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05.03.21 / 100. Todestag / Carl Warnstorf – Pädagoge und Moosforscher / Preußisches Pflichtbewusstsein, Bescheidenheit, Zielstrebigkeit und Berufung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

100. Todestag
Carl Warnstorf – Pädagoge und Moosforscher
Preußisches Pflichtbewusstsein, Bescheidenheit, Zielstrebigkeit und Berufung
Jörg Scheffelke

Carl Warnstorf wurde am 2. Dezember 1837 in dem kleinen Städtchen Sommerfeld [Lubsko] in der Niederlausitz geboren. Er war das älteste von vier Kindern. Sein Vater war ehrsamer Handwerksmeister, der sich von früh bis spät bemühte, seine große Familie zu ernähren. Man genoss eine strenge Erziehung, die aber nie beklagt wurde. Frühzeitig wurden die Kinder entsprechend ihren Möglichkeiten zur Mithilfe bei häuslichen Arbeiten herangezogen. 

In seiner Heimatstadt besuchte er die sechsstufige Stadtschule, an der in den oberen Klassen auch Latein und Französisch gelehrt wurde. Er gestand später ein, dass er sich nicht immer als Musterknabe ausgezeichnet hatte. 

Um sein Berufsziel Pädagoge zu verwirklichen, besuchte er in seiner Heimatstadt die gerade gegründete Präparandenanstalt zur Vorbereitung auf das Lehrerseminar. An diese Zeit hat er sich gerne erinnert. Konnte er doch hier sein Interesse für Musik und Naturkunde pflegen. Mit 18 Jahren gehörte er dann nach einer Prüfung mit 120 jungen Leuten zu den 30 auserwählten Seminaristen, die in Neuzelle in Brandenburg beginnen konnten. Diese Zeit war prägend und er schilderte sie sehr anschaulich. Es waren keine „Herrenjahre“, sondern eine Zeit, die von Pflichten, harter Disziplin und Entbehrungen geprägt war, alles war minutiös geplant. Auch die Musik erfüllte ihn, er spielte in einem Streichquartett und schrieb in dieser Zeit auch eigene Kompositionen. Neben der Musik beschäftigte er sich auch hier mit Botanik. Auf  vielen Spaziergängen in der Neuzeller Umgebung entwickelte er ein lebhaftes Interesse für die Pflanzenwelt, ohne sich zunächst zu spezialisieren. 

1858 endete die dreijährige Seminarzeit. Er stellte später fest, dass er „das enge Zusammenleben gleichaltriger Jünglinge, die sich wetteifernd zu einem erstrebenswerten, gemeinsamen Ziel und Beruf mit mehr oder weniger Fleiß verbunden fühlten, als Lichtseite sah“. Weniger positiv hat er die klösterliche, kasernenmäßige Zucht in der Präparandenanstalt gesehen. Auch die teilweise unwürdige, rücksichtslose Behandlung durch einzelne Lehrer und die wenig befriedigende Kost hatten sich eingeprägt. Und dennoch stellt er im Alter zusammenfassend fest, dass die Seminarzeit eine der schönsten Zeiten seines Lebens war, an die er sich immer wieder gerne erinnerte.

Schlechte Entlohnung für Lehrer

Seine erste Anstellung erhielt er von der königlichen Regierung zu Frankfurt/Oder an der Knabenschule zu Arnswalde in der Neumark. Sein erstes Gehalt betrug jährlich karge 540 Mark. Er erinnerte sich, dass während der Seminarzeit der Direktor mal geäußert hatte: „Wer von dem Lehramt etwa eine einträgliche Stellung im Leben erwartet, der erwähle den Beruf eines Volksschullehrers nicht.“ Wenn auch die Besoldung äußerst gering war, so waren es die Schülerzahlen nicht. In seiner ersten Klasse musste Warnstorf 180 sechs- bis achtjährige Knaben unterrichten. Er schreibt: „Mit jugendlichem Feuereifer und übergroßer Lebendigkeit begann ich hier nun an den Kleinen meine schwere, aufreibende Amtstätigkeit. Diese absorbierten aber während des Wintersemesters meine physischen und geistigen Kräfte derart, dass ich Ostern 1859 um Urlaub nachsuchen musste.“ 

Seine pädagogischen Fähigkeiten fielen wohl dennoch auf und er wurde bald zum Hauptlehrer und Leiter einer Nebenschule ernannt und bekam nun 720 Mark. Auf dieser Stelle blieb er bis Ostern 1867. In dieser Zeit konnte er mit einigen gleichgesinnten Kollegen ein Streichquartett gründen. Auch begann er hier mit seinen speziellen Moosforschungen.

In der Familie eines Lehrers und Küsters fand er seine zukünftige Frau Emilie Hübler, mit der er 1861 die Ehe einging. Ihm war zu dieser Zeit wohl bewusst, welch große Herausforderung dies bei dem schmalen Gehalt war. Aber mit der Unterstützung seiner Schwiegereltern und durch Nebenverdienste wie Klavierstunden und Nachhilfe im Mädchenpensionat kam man über die Runden. Dazu gründete er mit jungen Kollegen in Arnswalde eine Präparandenanstalt. 

In der Arnswalder Zeit wurden der jungen Familie vier Kinder geboren. Zu  dieser Zeit wütete in Arnswalde eine Choleraepidemie, die man hautnah erlebte. Auch der Lehrer Warnstorf erkrankte durch Leichtsinn und konnte nur durch tatkräftige Hilfe seiner Frau und nahestehender Menschen dem Tod entrinnen. Vom Militärdienst wurde Warnstorf befreit. Einerseits war er dankbar, dennoch hatte ihn die Behandlung durch den Militärarzt geärgert. 

1881 erste Veröffentlichung 

1867 erfuhr Warnstorf von einer zu besetzenden Lehrerstelle in Neuruppin mit einem Jahresgehalt von 1200 Mark. Nach geglückter Vorstellung erhielt er die Zusage, immerhin hatte er 60 Mitbewerber aus dem Feld geschlagen. Um den Belastungen durch den Schuldienst und den weiterhin erforderlichen Nebenverdienst entgegenzuwirken, begann er wieder mit seinen botanischen Ausflügen und tauchte, wie in Arnswalde begonnen, in das Thema Mooswelt ein. Und hier waren es bald die Torfmoose, die sein besonderes Interesse weckten. Schon 1881 machte er mit einer ersten Veröffentlichung die Fachwelt auf sich aufmerksam. 30 Jahre später erschien dann als Krönung seiner Forschung das zweibändige Werk „Sphagnologie universis“, das noch heute in Fachkreisen von Bedeutung ist. 

Seine Lehrertätigkeit hat er all die Jahre aber nicht vernachlässigt. Ausdruck dafür ist wohl, dass ihm bei der Pensionierung im April 1899 für seine über 40-jährige Lehrertätigkeit der Kronenorden vierter Klasse überreicht wurde. Er hatte stets treu gedient und er war immer der festen Überzeugung, dass treue, hingebende Lehrertätigkeit nicht nach Mark bewertet werden kann. 

Nach der Pensionierung konnte er sich nun noch intensiver seiner Forschungstätigkeit widmen. Er zog 1906 nach Berlin, um die wissenschaftlichen Einrichtungen und Bibliotheken besser nutzen zu können. 1914 erhielt er die in Botanikerkreisen bedeutsame Ehrung mit der Aschersohn-Plakette. Die wohl größte Ehrung für seine inzwischen national und international anerkannte wissenschaftliche Arbeit war die Verleihung des Ehren-Professoren-Titels am 2. Dezember 1917 durch den preußischen Kultusminister. Außerdem wurden nach ihm eine Gattung der Laubmoose (Drepanocladus = Warnstorfia), sowie 18 Arten benannt.

Laubmoose nach ihm benannt

Groß war in der Fachwelt die Anteilnahme und Trauer beim Ableben von Warnstorf am 28. Februar 1921. In einem erhaltenen Kondolenzschreiben heißt es: „Eine Lücke ist entstanden, viele Jüngere haben bei dem Nestor der Bryologie (Moosforschung) Rat und Hilfe bekommen. … Seine Klarheit in der Darstellung war eines seiner hervorragenden Merkmale. Seine Pünktlichkeit war ebenso wie seine klare, feste Handschrift Ausdruck seines inneren Wesens, seiner überragenden Gabe. Seine schriftlichen Hinterlassenschaften sind sichere Leitsterne auf dem schwierigen Gebiet der Mooskunde.“ Die letzte Ruhe fand er neben seiner Frau Emilie auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf, Block Schönberg, Feld 4a, auf dem auch der Grabstein erhalten geblieben ist.

Auch noch heute ist sein Werk gegenwärtig. So fand im April 1999 in Klosterheide ein erstes Mooskartierungstreffen auf den Spuren von Carl Warnstorf statt. Abschließend sei angemerkt, dass dieses Leben wohl bemerkenswert war. Von einem einfachen Volksschullehrer hatte er es durch Gabe, Fleiß und Beharrlichkeit, aber auch in Demut zu der Schöpfung und seinem irdischen Sein zu höchsten wissenschaftlichen Ehren gebracht. Und dazu war er wohl auch eine begnadete Lehrerpersönlichkeit, die noch heute Vorbild sein könnte. 

Carl Warnstorf ist der Ururgroßvater des Autors