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05.03.21 / Corona / Berlins Amtsärzte fordern Kurswechsel / Kritik zielt ins Herz der bisherigen Lockdown-Rechtfertigung: den Inzidenzwert der Positivtestungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Corona
Berlins Amtsärzte fordern Kurswechsel
Kritik zielt ins Herz der bisherigen Lockdown-Rechtfertigung: den Inzidenzwert der Positivtestungen

Es ist ein Paukenschlag: Die Amtsärzte aller zwölf Berliner Bezirke drängen beim Senat auf einen Strategiewechsel in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. In einem Brief an die Senatskanzlei schreiben die Mediziner, es sei „nicht zielführend, Eindämmungsmaßnahmen an Inzidenzen von 20/35/50 zu koppeln“. Aus Sicht der Amtsärzte bilden diese Inzidenzen „nicht das wirkliche Infektionsgeschehen ab“. 

Altersgruppen seien entscheidend

Abhängig sind die Inzidenzen laut den Amtsärzten von Testkapazitäten und dem Testwillen der Menschen. Folge seien „Schwankungen, die nicht die infektiologische Lage widerspiegeln“. Es sei ein Unterschied, ob Inzidenzen durch Schwerpunkt-Ausbrüche an einem Ort oder breite Durchseuchung zustande kämen. Ebenso entscheidend sei, welche Altersgruppen infiziert seien, so die Mediziner in ihrem Schreiben. Ein „großer Unterschied“ besteht aus Sicht der Amtsärzte darin, ob bei einer Inzidenz von 50 (Positivtestungen pro 100.000 Einwohnern) vor allem Risikogruppen betroffen sind, oder ob alle Menschen über 80 bereits durchgeimpft seien oder es sich bei den Infizierten um Kinder ohne Symptome handelt.

Dementsprechend sollten die politischen Maßnahmen ausgerichtet werden: Die Amtsärzte befürworten einerseits „intensive Maßnahmen der Infektionsprävention“ für Alte und Kranke. Gleichzeitig aber sollten die Maßnahmen für andere Gruppen, etwa für Schulkinder, abgemildert werden.

Kritik äußern die Ärzte insbesondere an Strategien wie „NoCovid“. Unter diesem Schlagwort hatte eine Gruppe von Wissenschaftlern im Februar einen Plan für Corona-freie „grüne Zonen“ in Europa vorgestellt. In diesen Zonen sollten Beschränkungen des Alltagslebens aufgehoben werden, wenn örtlich die Pandemie unter Kontrolle ist. 

Ablehnung für „NoCovid“

Menschen aus „roten Zonen“ mit weiterhin hohen Inzidenzwerten würden dagegen weiter strengen Pandemie-Maßnahmen unterworfen. Die Berliner Amtsärzte vertreten die Meinung, dass solche Konzepte „den Lebenswirklichkeiten nicht gerecht“ würden und auch Fragen der öffentlichen Gesundheit völlig außer Acht ließen.

Nicolai Savaskan, einer der zwölf Amtsärzte, äußerte sich inzwischen auch zur Frage der Schnelltests. Der Leiter des Gesundheitsamts Neukölln plädiert dafür, die Tests zum Selbermachen kostengünstig abzugeben. „Also quasi fast kostenlos, ähnlich wie bei Rezeptgebühren. Sonst schaffen wir soziale Unterschiede der Bewegungsfreiheiten“, so Savaskan, der seit Anfang vergangenen Jahres Amtsarzt in dem Bezirk mit 330.000 Einwohnern ist. 

Sobald genug Tests zum Selbermachen zur Verfügung stehen, soll es nach Meinung von Savaskan klare Konzepte geben: „Der Lockdown zerrt an den Nerven. Wenn man die Selbstverantwortung fördert und den Sinn dieser Maßnahmen für mehr Freiheiten kommuniziert, dann wird das auch angenommen.“ N.H.