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26.02.21 / Corona-Hilfen / Peter Altmaier wird zum Wahlrisiko / Seit Ludwig Erhards Zeiten steht die CDU für Wirtschaftskompetenz. Diesen Ruf droht sie durch fatale Beschlüsse des Wirtschaftsministers zu verspielen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-21 vom 26. Februar 2021

Corona-Hilfen
Peter Altmaier wird zum Wahlrisiko
Seit Ludwig Erhards Zeiten steht die CDU für Wirtschaftskompetenz. Diesen Ruf droht sie durch fatale Beschlüsse des Wirtschaftsministers zu verspielen
Norman Hanert

Landesweit wächst die Verärgerung über den Bundeswirtschaftsminister. Zu Beginn des zweiten Corona-Stillstands hatte Peter Altmaier schnelle und unbürokratische Hilfe für diejenigen Branchen versprochen, die zu Schließungen gezwungen wurden. Streitereien zwischen Altmaiers Ministerium und dem Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz sowie Probleme mit einem IT-Dienstleister haben jedoch dazu geführt, dass Milliarden an Hilfsgeldern noch immer nicht ausbezahlt wurden. Mitunter warten Gastronomen, Hoteliers, Einzelhändler und Dienstleister bereits seit November auf die angekündigten „schnellen“ Hilfen.

Gleichzeitig fehlen Einnahmen, während Mieten, Pachtzahlungen, Rechnungen und Gehälter weiterlaufen. Nach Angaben des Präsidenten des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Guido Zöllick, hatten bis Mitte Februar 75 Prozent der in seinem Verband organisierten Unternehmen die Dezemberhilfen noch immer nicht gesehen.

„Nach dem desaströsen Corona-Jahr mit vier Monaten Lockdown sind die Konten unserer Betriebe leer. Wegen der verzögerten Hilfszahlungen und der fehlenden Öffnungsperspektiven nehmen Verzweiflung und Existenzängste in der Branche dramatisch zu“, so Zöllick. Nach Angaben der Dehoga bangen mittlerweile zwei Drittel der vertretenen Betriebe um ihre Existenz. Schon jetzt sind die Folgen in Deutschlands Innenstädten sichtbar.

„Während die Hilfen im Schneckentempo unterwegs sind, rasen die Insolvenzen durch die Fußgängerzonen“, so Stefan Gent vom Handelsverband Deutschland. 

Weg mit dem Holzhammer

Prekär ist auch die Lage vieler Beschäftigter. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) machte bereits auf eine wachsende Notlage von Hotelangestellten, Köchen und Kellnern aufmerksam. „Selbst 80 Prozent des Nettolohns ab dem siebten Monat Kurzarbeit sind bei jemandem, der nur knapp über dem Mindestlohn verdient, zu wenig, um Rechnungen oder die Miete zu bezahlen“, so der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler.

Für weiteren Verdruss sorgt, dass viele Gastronomen und Einzelhändler in Hygienekonzepte investiert haben. Doch zwölf Monate nach Beginn der Pandemie fehlt noch immer eine Öffnungsperspektive. 

Monatelang hielten Bund und Länder zudem den Inzidenzwert 50 als Zielmarke hoch. Nun sollen Handel und viele Dienstleister laut den Beschlüssen des letzten Bund-Länder-Corona-Gipfels erst öffnen, wenn der Inzidenzwert mehrere Tage stabil unter 35 liegt. 

Der Hauptgeschäftsführer des Mittelstandverbunds ZGV, Ludwig Veltmann, sprach sich gegenüber dem „Handelsblatt“ stattdessen für ein gezieltes Bekämpfen des Infektionsgeschehens aus: „Weit zielführender als weiterhin den Holzhammer des Lockdown und eine statistische Durchschnittszahl zu bemühen, wäre doch jetzt endlich ein Schwenk mit voller Kraft auf die Schnelltests mit digitaler Erfassung der Ergebnisse.“

Der schlechten Lage vieler Unternehmen entsprach die Stimmung im Vorfeld des Corona-Wirtschaftsgipfels, zu dem Altmaier Mitte Februar geladen hatte. Per Video zugeschaltet waren mehr als 40 Wirtschaftsverbände. Zwar hatte Altmaier versucht, die Wogen bei der als „Beschwichtigungsgipfel“ und „Trostgipfel“ verspotteten Veranstaltung zu glätten. Dies gelang dem Bundeswirtschaftsminister aber nur zum Teil. Im Verhältnis zwischen dem CDU-Politiker und Vertretern der deutschen Wirtschaft ist mittlerweile eine starke Entfremdung eingetreten.

Lahme Allzweckwaffe

Der Saarländer gilt als politischer Vertrauter, mitunter auch als „Allzweckwaffe“ oder „Ein-Mann-Armee“ Angela Merkels. Nachdem die Kanzlerin 2012 Norbert Röttgen nach seinem Wahldebakel in NRW als Umweltminister entließ, machte sie Altmaier zum Nachfolger. Analog wurde Altmaiers Ernennung zum „Flüchtlingskoordinator“ im Herbst 2015 als Zeichen von Merkels Unmut über den damaligen Innenminister Thomas de Maizière gewertet. Der Eingewechselte agierte aus Sicht vieler Kommentatoren nicht erfolgreicher als die in Ungnade gefallenen Röttgen und de Maizière.

Die Bewertungen Altmaiers als Umweltminister, „Flüchtlingskoordinator“ und nun als Wirtschaftsminister reichten vom sich verzettelnden „Überadministrator“ über „Fehlbesetzung“ bis zum „Totalausfall“. Deutlich fiel auch die Bewertung durch den Verband deutscher Familienunternehmen aus. Als der Verband 2019 seinen 70. Geburtstag feierte, gehörte Altmaier nicht zu den geladenen Gästen.

„Wir haben diesmal andere Redner, von denen sich die Unternehmer besser vertreten fühlen“, so eine Sprecherin des Verbandes. Mittlerweile gibt es Anzeichen, dass selbst Merkel die Geduld mit ihrem langjährigen Gefolgsmann verliert. Wie „Bild“ berichtet, soll sich die Kanzlerin in interner Runde „schwer verärgert“ gezeigt haben. Sie „verstehe nicht, warum das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium es immer noch nicht hinbekommen haben mit den Hilfen“ und dort „immer noch programmiert werden muss“.