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12.02.21 / Fritz Kolbe / Verräter oder Widerständler?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-21 vom 12. Februar 2021

Fritz Kolbe
Verräter oder Widerständler?
Erik Lommatzsch

George Wood sei „zweifellos einer der besten Agenten, die irgendein Geheimdienst jemals gehabt hat“, so Allen Welsh Dulles. Dulles war im Zweiten Weltkrieg Resident des US-amerikanischen Geheimdienstes OSS in Bern und später Direktor der daraus hervorgegangen CIA. Hinter dem Decknamen „George Wood“ verbarg sich der Top-Spion Fritz Kolbe, Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes (AA).

Seit August 1943 versorgte Kolbe die Amerikaner mit Wissen unter anderem über das Ausmaß von Bombenschäden an kriegswichtigen Fabriken, über das erste in Serie gebaute Strahlflugzeug Messerschmidt Me 262 oder V-Waffen. Als wichtigster Hinweis gilt die Enttarnung von Elyesa Bazna, Kammerdiener des britischen Botschafters in Istanbul. Bazna stand in deutschen Diensten und wurde als „Cicero“ bekannt.

Kolbe lieferte über 1600 Dokumente. Nicht auf alle seine Mitteilungen wurde jedoch adäquat reagiert, so auch auf die über das Vorgehen gegen die Juden in Rom und in Ungarn. Man misstraute ihm, er galt als „zu gut“. Später wurden seine Materialien als derartig geheim eingestuft, dass nicht einmal ein Dutzend Personen Zugriff darauf hatte und die Informationen nicht effektiv genutzt werden konnten. Dabei gab es keinen Anlass, an Kolbes Integrität zu zweifeln. Das NS-System lehnte er konsequent ab. 

Am 25. September 1900 in Berlin geboren, wurde er nach verschiedenen Auslandsverwendungen 1941 Mitarbeiter des Sonderbotschafters Karl Ritter, des Verbindungsmannes des AA zum Oberkommando der Wehrmacht. Damit hatte Kolbe Zugriff auf die entsprechenden Unterlagen. „Mein Wunsch war es, den Krieg zu verkürzen“, erklärte er einmal, den „Vorwurf des Verrats“, habe er „überwunden“. Nie nahm er Geld für seine Dienste. Die Befreiung vom NS-Regime konnte seiner Meinung nach nur von außen erfolgen. Ideen, aktiv tätig zu werden, etwa durch Aufstellung einer „Volksmiliz“, die landende US-Fallschirmjäger unterstützen sollte, redete ihm Dulles aus – als Spion war er ihm nützlicher.

Unentdeckt bis zum Ende, fand Kolbe im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik kein Unterkommen mehr, als einstiger Top-Agent der Amerikaner war er nicht gut gelitten. Am 16. Februar 1971 ist er in Bern gestorben. Offizielle Würdigungen erfolgten erst nach der Jahrtausendwende. So wurde 2004 im Andenken an Kolbe unter dem damaligen Minister Joseph Fischer im AA ein Sitzungssaal nach ihm benannt.