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05.03.21 / Treffen in Sotschi / Die letzten ziemlich guten Verbündeten / Nach Massenprotesten in Weißrussland und Russland – Lukaschenko kam nicht nur als Bittsteller

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Treffen in Sotschi
Die letzten ziemlich guten Verbündeten
Nach Massenprotesten in Weißrussland und Russland – Lukaschenko kam nicht nur als Bittsteller
Manuela Rosenthal-Kappi

Als Alexander Lukaschenko vor einem halben Jahr Wladimir Putin besuchte, stand sein politisches Schicksal unter keinem guten Stern. Massenproteste gegen das Wahlergebnis der Präsidentenwahl vom August 2020, bei der Lukaschenko offiziell 80 Prozent der Stimmen holte und die Opposition ihm massive Wahlfälschung vorwarf, ließen den Kreml von seinem hitzköpfigen Verbündeten abrücken. Moskau forderte politische Reformen von ihm sowie Neuwahlen. Es sah so aus, als wolle Russland den seit 26 Jahren regierenden Autokraten loswerden. 

Der erklärte sich jedoch nur zögerlich zu den geforderten Reformen bereit und spielte auf Zeit. Am 22. Februar traf er seinen „Freund-Feind“ Putin unter besseren Voraussetzungen: Mit äußerster Härte war es ihm gelungen, die Opposition zu unterdrücken. Er erklärte die aktuellen Demonstrationen in Russland zur Fortsetzung der weißrussischen Proteste. Mit seiner unbeugsamen Haltung machte er Putin vor, wie man „mit den von westlichen Puppenspielern befohlenen Orangenen Revolutionen“ fertigwird. Augenblicklich folgt Putin offenbar diesem Muster.

Erfolgreiche Verhandlungen

Sotschi war eine gute Gelegenheit für Lukaschenko, seine Position gegenüber Moskau zu festigen. Das Referendum zur Verfassungsänderung soll erst Anfang 2022 stattfinden, und wann Neuwahlen angesetzt werden, ließ Lukaschenko offen. Dem konnte Putin kaum etwas entgegensetzen. Batka, das Väterchen, wie Lukaschenko zu Hause genannt wird, hatte ihm schließlich bewiesen, dass es auch ohne Referendum geht. Bis zum Februar 2022 wurden die Sanktionen des Westens gegen weißrussische Regierungsmitglieder verlängert. Also bleibt Zeit, die Beziehungen zum einzigen Verbündeten in Europa zu verbessern.

In freundschaftlicher Stimmung konnte Lukaschenko Putin die Zusage für einen Sofortkredit in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar abringen sowie den Bau des lange geplanten Weißrussischen Atomkraftwerks und die Öffnung des russischen Marktes für weißrussische Produkte. Mit frischem Geld aus Moskau konnte Lukaschenko in der Vergangenheit sein Volk stets in Schach halten. 

Im Gegenzug sagte Lukaschenko zu, Warenlieferungen künftig über russische statt über litauische und lettische Häfen abwickeln zu wollen. Eine Zusage, auf die Putin schon seit sieben Jahren hingearbeitet hatte. Bislang wickelte Weißrussland seine Öl- und Kalilieferungen über die eisfreien Häfen im Baltikum ab, zumal diese wegen der kürzeren Wege und den zuverlässigen europäischen Standards punkten konnten. Seit Litauen und Lettland aber die weißrussische Opposition unterstützen und dem Stab der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja in Wilna Asyl gewährt wurde, dürfte ihm diese Entscheidung nicht schwergefallen sein. Er bekräftigte, dass er den Weg des „Mulitvektorismus“, das heißt, die Ausrichtung auf den Westen und Russland, verlassen und wieder die besonderen Beziehungen zur Russischen Föderation pflegen werde.

Die nach außen demonstrativ gezeigte Stärke und Zuversicht der „letzten ziemlich guten Verbündeten“ im Osten Europas kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für beide bald schon eng werden könnte. 

Putin hat sich mit der Verhaftung Alexej Nawalnyjs neue Feinde geschaffen und seinen Gegner zu einer Art moralischer Instanz erhoben, die selbst eingefleischte Putin-Anhänger zu „Nawalisten“ werden lässt. Umfragewerte untermauern diesen Trend. Die verzweifelte Art und Weise, mit der Putin Oppositionelle verfolgt, weist Parallelen zum ungeschickten Agieren des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch auf. Seinem Sturz 2014 war die Verhaftung der pro-westlichen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko vorausgegangen, die damit zur Märtyrerin und Symbolfigur wurde. Zwar hat Nawalnyj sich selbst zum Märtyrer erkoren, doch zwingt der Umgang der Regierung mit ihm viele Russen, Stellung zu beziehen. 

In Putins wie auch in Lukaschenkos Reich trägt die Opposition ein junges Gesicht. Im Gegensatz zu älteren Generationen hat die Jugend sich modernisiert, sie ist international vernetzt und lässt sich nicht mehr einschüchtern. 

„Im Frühling ist er weg“

Lukaschenkos Sieg gegen die Opposition ist nur ein vorläufiger. So sieht es jedenfalls die im Exil lebende verhinderte Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaja. Sie sagt selbst, dass die Opposition zurzeit die Straße verloren habe. Die Demonstranten hätten keine Möglichkeit, gegen die Gewalt des Regimes vorzugehen. Aber die Opposition sei dabei, „Strategien für zukünftige Kämpfe“ zu entwickeln. Die Strategie sei, solange Druck auf die Regierung auszuüben, bis die Leute ihn mit einer neuen Protestwelle stürzen könnten. „Ich denke, im Frühling ist er weg“, sagt sie im Interview. Sie zählt auf die Unterstützung des Westens, verlangt schärfere Sanktionen gegen Lukaschenko von der EU. Sie befinde sich in ständigem Kontakt mit den Regierungschefs westlicher Länder und insbesondere mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden.

Das dürfte ganz im Interesse Bidens sein. Er hat bereits einen härteren Kurs gegenüber Russland angekündigt. Möglich, dass er die Opposition in Weißrussland unterstützen wird, um einen Sturz Lukaschenkos herbeizuführen und Russlands Einfluss einzudämmen. Mit Umstürzen hat er bereits Erfahrung. Als US-Vizepräsident unter Barack Obama war Biden 2014 für die Ukraine-Politik der USA verantwortlich.