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19.02.21 / Atomstreit Iran Unter Trump sind die USA aus dem Atomabkommen ausgestiegen. Der Iran fühlt sich nun auch nicht mehr an das Abkommen gebunden. Wie reagieren darauf die USA unter ihrem neuen Präsidenten? / Joe Biden steht vor der Wahl / Ein präventiver Militärschlag Israels droht ebenso wie ein offener Krieg zwischen den USA und dem Iran

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-21 vom 19. Februar 2021

Atomstreit Iran Unter Trump sind die USA aus dem Atomabkommen ausgestiegen. Der Iran fühlt sich nun auch nicht mehr an das Abkommen gebunden. Wie reagieren darauf die USA unter ihrem neuen Präsidenten?
Joe Biden steht vor der Wahl
Ein präventiver Militärschlag Israels droht ebenso wie ein offener Krieg zwischen den USA und dem Iran
Wolfgang Kaufmann

Ende vergangenen Jahres meldeten die iranischen Medien, eine Gruppe von Abgeordneten des Parlaments in Teheran habe ein 16-Punkte-Programm zur Abstimmung vorgelegt, das sobald als möglich Gesetzeskraft erlangen solle. Dessen Punkt 5 laute: „Die Regierung ist verpflichtet, … Vorkehrungen zu treffen, um das usurpierende zionistische Regime bis 1420 zu zerstören.“ 

Ob der Antrag, Israel spätestens im Jahre 2042 unserer Zeitrechnung von der Landkarte zu tilgen, eine Mehrheit in der Madschles Schora Eslami (Islamischen Versammlung) finden wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall verleihen solche Forderungen dem jetzt wieder hochkochenden Atomstreit zwischen dem Iran und dem Westen jede Menge zusätzliche Brisanz. Dabei wollten die seit 1979 herrschenden Mullahs zunächst gar keine Nuklearwaffen entwickeln lassen. Denn es galt das Diktum des Revolutionsführers Ajatollah Khomeini, Kernforschung sei etwas zutiefst „Unislamisches“. 

1988 erklärte der zweite Mann im Staate und Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte, Ali-Akbar Hāschemi Rafsandschāni, dann jedoch zum Ende des Ersten Golfkrieges gegen den Irak, sein Land brauche die Atombombe. Dem folgten der Bau von Anlagen zur Uran-Anreicherung und die Entwicklung von Mittelstreckenraketen für den Einsatz der Massenvernichtungswaffe.

US-Ausstieg ist nicht folgenlos

Im August 2005 entbrannte im Iran ein Machtkampf zwischen Befürwortern und Gegnern der nuklearen Aufrüstung. Während der neugewählte Staatspräsident Mahmud Ahmadineschād vehement für den Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag votierte, den der Iran bereits 1968 unterzeichnet hatte, erließ die oberste politische und religiöse Instanz des Landes, Ajatollah Ali Khamenei, eine Fatwa, welche die Herstellung und den Gebrauch von Kernwaffen verbot. 

Am Ende setzten sich jedoch die Falken durch und schufen vollendete Tatsachen, indem sie die Wiederaufnahme der industriellen Uran-Anreicherung im Iran veranlassten, die im Oktober 2003 zwischenzeitlich auf internationalen Druck hin eingestellt worden war.

Das führte zu heftigen Reaktionen des UN-Sicherheitsrates und der EU sowie der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), welche die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages kontrolliert. Insbesondere wurden ab 2006 immer neue und schärfere Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängt. Ungeachtet dessen erhöhte das Land den Uran-Anreicherungsgrad im Februar 2010 auf 20 Prozent – nach Aussage des Leiters der iranischen Atomenergiebehörde AEOI, Ali Akbar Salehi, allerdings nur, um Radioisotope für medizinische Zwecke zu produzieren. Und eine derartige zivile Nutzung ist laut Artikel IV des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auch „das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien.“ Trotzdem kam es daraufhin zu weiteren Sanktionen. Deren Aufhebung erfolgte erst aufgrund des Atomabkommens von Wien vom 14. Juli 2015, in dem sich der Iran gegenüber den Atommächten China, Russland, Großbritannien, Frankreich und USA sowie Deutschland unter anderem dazu verpflichtet hatte, die Uran-Anreicherung auf 3,67 Prozent zu begrenzen.

Der Kalte Krieg könnte heiß werden 

Allerdings betrachtet Teheran diese Abmachung als obsolet, seit die USA 2018 einseitig aus dem Vertrag ausgestiegen sind. Infolgedessen erhöhte der Iran den Anreicherungsgrad zunächst wieder auf 4,5 Prozent. Und am 4. Januar dieses Jahres gab ein Sprecher des Mullah-Regimes bekannt, dass man künftig erneut gewisse Mengen des Spaltmaterials auf 20 Prozent anreichern werde. Dem vorausgegangen war eine entsprechende Entscheidung des iranischen Parlaments. Derart angereichertes Uran eignet sich im Prinzip bereits für den Bau von Atomwaffen. Als wirklich effektiv gilt aber erst ein Anreicherungsgrad von 80 bis 90 Prozent.

Teheran kann also weiterhin behaupten, seine Uran-Zentrifugen liefen nur für zivile Zwecke, während es gleichzeitig eine nicht ganz unglaubwürdige Drohkulisse aufbaut. Damit steht der neue US-Präsident Joe Biden nun vor der Herausforderung, sowohl schnell als auch angemessen handeln zu müssen. Reagiert er zu träge oder inkonsequent, droht ein präventiver Militärschlag Israels, das sich von dem iranischen Atomprogramm immer stärker bedroht fühlt. Geht Biden hinwiederum zu forsch vor, könnte aus dem seit Jahrzehnten schwelenden Kalten Krieg zwischen den USA und dem Iran urplötzlich ein heißer werden. In beiden Fällen wären die Folgen für die Golfregion und die übrige Welt dramatisch.