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05.03.21 / Ein Greifenberger / Moriz Seeler zum 125. Geburtstag am 1. März / In der Theater- und Künstlerszene im Berlin der 1920er Jahre bekannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-21 vom 03. März 2021

Ein Greifenberger
Moriz Seeler zum 125. Geburtstag am 1. März
In der Theater- und Künstlerszene im Berlin der 1920er Jahre bekannt
Martin Stolzenau

Moriz Seeler stammte aus Hinterpommern, hatte eine jüdische Herkunft und erlangte in der Weimarer Republik als Schriftsteller, Theaterregisseur und Filmproduzent deutsche Bekanntheit. Er arbeitete dabei mit zahlreichen Berühmtheiten zusammen wie Else Lasker-Schüler, Arnolt Bronnen, Carl Zuckmayer, Bertolt Brecht, Billy Wilder, Friedrich Hol­laender und Günther Weisenborn, unterschätzte allerdings die Gefahr, die ihm von den Nationalsozialisten drohte, und gehörte zu den Opfern des Holocaust. 

In Berlin-Wilmersdorf erinnert eine Gedenktafel an ihn. In Wien und Berlin tragen Straßen seinen Namen. Dazu beschäftigen sich einige Schriften und Beiträge in Nachschlagewerken mit seinem Wirken und seiner Bedeutung. Doch der breiten Öffentlichkeit ist der vielseitige Kunstschaffende von einst heute ein Unbekannter.

Seeler wurde am 1. März 1896 in Greifenberg geboren. Der Ort liegt an der Rega in Hinterpommern südwestlich von Kolberg und begann 1262 mit einer fürstlichen Gründungsurkunde die erfolgreiche Entwicklung zur Hansestadt im Herzogtum Pommern. Heute gehört die Stadt als Kreisstadt mit dem Namen Gryfice zur polnischen Woiwodschaft Westpommern. Zur Reihe namhafter Persönlichkeiten aus Greifenberg zählt auch Seeler.

Sein Vater war ein betuchter Kauf- mann, schickte ihn auf das Gymnasium und förderte die Kunst-und Literaturinteressen seines Sprösslings. Doch nach dem Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium zog er zunächst als Soldat in den Krieg, was für besondere Erfahrungen sorgte. Seeler überstand die Kriegsjahre, ließ sich anschließend in Berlin nieder und begann auf der Suche nach einer Zukunft Kunst- und Literaturstudien. Er wurde Stammgast in einigen Künstler-Cafés, machte Bekanntschaften mit Literaten, erlebte die Revolutionswirren hautnah und verfasste erste eigene Texte. Mehr noch. 1922 gründete Seeler die „Junge Bühne“, die „für Nachwuchsschauspieler in den etablierten Theatern Auftritte in Sonntagsmatineen organisierte“. Das gedieh zu einer erfolgreichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und zu einem Sprungbrett für aufstrebende junge Schauspieler. 

Gründete die „Junge Bühne“

1924 wurde sein Name dann deutschlandweit bekannt, als er Arnolt Bronnens „Vatermord“ auf die Bühne brachte und für einen Theaterskandal sorgte. Der junge Theatermacher scheute sich nicht, an gewagte und gesellschaftskritische Themen heranzugehen. Carl Zuckmayers „Pankraz“ und Bertolt Brechts „Baal“ folgten. 

Brecht, der 1924 nach Berlin gekommen war und zuerst als Dramaturg bei Max Reinhardt am Deutschen Theater wirkte, machte schnell mit eigenen Texten Furore. Doch seine Stücke „Baal“ und „Trommeln in der Nacht“, die noch die Traditionsverbundenheit mit Büchner, Lenz sowie Wedekind verraten, warteten noch auf die Uraufführung. Seeler reizte Brechts Gesellschaftskritik und Polemik gegen den Expressionismus. Beide arbeiteten 1926 eng zusammen und brachten „Baal“ auf die Bühne. Der Held ist ein „Säufer, Wüstling, Notzuchtverbrecher und schließlich Mörder“, der seine „fleischlichen Leidenschaften“ und sein Verlangen nach einem irdischen Glück voll auslebt. Der Zynismus Baals machte Brecht zum „Bürgerschreck“, ein Image, das er behielt und das auch etwas auf Seeler abfärbte, der nun als Macher in aller Munde war. 

Bekannte Weggefährten

Weitere Auffälligkeiten in der Kunstszene folgten. Seeler brachte Marieluise Fleißers „Fegefeuer in Ingolstadt“ sowie Hans Henny Jahnns „Krönung Richards III.“ auf die Bühne, verfasste Texte für Friedrich Hollaenders Kabarettprogramme und gründete 1929 eine Filmproduktionsfirma. Er wollte das neue Medium  nutzen und scharte andere Gesinnungsfreunde um sich. Beim Stummfilm „Menschen am Sonntag“ arbeitete er 1929 eng mit dem später berühmten Regisseur Billy Wilder zusammen. Seeler schwamm Ende der Weimarer Republik auf einer Erfolgswelle. Doch seine Erfolgsjahre endeten schlagartig mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die den linksorientierten Theater- und Filmemacher schnell ins Visier nahmen. Mit Folgen. Er floh zunächst über Prag nach Wien, konnte sich in der Fremde nicht etablieren und kehrte mit einem Rucksack voller Illusionen 1935 zurück nach Berlin. Doch er war ohne Chancen. Der Jüdische Kulturbund gab ihm eine Brotarbeit. Das war ein Überleben auf  Zeit. 

Bei den Novemberpogromen 1938 kam der jüdische Künstler in Haft. Bei seiner nochmaligen Freilassung wurde er auf die Deportationsliste gesetzt. Seeler hatte eine Gnadenfrist als Zwangsarbeiter. Das Ende war nahe. Er wurde am 15. August 1942 mit anderen Leidensgefährten in das Getto Riga deportiert, wo er kurz danach ermordet wurde.