19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.03.21 / Zwischenbilanz / Von Brexit-Chaos keine Spur / Der EU-Austritt brachte dem Handel zwar einige Beeinträchtigungen, dennoch läuft es an den Grenzen besser als erwartet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Zwischenbilanz
Von Brexit-Chaos keine Spur
Der EU-Austritt brachte dem Handel zwar einige Beeinträchtigungen, dennoch läuft es an den Grenzen besser als erwartet

Kilometerlange Lastwagenstaus an Grenzübergängen, leere Supermarktregale wegen fehlender Importe, stark steigende Preise, gar ein Zusammenbruch der britischen Wirtschaft: Was wurden nicht alles für Horrorszenarien zum Brexit an die Wand gemalt. Doch die Schreckvisionen sind wie Seifenblasen zerplatzt. Beim endgültigen Brexit zum Jahreswechsel hat es keinen Rumms gemacht, die Wände haben nicht gewackelt, sondern es hat allenfalls hier und dort ein wenig geruckelt, als die britische EU-Mitgliedschaft endgültig endete. Das Königreich ist aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion ausgetreten. Es wurden Zollkontrollen eingeführt, doch am Hafen in Dover gab es fast keine Staus. Zwar klagen viele Händler über mehr Bürokratie durch Zollerklärungen, die sie trotz des Freihandelsabkommen jetzt ausfüllen müssen. 

Doch zu einem Zusammenbruch des Handels, vor dem manche warnten, ist es nicht gekommen. Deutsche Mittelständler, die mit dem Inselreich Handel treiben, berichten davon, dass ihre Kosten um etwa zwei bis drei Prozent gestiegen seien. Aus Sicht der Briten haben aber die EU-Länder einige Schikanen eingeführt. Dieser Vorwurf kam auf, als französische und niederländische Zöllner britischen Lastwagenfahrern sogar ihre Schinken-Sandwiches konfiszierten, weil der Import von Fleisch ohne Veterinärzertifikat nicht erlaubt sei. Für die Agrar-Exporteure bringt der Brexit einige neue Probleme, die sie zuvor nicht gekannt hatten. Unerwartet hart sind Fisch- und Meeresfrüchte-Händler betroffen. Sie können ihre Waren jetzt schlechter in die EU liefern. Die Regierung in London hat daraufhin einen Hilfsfonds mit 20 Millionen Pfund eingerichtet. 

Problemfall Nordirland 

Angespannt ist die Situation in Nordirland. Britische Exporteure müssen an der Seegrenze zu Nordirland jetzt Zollkontrollen über sich ergehen lassen, so will es das Nordirlandprotokoll des Brexit-Vertrags. Einige Firmen haben daher den Handel eingestellt. In Supermärkten in Belfast oder Derry/Londonderry werden einige halbleere Regale gemeldet. Irische Nationalisten und Republikaner hoffen, dass der Ärger über diese Situation Wasser auf ihre Mühlen sein wird und dass Nordirland eines Tages der Republik Irland beitreten wird. Zu den Problemen in Schottland kommt somit für Boris Johnsons Regierung auch neue Unruhe auf der irischen Insel.

Davon abgesehen hat sich das Interesse an Brexit-Diskussionen in Großbritannien insgesamt aber weitgehend gelegt. Das Erdbeben, das manche erwarteten, blieb aus. Zumindest wird alles überlagert von der Corona-Rezession. Weil sich die Wirtschaftsaussichten nun aber wieder bessern, hat das britische Pfund erstaunlicherweise deutlich zugelegt und notiert so stark wie seit drei Jahren nicht gegenüber dem US-Dollar. Auch dies zeigt, dass die internationalen Märkte die britische Wirtschaftskraft keineswegs abgeschrieben haben. C.H.