18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.03.21 / Der König des Tangos / Der Johann Strauß von Argentinien, aber auf „tangoisch“ – Vor 100 Jahren wurde Astor Piazzolla geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Der König des Tangos
Der Johann Strauß von Argentinien, aber auf „tangoisch“ – Vor 100 Jahren wurde Astor Piazzolla geboren
Andreas Guballa

Der argentinische Komponist Enrique Santos Discépolo fasste den Tango in die vielzierten Worte zusammen: „Ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann.“ Schmerzlich und schön, geheimnisvoll und leidenschaftlich – Tango ist mehr als Musik, mehr als Bewegung.

Tango ist so charakteristisch wie ein Wiener Walzer oder ein ungarischer Csárdás – aber eben viel heißer. Der größte Meister der Tango-Musik, gewissermaßen der Tango-König, ist Astor Piazzolla. Er brach mit den Regeln des traditionellen Tangos und brachte die volkstümliche argentinische Musik in die internationalen Konzerthäuser. Der legendäre argentinische Komponist und Bandoneon-Spieler wäre am 11. März 100 Jahre alt geworden.

Der Tango war für den jungen Piazzolla keine Liebe auf den ersten Blick. Als Sohn italienischer Einwanderer in Buenos Aires geboren, wuchs er in New York auf, wo er im Alter von sechs Jahren sein erstes Bandoneon von seinem Vater geschenkt bekam. Den Tango, mit dem dieses Instrument in Verbindung stand und den der Vater über alles liebte, mochte der Junior aber gar nicht. Vielmehr entdeckte er bald die klassische Musik für sich, vor allem die Kompositionen Johann Sebastian Bachs, die ein Pianist in der Nachbarschaft täglich spielte. Und er begeisterte sich für die Big-Band-Hits von Duke Ellington, George Gershwin und Benny Goodman. 

Wegbereiter des „Tango Nuevo“

Tango, Bach, Jazz – das sollten die Inspirationsquellen für den Musiker Piazzolla werden, dem das Bandoneon schließlich doch ans Herz wuchs. Als er 16 Jahre alt war, kehrte er mit seiner Familie nach Buenos Aires zurück, nahm Kompositionsunterricht bei seinem Landsmann Alberto Ginastera, später bei Nadia Boulanger in Paris. Zunächst verschwieg er ihr, dass er bereits mehrere Tangos komponiert und gespielt hatte und präsentierte ihr seine klassischen Kompositionen, die von Ravel, Bartók und Strawinsky beeinflusst waren. 

Boulanger war aber letztlich diejenige, die Piazzolla darin bestärkte, weiterhin Tangos zu komponieren, da seine eigene Handschrift in diesen Werken besonders gut zur Geltung komme. Als Piazzolla ein Jahr später nach Argentinien zurückkehrte, begann er eine Neuinterpretation des Tangos – den kammermusikalischen „Tango Nuevo“ – und gilt seitdem als der Erneuerer des traditionellen Tango Argentino. Er veränderte dabei Rhythmik, Harmonik und Tempi. Hinzu kamen Elemente der argentinischen Folklore, der Barockmusik, der Neuen Musik und des Jazz. Selbst Pop und Rock klingen zuweilen diskret durch.

Und dennoch verlor Piazzollas „Tango Nuevo“ nie die sinnliche Melancholie und die temperamentvolle Energie, die tänzerische Dramatik und die vibrierende Erotik des traditionellen Tangos. Für diesen neuen Kompositionsstil stieß er zunächst auf große Kritik, da viele Argentinier ihre Nationalmusik in Gefahr sahen. Grund dafür war die Tatsache, dass der Großteil seiner rund 300 Tango-Kompositionen nicht tanzbar sind, zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Sie fordern vielmehr zum konzentrierten Hören auf.

Davon unbeeindruckt, blieb Piazzolla seinem unverkennbaren Stil treu und erlangte Ende der 1960er Jahre breite Popularität. Obwohl – oder gerade weil – Piazzollas Musik in keine stilistische Schublade passt, hat sie nichts an ihrer magischen Anziehungskraft verloren und besitzt auch heute einen festen Platz im Repertoire zahlreicher Tango-, Jazz- und Klassik-Ensembles. Astor Piazzolla, der während der argentinischen Militärdiktatur überwiegend in Italien lebte, starb am 4. Juli 1992 in Buenos Aires an den Folgen eines Gehirnschlages.

Anlässlich des Geburtstages der argentinischen Tango-Legende veröffentlichen die Brüder Claudio und Oscar Bohórquez zusammen mit Piazzollas Weggefährten Gustavo Beytelmann das Album „Piazzolla: Patagonia Express“. Das Trio greift nicht nur das musikalische Erbe Piazzollas, sondern auch das von Beytelmann komponierte Repertoire auf und führt den Hörer so in die leidenschaftliche und geheimnisvolle Welt des Tangos.





Piazzolla im Fernsehen und seine Musik in Konzerten

„Astor Piazzolla, Tango Nuevo“: Filmporträt von Daniel Rosenfeld mit bisher unveröffentlichten Dokumenten und Interviews, 29. März um 0.50 Uhr auf ARTE (vom 11. bis 27. Mai in der Mediathek).

Vorbehaltlich der aktuellen Corona-Restriktionen soll am 13. März um 20 Uhr in der Elbphilharmonie Hamburg das Konzert „Astor Piazzolla zum 100. Geburtstag“ mit Arabella Steinbacher (Violine), Martynas Levickis (Akkordeon) und dem Aurora Orchestra stattfinden. 

Internet: www.elbphilharmonie.de

5. Mai um 19.30 Uhr im Prinzregententheater München: „Le Grand Tango“ mit Lothar Hensel (Bandoneon), Alexandre Vay (Violoncello) und dem Münchner Rundfunkorchester unter Alondra de la Parra. www.rundfunkorchester.de 

14. und 15. Mai jeweils um 16 und 19.30 Uhr im Kurgastzentrum Bad Reichenhall: „TANGO!“ mit Omar Massa (Bandoneon). Karten ab 14 Euro unter: www.bad-reichenhaller-philharmoniker.de