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05.02.21 / Venetien / Cortina contra Corona / Dolomitenort wird Austragungsort einer Geister-WM – Im Februar stellt sich dort die Ski-Elite ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-21 vom 05. Februar 2021

Venetien
Cortina contra Corona
Dolomitenort wird Austragungsort einer Geister-WM – Im Februar stellt sich dort die Ski-Elite ein
Judith Kunz

Vom 8. bis 21. Februar ist das venezianische Bergdorf Cortina d’Ampezzo Austragungsort der Alpinen Ski-WM. Dann ist der Sehnsuchtsort der Dolomiten, in dem schon zweimal die Alpinen Skiweltmeisterschaften und 1956 die Olympischen Winterspiele stattgefunden haben, erneut weltweit präsent. Wenigstens auf den TV-Bildschirmen. Denn dieses Mal wird es sich um eine „Geister-WM“ handeln, bei der Zuschauer wegen der Pandemie vor Ort nicht zugelassen sind. 

Dabei könnte alles so schön gemütlich sein, wenn die Einheimischen ihre Kachelöfen anheizen und damit eine wohlige Wärme verströmen; wenn man die Terrasse vom Schnee der Nacht befreit; wenn der Chef oder die Chefin in der Küche nach dem Rechten schaut: Sind genügend Knödel geformt, wie sieht es eigentlich mit dem Ragout aus, und was macht die Polenta? Renata Ghedina ist solch eine Wirtin, die die Ruhe vor einem Besuchersturm allerdings schon seit Wochen nicht mehr richtig zelebrieren konnte. Dazu gehörte, mit einem Cappuccino in der Hand, der berauschende Blick über das gesamte Ampezzaner Tal, aus dem die Spitzen von Croda da Lago (2715 Meter), Cristallo (3218 Meter) und Sorapiss (3205 Meter) markant hervorstechen.

In ihrem Rifugio Pomedes, einer hochgelegenen Berghütte, schaute vor 10 Uhr morgens selten jemand vorbei. Jetzt wegen Corona auch danach nicht. Jedenfalls nicht bis zur Ski-WM, denn für die Athleten ist das Refugio geöffnet. Danach, so hofft Renata, ist der Viren-Albtraum hoffentlich bald vorbei, damit die Urlauber aus dem Norden wieder in ihre beliebte Hütte kommen. Sie wird dann wieder jeden einzeln begrüßen, der mit dem Dreier-Sessel-Lift kommt, der unmittelbar vor der Punta Anna hält, einem kleinen Gipfel im mächtigen Tofana-Massiv. „Es gibt keinen anderen Weg zu uns“, sagt Renata, die ihren Adlerhorst als „schönsten Ort der Welt“ beschreibt.

Den hat ihr Großvater Luigi gebaut – der legendäre Luigi Ghedina, der 1939 mit Freunden die Eichhörnchen-Gruppe gründete, in die nach wie vor nur die besten Kletterer aufgenommen werden und die weltweit für ihre Verdienste in der Vertikalen bewundert wird. Er war es übrigens auch, der eigenhändig die Punta Anna Ferrata als einen der bekanntesten Klettersteige der Dolomiten anlegte. Doch unmittelbar vor den Olympischen Winterspielen 1956 arbeitete er über Monate als sein eigener Packesel: Die Lifte waren noch nicht fertig, oben wurde für die Spiele aber unbedingt ein Restaurant gebraucht. So schleppte Luigi einen Großteil des Baumaterials auf dem Rücken hinauf auf 2340 Meter Höhe.

An Renata führt kein Weg vorbei

„Wir haben viel renoviert, aber bewusst den Charakter des schlichten Rifugios erhalten“, sagt Enkelin Renata. Dieses einzigartige Ambiente wissen alle zu schätzen. Auch die Funktionäre und Spitzensportler, die sich während der WM bei Renata aufwärmen. Woran man Deutsche erkennt? „Sie bestellen auch mittags noch Cappuccino“, so Renata, die nichts von Klischees hält, sie aber oft bestätigt sieht.

Zur Alpinen Ski-WM werden 600 Athleten aus 70 Nationen erwartet. Die Zuschauer werden die Wettkämpfe nur in den Übertragungen verfolgen. Man wird fast ein wenig neidisch auf Renata, die in der ersten Reihe sitzt. Denn bei ihr müssen die meisten „in echt“ vorbei: zur Olympia delle Tofane mit dem unverwechselbaren „TV-Felsen“, der aus den Frauen-Weltcup-Rennen bekannt ist und auf dem die Damen in Abfahrt, Super G und Riesenslalom antreten, und zur neu modellierten Vertigine-Piste, auf der die Herren in Abfahrt und Super G um Sekundenbruchteile kämpfen. Ein wenig weiter unten ist die Piste Labirinti für den Riesenslalom der Männer präpariert, während auf der Col Drusciè A beide Geschlechter im Slalom über die schwarze Piste sausen, auf der Toni Sailer anno 1956 sein drittes Gold holte.

Cortina d’Ampezzo liegt auf 1224 Metern Höhe mitten im Unesco-Weltnaturerbe der Dolomiten und gehört zu den traditionsreichsten Wintersportorten Europas. Hier in Venetien, wo italienische Lebensart auf hochalpine Schönheit trifft, eröffnet sich Urlaubern nicht nur deshalb eine besondere Welt. Das einzigartige Flair hat auch viel zu tun mit den „Regole“, den Gesetzen der ersten Siedler, die noch heute das Leben bestimmen. Die Natur, oder mit anderen Worten: Wald und Weideflächen sind seit jeher für alle da und müssen im Interesse des Gemeinwohls geschützt werden. Eine Verwurzelung in der Tradition, die sich längst als Plus in Sachen Verantwortung und Nachhaltigkeit herausgestellt hat. 

So verwundert es nicht, dass im Zuge der Alpinen Ski-WM gerade mal eine zusätzliche Piste angelegt wurde und zwei Aufstiegshilfen neu sind. Augenmaß und Bedacht sind die Leitlinien in die Zukunft, auch im Hinblick auf die Olympischen Winterspiele, die 2026 in Cortina d’Ampezzo ausgetragen werden, dann hoffentlich wieder mit einem Publikum, dass im Zielbereich für Stimmung sorgt. 

All das bedeutet keinen Stillstand, im Gegenteil: Man besinnt sich auf seine Stärken und optimiert mit Weitblick. So steht auch das alte Zeitmesshäuschen am unteren Ende der Olympia delle Tofane noch. Wo früher die Zeiten der Athleten mit der Hand genommen wurden, wartet inzwischen Michael Oberhammer auf seine Gäste – in einem noblen Restaurant mit modernem Ambiente. Es heißt jetzt Baita Piè Tofana und hat 700 erlesene Weine im Angebot, die fast noch wichtiger sind als die Speisekarte. Wenn das Reisen wieder möglich ist, kann man dort den Geist spüren, der den Sehnsuchtsort Cortina auszeichnet. Bei Renata, bei Michael, im gesamten Bergdorf.





Cortina und Corona im Überblick

Für die Einreise nach Italien ist eine Anmeldung beim örtlichen Gesundheitsamt und die Vorlage einer negativen Testbescheinigung verpflichtend, die nicht älter als 48 Stunden sein darf. Die Rückreise ist für Deutsche jederzeit möglich, allerdings muss man spätestens 48 Stunden nach Einreise einen negativen Corona-Test nachweisen. Weitere Infos dazu gibt es unter den Reisewarnungen des Auswärtigen Amts.

Allgemein ist Italien in die Zonen Rot, Orange und Gelb eingeteilt. Cortina ist wie die Region Venetien seit Anfang Februar Gelb, weshalb dort Restaurants und Bars bis 18 Uhr wieder geöffnet sind. Skilifte und -pisten sind nur für die Profisportler geöffnet. Bis mindestens Mitte Februar bleiben sie für das normale Wintersportpublikum geschlossen.

Um Cortina herum gibt es 120 Pistenkilometer, 36 Aufstiegsanlagen und viele Rifugios, in die man nach Ende des Lockdown wieder einkehren kann. Im Verbund Dolomiti Superski sind sogar zwölf Top-Skigebiete mit 1200 Pistenkilometern vereint. Erwachsene zahlen für den Tagesskipass 64 Euro, Jugendliche 45 in der Hochsaison.

Weitere Infos: Cortina Marketing Se.Am., Via Marconi, 15/B, I-32043 Cortina d‘Ampezzo – Belluno, Telefon: (0039) 0436 86 90 86, infopoint@cortinamarketing.it cortina.dolomiti.org

Zur WM gibt es die Cortina-App mit den aktuellsten Hinweisen und Terminen: https://apps.apple.com/us/app/cortina-2021-official-app/id1481321456