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26.02.21 / Reaktionen der Gesellschaft / Von der funktionalen Utopie zur gesellschaftlichen Dystopie / Die Idee, administrative Macht in den Händen von Investoren zu bündeln, stößt bislang kaum auf Widerstand. Bedenklich ist sie dennoch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-21 vom 26. Februar 2021

Reaktionen der Gesellschaft
Von der funktionalen Utopie zur gesellschaftlichen Dystopie
Die Idee, administrative Macht in den Händen von Investoren zu bündeln, stößt bislang kaum auf Widerstand. Bedenklich ist sie dennoch
Wolfgang Kaufmann

So etwas kannte man bislang nur aus populären dystopischen Science-Fiction-Filmen der 1980er und 1990er Jahre wie „RoboCop“ vom niederländischen Regisseur Paul Verhoeven: Private Hochtechnologie-Konzerne übernehmen staatliche Aufgaben und errichten dann in ihren jeweiligen Machtbereichen diktatorische Regime. Solche Sujets boten den Bürgern westlicher Demokratien reichlich Anlass zum Gruseln, während aber kaum jemand ernsthaft befürchtete, dass derlei eines Tages auch in seiner Welt Realität werden könnte. Zumal der Zusammenbruch des kommunistischen Systems ja eindrucksvoll zu belegen schien, wie gering die Chancen von Autokraten sind, Menschen dauerhaft in abgeschotteten Systemen einzusperren und zu tyrannisieren.

Dann allerdings entstand in China ein neuartiges und effektives Gesellschaftsmodell, das durch eine funktionierende Marktwirtschaft, die Nutzung modernster Technologien sowie omnipräsente staatliche Repressionsinstrumente kennzeichnet ist. Und das scheint nun neben den üblichen Abwehrreflexen auch zu Nachahmungsgelüsten zu führen. So liebäugelt man jetzt Amerika, dem angeblichen Leuchtturm der Freiheit, ebenfalls mit der Etablierung neuer Spielarten von nichtdemokratischer Herrschaft, die sofort Erinnerungen an Streifen wie „RoboCop“ wecken.

In den geplanten Innovationszonen im US-amerikanischen Bundesstaat Nevada, die künftig unter der uneingeschränkten Kontrolle von Hochtechnologiefirmen stehen sollen, sind im Prinzip zwei ganz unterschiedliche Entwicklungen denkbar. Die Menschen könnten sich gegen die Konzentration der Macht in den Händen von Unternehmern wehren und das Experiment krachend zum Scheitern bringen, wie man dies auch aus vielen der filmischen Dystopien kennt. 

Es wäre allerdings auch möglich, dass alles derart gut funktioniert, dass die Bevölkerung außerhalb auch in einem solchen privat beherrschten Gemeinwesen leben möchte. Ein entsprechender Wunsch könnte durch Meinungsmanipulation seitens der Technologiekonzerne und der von diesen gesponserten Medien verstärkt werden. 

Kürzlich erschien im Berliner „Tagesspiegel“, dessen Verlag inzwischen bereits 550.000 Euro an Zuschüssen von dem US-Datenriesen Google erhalten hat, ein Artikel über das Projekt von Jeffrey Berns. Darin heißt es unter anderem, in der geplanten Privatstadt Smart City „wäre eine Seuche wie Corona vermutlich ratzfatz ausgerottet“. Angesichts solcher Verheißungen dürften die Innovationszonen so manchem Lockdown-Geplagten als das Gelobte Land erscheinen.