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05.03.21 / Rosa Luxemburg / Gallionsfigur für Deutschlands postsowjetische Kommunisten / Die Agitatorin, Theoretikerin und KPD-Mitbegründerin widersprach auch den eigenen Genossen. Vor 150 Jahren wurde sie im polnischen Zamość geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Rosa Luxemburg
Gallionsfigur für Deutschlands postsowjetische Kommunisten
Die Agitatorin, Theoretikerin und KPD-Mitbegründerin widersprach auch den eigenen Genossen. Vor 150 Jahren wurde sie im polnischen Zamość geboren
Erik Lommatzsch

Konsequenz und Ideale wird man Rosa Luxemburg kaum absprechen können. Vor Augen hatte sie ­– um es mit den Worten der ausgewiesenen Kennerin der Geschichte der Arbeiterbewegung Helga Grebing zu sagen ­– „die gleichberechtigte sozialistische Völkergemeinschaft ohne Nationalismus und Chauvinismus; sie kämpfte für die politischen Freiheitsrechte des Proletariats“ und „glaubte an die schöpferische Kraft der Massen“. 

Sozialistische und bürgerliche Demokratie waren für Luxemburg grundverschiedene Dinge. Letztere betrachtete sie lediglich als Überbau eines kapitalistischen Systems. Grenzen und Widersprüche werden beispielhaft deutlich, wenn Grebing auf das von Luxemburg entworfene Programm für die zur Jahreswende 1918/19 entstandene KPD zu sprechen kommt, „dessen Kern die Forderung nach absoluter Gewaltlosigkeit enthielt; Gewalt sollte nur gegenüber der Gegenrevolution legitim sein“.

Vor 150 Jahren, am 6. März 1871, wurde Luxemburg in der damals zu Kongresspolen gehörenden Stadt Zamość geboren. Sie war das fünfte und jüngste Kind eines jüdischen Holzhändlers. Die Eltern sympathisierten mit der polnischen Nationalbewegung. 1873 siedelte die Familie nach Warschau über. Luxemburg besuchte dort das Mädchengymnasium und galt als ausgezeichnete Schülerin. Frühzeitig in revolutionären Kreisen engagiert, sah sie sich 1889 durch eine drohende Verhaftung genötigt, in die Schweiz zu gehen. Ihr Studium in Zürich schloss sie 1897 mit der Dissertation „Die industrielle Entwicklung Polens“ ab.

Nicht frei von Widersprüchen

Während der Zeit in der Eidgenossenschaft betätigte sie sich mit ihrem Freund Leo Jogiches führend in der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königreichs Polen“, der sie auch später eng verbunden blieb. 1898 siedelte Luxemburg nach Berlin über. Zuvor hatte sie pro forma einen deutschen Staatsbürger geheiratet. Persönlich eng verbunden war sie auch Kostja Zetkin, dem Sohn der kommunistischen Frauenrechtlerin Clara Zetkin, sowie dem 1917 gefallenen Arzt Hans Diefenbach.

Sie schloss sich der SPD an und vertrat dort den linken Flügel. In Reden und Publikationen befasste sie sich mit sozialpolitischen und wirtschaftlichen Fragen. Sie fuhr in die östlichen Grenzgebiete, um bei den polnischen Landarbeitern für ihre Sache zu werben. 1906 war sie einige Monate inhaftiert, weil sie in Warschau an Demonstrationen teilgenommen hatte. Bereits 1904 war sie in Zwickau wegen Majestätsbeleidigung zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Sie hatte behauptet, der Kaiser habe „keine Ahnung“ von der Lage der Arbeiter.

Luxemburg arbeitete als Redakteurin beim „Vorwärts“ und war Dozentin an der SPD-Parteischule in Berlin, sie reiste zu Parteitagen und Internationalen Sozialistenkongressen. Als Hauptwerke werden das 1913 veröffentlichte Buch „Die Akkumulation des Kapitals“ und die erst nach ihrem Tod erschienene „Einführung in die Nationalökonomie“ angesehen. Mit ihrer Einstellung zum Massenstreik, für den sie sich vehement aussprach, stand sie in ihrer Partei an der Seite von Karl Liebknecht und Franz Mehring, allerdings gegen andere prominente Sozialdemokraten wie etwa Karl Kautsky. 

Frühzeitig versuchte sie die eigenen Genossen für den Kampf gegen die von ihr ausgemachte Kriegsgefahr zu gewinnen, wurde dabei allerdings enttäuscht. Dies setzte sich fort, als sich die Reichstagsfraktion der SPD mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges für die Kriegskredite aussprach und Sozialdemokraten wie Gewerkschaften mittels des sogenannten Burgfriedens die Regierungspolitik unterstützten. In der – anonym veröffentlichten – „Junius-Broschüre“ von 1916 legte sie ihre Gegenposition dar.

Als Agitatorin erfuhr Luxemburg erhebliche Aufmerksamkeit. Ab Mitte Februar 1915 war sie inhaftiert. Sie hatte in einer Versammlung dazu aufgerufen, „nicht die Mordwaffe gegen unsere französischen Brüder zu erheben“. Im März 1916 entlassen, wurde sie „aus Sicherheitsgründen“ im Juli des Jahres wieder festgesetzt. Sie betätigte sich auch vom Gefängnis aus politisch. Ebenso widmete sich die sprachgewandte Frau, die stets einen bildungsbürgerlichen Lebensstil pflegte, dort ihren anderen, breitgefächerten Interessen wie Literatur, Zoologie und Botanik. 

Kritik am Bolschewismus

Der Politologe Iring Fetscher unterteilte die Schriften Luxemburgs, die fast alle „im Dienste der Emanzipationsbewegung der Arbeiterklasse“ stehen, in vier Bereiche. Ein Schwerpunkt war demnach die Auseinandersetzung mit „Reformismus“ und „Revisionismus“. Luxemburg wandte sich gegen die von Sozialdemokraten wie Eduard Bernstein vertretene Idee einer schrittweisen Veränderung der kapitalistischen Gesellschaft. Sie setzte auf Revolution. Zweitens bekämpfte sie den „Militarismus“. Drittens befasste sie sich mit Kolonialismus und Imperialismus und vertrat die These, die kapitalistische Wirtschaft müsse „immer weiter in noch nicht durchkapitalisiertes Terrain vorstoßen“. Viertens setzte sie sich mit Lenins Konzeptionen auseinander. Dort zeigte sie sich kritisch, etwa bezüglich der Abschaffung demokratischer Freiheiten, und meinte: „Der Sozialismus läßt sich seiner Natur nach nicht oktroyieren … Die ganze Volksmasse muss daran teilhaben.“ Posthum erschien die Schrift „Die russische Revolution“, in der sie diktatorisches Vorgehen anprangerte.

Im November 1918 kam Rosa Luxemburg frei. Sie sprach im Dezember auf der Generalversammlung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) und war maßgeblich an der Gründung der KPD beteiligt. Nach dem Scheitern des sogenannten Spartakus­aufstandes, dem sich die KPD angeschlossen hatte, wurde Luxemburg am 15. Januar 1919 gemeinsam mit Liebknecht abermals verhaftet. Als Verantwortliche für den revolutionären Aufstand hatte man beide ausgemacht. Unter bis heute nicht eindeutig geklärten Umständen wurden sie am selben Tag ermordet.

Obwohl offiziell und öffentlich vielfach geehrt, war das Verhältnis der DDR zu Luxemburg zwiespältig. Auf der einen Seite war sie eine der bedeutendsten Kommunistinnen Deutschlands, wenn nicht sogar der Welt. Auf der anderen Seite stand sie der Entwicklung in Sowjetrussland für einen Kommunisten äußerst skeptisch gegenüber. 

Gerade Letzteres lässt sie besonders geeignet erscheinen, jenen Kommunisten als Gallionsfigur zu dienen, die nicht für die Verbrechen des gescheiterten realexistierenden Sozialismus östlich des Eisernen Vorhangs in Haftung genommen werden möchten. Nicht umsonst führt die parteinahe Stiftung der in „Die Linke“ umbenannten SED ihren Namen. 

Nach dem Tode der beiden bedeutenden kommunistischen Köpfe Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geriet der deutsche Kommunismus immer mehr in das Fahrwasser des Sowjetkommunismus. Inwieweit Luxemburg, die bei ihrer Ermordung keine 49 Jahre alt war, das hätte verhindern können, sei dahingestellt.