25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.21 / Lebendige Historie / Der Traditions-Dampf-Eisbrecher „Stettin“ / Grundsanierung der „Stettin“ bringt den Verein an seine Grenzen – Unterstützung ist gefragt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-21 vom 05. Februar 2021

Lebendige Historie
Der Traditions-Dampf-Eisbrecher „Stettin“
Grundsanierung der „Stettin“ bringt den Verein an seine Grenzen – Unterstützung ist gefragt
Helmut Rohde

Gebaut von den Stettiner Oderwerken wurde die „Stettin“ am 16. November 1933 als bis dahin größter Eisbrecher unter deutscher Flagge in Dienst gestellt. Auftraggeber war die Industrie- und Handelskammer zu Stettin. Einsatzgebiet waren die Oder und das Stettiner Haff. Gegen Kriegsende in den Westen geflüchtet, fortan dem Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg unterstellt, wurde der Tonnenhof in Wedel neuer Liegeplatz.

Bis 1981 war der Dampfer in Dienst und führte zahlreiche Einsätze auf der Unterelbe, dem Nord-Ostsee-Kanal und der Kieler Förde durch. Im Jahre 1982 als technisches Kulturdenkmal anerkannt, wurde er vom Förderverein Eisbrecher „Stettin“ übernommen. Seitdem wird der original erhaltene Eisbrecher im Sommer für Gästefahrten unter Dampf gehalten und dient in der übrigen Zeit als liegendes Museumsschiff, vornehmlich im Hamburger Museumshafen Övelgönne.

Nach dem Unfallschaden in Rostock 2017 waren die Mitglieder und Freunde des Vereins Dampf-Eisbrecher-Stettin e.V. sehr froh, als nun endlich die „Stettin“ Ende Januar 2020 im Dock der Norderwerft zusammen mit dem Marine Schwimmkran „Griep“ eingedockt wurde. Corona war zu diesem Zeitpunkt noch ein kaum beachtetes Ereignis in China, das änderte sich dann sehr dramatisch und die geplante Dockzeit von zwei Monaten hat sich auf fünf Monate verlängert, da coronabedingt die Arbeiten am Schwimmkran nicht termingerecht durchgeführt werden konnten.

Coronabedingte Behinderungen

Glück im Unglück für die „Stettin“. Ultraschall-Untersuchungen haben größere Korrosionserscheinungen im Unterwasserschiff aufgedeckt, deren Sanierungsaufwand einen längeren Dockaufenthalt erforderlich machten. Hinzu kamen Corona-Auflagen, die die Reisemöglichkeiten und die Tätigkeiten der Besatzungsmitglieder an Bord sehr stark einschränkten.

Der Werftbetrieb wurde unter besonderen Hygiene- und Schutzauflagen unterbrechungslos durchgeführt. Die Auftragsvergaben als auch die technische Inspektion erfolgten verantwortungsbewusst in sehr guter Zusammenarbeit mit der Werft. Unter Beachtung der Hygiene- Auflagen wurden in kleineren Gruppen Eigenleistungen der Bordbesatzung durchgeführt. 

Die Verwaltung und der Service haben Herausragendes geleistet und nicht nur mit kontinuierlicher Kaffeeversorgung für das leibliche Wohl und die gute Stimmung an Bord gesorgt. Allen Vereinsmitgliedern, die unter den äußerst widrigen Umständen die Werftzeit begleitet haben, wurde auch im Namen des Vorstands und des Vereins größter Respekt und besonderer Dank ausgesprochen.

Eine weitere Herausforderung für den Verein war die Niet-Reparatur des Unfallschadens. Die Werft hatte den Auftrag über die Vorarbeiten und die Bereitstellung der vorgeformten Platten erhalten.

Polnische Spezialisten

Der Auftrag für das Anpassen der Platten sowie das Bohren der Löcher und die eigentliche Vernietung wurde an die polnischen Firma MDI ALAN vergeben. Der Chef Artur Kosakiewicz und seine Mitarbeiter Grzegorz Karkowski und Damien Szorek haben mit großer fachlicher Kompetenz die Nietarbeiten professionell ausgeführt, man muss schon sehr genau hinsehen, um den neu eingesetzten Plattenbereich zu erkennen. Der Abschluss der Nietarbeiten erfolgte zum Höhepunkt der Corona-Pandemie, Artur und seine Mitarbeiter hätten nur unter schwierigen Quarantäne-Auflagen nach Polen zurückkehren können. 

Aus der Not wurde eine Tugend, schnell einigten wir uns über die Vergabe weiterer Arbeiten, die auf der Arbeitsliste der Werft oder der Eigenleistungen standen. Im Wesentlichen wurden die Installation und Verrohrung der neuen Fäkalanlage, des Bilgenentölers, des Luftkompressors und des Lenzsystems im Kesselraum sowie eine unüberschaubare Anzahl von vielen kleineren Arbeiten mit gewohnter Professionalität durchgeführt.

Artur und seine Truppe waren ein großer Glücksfall, die dazu beigetragen hat, die sehr angespannte finanzielle Situation des Vereins zu mildern. Dazu gehört auch die einmalige Spendenbereitschaft der Vereinsmitglieder und Freunde der „Stettin“. Das bisherige Ergebnis unseres Spendenaufrufes beträgt zirka 50.000 Euro, ein wirklich herausragendes Ergebnis, vielen herzlichen Dank an alle Spender! Der 12. August 2020 war der dritte Jahrestag der Kollision mit der „Finnsky“.Im behördlichen Untersuchungsbericht der BSU wurde seinerzeit eine alternative Vorfahrtsregelung aufgeführt, die im Gegensatz zu der von den Lotsen praktizierten Regelung steht. Der Bericht führte zu einer Seeamtsverhandlung und einen Strafantrag gegen unseren Lotsen sowie unseren Kapitän und den Steuermann.

Crew entlastet

Zur Entlastung unserer Nautiker haben wir ein Gutachten bei dem renommierten Marine Training Center MTC beauftragt. Nach deren Einsicht in die Ermittlungsakten und der Auswertung des Voyage Data Recorders des Unfallgegners konnte der Unfallhergang auf der Warnow detailgetreu nachgestellt und die Unfallursache und deren Hintergründe sachlich richtig darstellt werden. Aufgrund dieses Gutachtens wurden die Seeamts- und Strafverfahren gegen unsere Nautiker eingestellt, was einem Freispruch entspricht.

Unbeschadet davon ist die zivilrechtliche Auseinandersetzung mit der Versicherung des Unfallgegners, immer noch offen. Der Verein und die MDI ALAN befinden sich derzeit in einer unüberschaubaren Situation, die Umsetzung der neuen Schiffssicherheitsverordnung hat finanzielle und emotionale Spuren hinterlassen.

Die behördlichen Überfrachtungen der ehrenamtlichen Tätigkeiten und des damit verbundenen Verantwortungsrahmens werden immer unzumutbarer, der coronabedingte Ausfall des Fahrblocks 2020 stellte eine weitere finanzielle Herausforderung dar, die Auswirkungen des Generationswechsels im Verein werden immer deutlicher. Änderungen der Vereinsstrukturen und des Betreiberkonzeptes müssen überdacht werden, damit die „Stettin“ auch weiterhin als fahrendes Traditionsschiff und als einer der wenigen Zeitzeugen der vergangenen technischen und kulturellen Epoche erhalten bleibt.

2021 – 40-jähriges Vereinsjubiläum

In diesem Jahr kann der Verein sein 40-jähriges Jubiläum feiern, es ist der längste Zeitabschnitt, verglichen mit der Einsatzzeit in Stettin mit 12 Jahren und der auf der Elbe mit 36 Jahren. Es ist eine beachtliche Leistung des Vereins, auf die seine Mitglieder zurückblicken können. Weiterhin sind Mut und Zuversicht gefragt, um die schwierigen Herausforderungen verantwortungsvoll als Erbe anzunehmen. Es soll auch das Leben und das Schicksal der Tausenden von Menschen gewürdigt und nicht vergessen werden, die beim Bau und Betrieb der „Stettin“, in den Kriegswirren sowie der Flucht aus der Heimat mit dem Schiff verbunden waren.

Sonderheft der Eisbärpost

Anlässlich der Komplettsanierung des Schiffes wurde eine interessante Sonderausgabe der „Eisbärpost“ herausgegeben, mit vielen detaillierten Aufnahmen und Beschreibungen, die bei den Fahrten auf dem Schiff erworben werden kann. 

Die „Stettin“ liegt inzwischen auf ihrem Liegeplatz im Museumshafen Hamburg-Övelgönne und wartet auf ihren Einsatz. Es wurde ein vorläufiger Fahrplan erarbeitet, der am 7. Mai 2021 beginnt und hoffentlich coronabedingt umgesetzt werden kann. Es werden interessante Fahrten angeboten, zum Hafengeburtstag, Jubiläumsfahrt 125+1 Jahre Nord-Ostsee-Kanal, Kieler Woche und Hansesail Rostock. Im August findet die Jubiläumsfahrt „40 Jahre Dampfeisbrecher Stettin e.V.“ statt. Außerdem natürlich die Fahrten auf der Elbe und nach Helgoland und vieles mehr. Weitere Info siehe www.dampf-eisbrecher-stettin.de