden als sogenanntes Überraschungspaket gegen einen geringen Geldwert abgegeben werden. Die Betriebe haben weniger Abfall, mehr Umsatz und viele Breslauer eine günstige Mahlzeit. 

Eine Liste der teilnehmenden Unternehmen, nicht nur in Breslau, kann man sich mittels der App „Too good to go“ anzeigen lassen.