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12.02.21 / Österreich / Ende der Wiener Leichtigkeit / Das Bild der friedlich-verschlafenen, aber funktionierenden Nachbarrepublik zerbröckelt unter zahlreichen Krisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-21 vom 12. Februar 2021

Österreich
Ende der Wiener Leichtigkeit
Das Bild der friedlich-verschlafenen, aber funktionierenden Nachbarrepublik zerbröckelt unter zahlreichen Krisen
Gernot Danowski

Routiniert, staatstragend ernst und doch mit einem Hauch Landesväterlichkeit – so trat der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in den letzten Jahren vor die Presse. Egal ob zur Flüchtlingskrise oder zum Ibizaskandal. Stets gelang es Kurz mit souveränem Auftreten der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass er das Richtige tue – und das mit einem Charme, der sich für Bundesdeutsche wie eine Einladung zu Sachertorte und einem „Verlängerten“ anhörte. 

Vom Aufbruch zum Krisenmodus

Als vor gut einem Jahr die aktuelle Koalition aus der türkisfarbenen Österreichischen Volkspartei und den Grünen ans Werk ging, schalmeite es in den Medien, „das Beste aus beiden Welten“ würde nun zusammengeführt werden: die „wirtschaftliche und sicherheitspolitische Vernunft“ der Konservativen mit „der Menschenliebe und dem frischen Fortschrittsbestreben“ der Grünen. 

Davon ist nach einem Jahr Türkis-Grün nichts geblieben. Besonders in den letzten Wochen rissen die Skandale und Peinlichkeiten nicht ab. Da scheint die Plagiatsaffäre um die mittlerweile zurückgetretene Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) noch eines der kleineren Probleme zu sein. Sie hatte ihre Abschlussarbeit an der Hochschule Wiener Neustadt so plump gefälscht, dass es bei einer Seite hieß, keine 15 Wörter stammten von ihr selbst. Und der nächste Plagiatsvorwurf gegen den Nationalratsabgeordneten Peter Weidinger (ÖVP) ist bereits erhoben. 

Für einen handfesten Koalitionsstreit sorgte die Abschiebung zweier abgelehnter Asylbewerberfamilien aus Georgien und Armenien bei Nacht und Nebel, da unter anderem ein zwölf und ein fünf Jahre altes Mädchen unter den Abgeschobenen waren. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) griff direkt ÖVP-Innenminister Roland Nehammer an, die Maßnahme sei unmenschlich und unverantwortlich. Sogar der grüne Bundespräsident Alexander van der Bellen fühlte sich berufen, öffentlich zu fragen, ob die Abschiebungen angemessen waren. Innenminister Nehammer konterte umgehend und forderte den Bundespräsidenten höflich auf, die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren. 

Doch das alles war harmlos im Vergleich zum alles beherrschenden Thema – Corona! Hier folgte eine Regierungspleite auf die nächste. Anfang Dezember rief Gesundheitsminister Rudolf Anschober zum Massentesten auf. Die Österreicher dachten aber nicht daran, und so blieben die Teststraßen in der Wiener Stadthalle weitestgehend leer. Obwohl die Bevölkerung gleichwohl Verantwortungsbewusstsein zeigte und die Hygieneregeln überwiegend einhielt, war mit 2000 neuen Testpositiven die tägliche Fallzahl so hoch, dass Österreich vom 26. Dezember 2020 bis zum 8. Februar 2021 in seinen dritten Lockdown ging. Wie in Deutschland hatten hier nur die „systemrelevanten“ Geschäfte geöffnet, der Lebensmitteleinzelhandel, Tankstellen, Post etc. 

Schnell zeigte sich, dass die Zustimmung der Bevölkerung zu den Maßnahmen mit fortschreitender Dauer abnahm. Hatten für den ersten Lockdown im März noch 91 Prozent der Österreicher Verständnis, so fiel diese Zahl im zweiten Lockdown schon auf 53 Prozent. Zum Ende des dritten Lockdowns standen nur noch 50 Prozent der Menschen hinter den harten Eingriffen. 

Vom Unmut zum offenen Protest

Wenn der Lockdown bleibe, komme ein Politerdbeben, kommentierte dies zum Ende des alten Jahres der Herausgeber der Gratis-Tageszeitung „Österreich“, Wolfgang Fellner. Die Regierung müsse einen Weg finden, ohne Lockdown durch die Krise zu kommen. Fellners Prognose bewahrheitete sich in den folgenden Tagen. Allein für den 31. Januar waren 17 Demonstrationen angemeldet worden, die meisten davon mit regierungskritischem Hintergrund. 15 davon wurden von der Polizei verboten, obwohl die Veranstalter im Vorfeld zu Verständnis für die Polizei, zum Einhalten des Mindestabstandes von zwei Metern und zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aufgerufen hatten. Die Demoverbote riefen wiederum die Freiheitliche Partei (FPÖ) auf den Plan. Auf Anregung des Parteiobmanns Herbert Kickl sollte die FPÖ den Demonstranten eine Plattform für ihren Protest geben, ohne sich als Partei zu profilieren. Auch diese Kundgebung wurde untersagt, mit der Begründung, sie sei eine Gefahr für die Gesundheit. 

Trotz der Verbote kam es Ende Januar zu „Spaziergängen“ in der Wiener Innenstadt. Zwischen Heldenplatz und Maria-Theresia-Denkmal fanden sich mehrere Tausend Menschen ein. Das Publikum war bunt gemischt. Von Familien mit Kindern und Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft bis hin zu Aktivisten von links und rechts war alles auf der Straße. Entsprechend groß war das Polizeiaufgebot. Die Stimmung war angespannt, Bußgelder wurden verhängt und Provokateure gezielt verhaftet. FPÖ-Chef Kickl revanchierte sich anschließend im Parlament beim Innenminister für die Demoverbote mit einem Misstrauensvotum, das jedoch nicht durchging.

Nach dem Lockdown

Als leichte Deeskalation und Hoffnungsschimmer kann nun die Lockerung des Lockdowns gesehen werden. Seit dem 8. Februar sind die Geschäfte wieder offen, Friseure und Kosmetikstudios dürfen wieder arbeiten, und auch die Schulen sollen mehr und mehr zur Normalität zurückkehren. Ein Geschäft betreten darf jedoch nur, wer einen negativen Corona-Test vorweisen kann, der nicht älter ist als 48 Stunden. Die Gastronomie, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Österreichs, muss jedoch weiterhin geschlossen bleiben. Ob die Lockerung der am Boden liegenden Wirtschaft den erhofften Schwung gibt, bleibt abzuwarten. Ebenso, wie lange die Öffnungsphase anhält. In einem Interview mit der „Kronen-Zeitung“ ließ Gesundheitsminister Anschober schon mal anklingen, einen vierten Lockdown könne niemand ausschließen.

Warum auch? Die nächsten Alarmglocken läuten bereits im „heiligen Land“ Tirol.  Dort soll sich die südafrikanische Corona-Mutation stark ausbreiten. Es wird sogar darüber diskutiert, das Land teilweise abzuriegeln. Und so stehen dem geneigten Beobachter der österreichischen Politik weiterhin spannende Zeiten bevor.



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