26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.03.21 / Kolumne / Abschied vom freien Markt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Kolumne
Abschied vom freien Markt
Florian Stumfall

Man muss nicht unbedingt die auf unabsehbare Zeit das Leben bestimmenden, völlig willkürlichen Einschränkungen von Grund­rechten im Namen der Volksgesundheit ins Feld führen, wenn man einen seit Jahren anhaltenden autoritären Zug der deutschen Politik nachweisen will. Diese Entwicklung ist zunächst an scheinbar kleinen Einzelheiten bemerkbar, welche das wirtschaftliche Leben betreffen. Da aber eine ökonomische Ordnung aufs engste mit der politischen zusammenhängt, greift eins ins andere über, und aus der Reglementierung der Wirtschaft wird sehr schnell ein politisches Befehlssystem.

So stellte die geraume Zeit zurückliegende, von der Kanzlerin Angela Merkel erlassene, marktwidrige Verfügung, das sogenannte Bio-Benzin einzuführen, nur einen ersten Schritt dar. Es ist nicht Aufgabe des Staates, bestimmte Produkte einzuführen. Das macht in einer freien Wirtschaft der Markt, das heißt, im Endeffekt der Verbraucher durch seine Nachfrage. Jetzt aber, da von Bio-Benzin niemand mehr redet und jeder damit fährt, und nach einer Phase der Verdammung von Dieselmotoren kommt der nächste Schritt: das Elektroauto. 

Schon gibt es staatliche Vorgaben, wie viel Prozent der Personenkraftwagen bis zu welchem Zeitpunkt elektrisch angetrieben werden sollen. Von der Sinnhaftigkeit einer solchen Regel, Kernenergie und Kohlekraftwerke abzuschaffen und gleichzeitig einen immensen Bedarf an Strom hervorzurufen, einmal ganz abgesehen – es ist nicht Sache eines freiheitlichen Staates, der Wirtschaft Weisung zu erteilen. Das war Kennzeichen des real existierenden Sozialismus, und wo es lange genug betrieben wird, führt es auch wieder dorthin.

Staatseingriffe in die Wirtschaft

Die sozialistische Morgenröte ist denn auch bereits am Horizont erkennbar. Die Grünen in Hamburg, die das Geschäft mit Hammer und Sichel längst so virtuos beherrschen wie die Roten aller Schattierungen, treten dafür ein, den Bau von Einfamilienhäusern in der Stadt zu verbieten. Dieser Ausdruck eines bürgerlichen Lebensentwurfs widerspricht ihren Vorstellungen von der egalitären Organisation einer Gesellschaft, wie sie in Plattenbauten sehr viel besser zum Ausdruck kommt.

Was den Hamburgern recht ist, ist den Berliner Grünen billig. Es ist kein Zufall, dass hier wieder einmal vom Auto die Rede ist, genauer gesagt vom privaten Personenkraftwagen. Einen solchen in Betrieb zu setzen, so planen die Grünen in der Bundeshauptstadt, soll den Bürgern vorerst zwölfmal im Jahr gestattet werden, später dann sechsmal, wobei jeweils gute Gründe für die Fahrt angegeben werden müssten. Das hat nicht einmal die DDR fertiggebracht. 

Auf jeden Fall würde neben der unmittelbaren Wirkung, eine Nation in Bewegungslosigkeit festzuhalten, noch ein Zweites erreicht, nämlich der Ruin der deutschen Automobilindustrie und im Gefolge ein Absturz des Wirtschaftslebens in diesem Land bis auf das Nachkriegsniveau. Sage niemand, daran gebe es kein Interesse! Für jeden bankrotten Betrieb findet sich ein ausländischer Investor, der übernimmt.

Diese Beispiele zeigen Angriffe aus der Ecke des Sozialismus auf die Soziale Marktwirtschaft. Damit aber hat es sein Bewenden noch lange nicht. Denn wo hier der Staat ordnungswidrig Belange des Marktes übernimmt, gibt er anderswo Hoheitsrechte an die Wirtschaft ab. Das jüngste Beispiel betrifft die Zustelldienste, die Pakete austragen. Ein neues Gesetz sieht vor, das Personal dahingehend zu verpflichten, dass es bei dem Verdacht, ein Paket könne Drogen, Waffen oder sonst schädliche Konterbande beinhalten, dieses öffnet und den Inhalt kontrolliert. 

Das bedeutet zunächst einmal eine Verletzung des Grundgesetzartikels 10, der das Fernmeldegeheimnis garantiert, und ebenso der Paragraphen 202 und 206 des Strafgesetzbuches, das Post- und Fernmeldegeheimnis betreffend. Nun ist zwar Merkels kreativer Umgang mit dem Recht längst bekannt, dennoch liegt hier ein Fall eigener Art vor. Das neue Gesetz ist nämlich strafbewehrt, mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro. Wenn dies auch dem Unternehmen und nicht dem Paketboten dräut, so steht dieser doch unter einem gewaltigen Druck, der ihn dazu veranlasst, einmal zu oft als einmal zu wenig hinzulangen. Denn der Bruch von Verfassung und Strafgesetz bleibt für ihn ohne Folgen, Ärger bekommt er nur, wenn er sich an die Rechtslage hält.

Privatisierung von Staatsaufgaben

Doch damit ist es immer noch nicht getan. Denn die neue Bestimmung verlagert Hoheitsaufgaben der Polizei, nämlich für die innere Sicherheit zu sorgen, auf dafür weder ausgebildete noch legitimierte Privatpersonen. Wenn beim Sozialismus die Wirtschaft verstaatlicht wird, so kommt es hier zu einer Privatisierung von Hoheitsrechten. Das ist derselbe Vorgang wie beim unseligen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Auch hier wird es den privaten Betreibern von Internetportalen übertragen, mit der Zensur von Texten hoheitliche Aufgaben zu übernehmen. Diese sonderbare Gepflogenheit erreicht ihren Höhepunkt bei „Handelsabkommen“ wie TTIP, die vorsehen, dass eine Rechtsprechung auf privater Basis, nämlich durch Rechtsanwaltskanzleien, Staaten auf Schadensersatz nicht nur verklagen, sondern in der eigenen Sache auch Urteile sprechen kann. Das ist die Privatisierung des Gerichtswesens auf internationaler Bühne. 

Was aber haben die scheinbar gegenläufigen Entwicklungen miteinander gemein? Denn hier treffen einander der Sozialismus, bei dem der Staat die Wirtschaft reglementiert, und der Kapitalismus, unter dessen Flagge die Hochfinanz die Politik diktiert. Zunächst einmal haben sie beide denselben ordnungspolitischen Gegner: die Marktwirtschaft, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Politik regiert und der Markt im Rahmen der Gesetze für die Wirtschaft zuständig ist. Hochfinanz und Sozialismus lehnen beide den Wettbewerb ab, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik. Wer von beiden seine spezielle Auffassung wird verwirklichen können, soll sich erst zeigen, wenn die letzten freiheitlichen Ordnungen verschwunden sind.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.