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12.03.21 / Politik / Die Republik erlebt einen kollektiven Führungsausfall / Nun rächt sich, dass in den vergangenen Jahren viele Probleme nicht offen angesprochen und debattiert wurden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-21 vom 12. März 2021

Politik
Die Republik erlebt einen kollektiven Führungsausfall
Nun rächt sich, dass in den vergangenen Jahren viele Probleme nicht offen angesprochen und debattiert wurden
René Nehring

Das Debakel kam fast schon mit Ansage. Als am Montag neben Baumärkten und Gartencentern auch die Schulen und Kitas wieder öffneten, zeigte sich, dass Bund und Länder die Monate des jüngsten Lockdown nutzlos verstreichen ließen: Weder gibt es Lüftungsanlagen für die Klassen- und Gruppenräume noch ausreichend Masken für Lehrkräfte und Betreuer noch eine Schnellteststrategie, um neue Corona-Fälle früh erkennen zu können. 

Es ist das jüngste Glied einer inzwischen stattlichen Kette von Versäumnissen im Zuge der Corona-Pandemie. Konnte man diese zu Beginn noch mit einer nie dagewesenen Lage entschuldigen, wirft der Umstand, dass andere Länder wesentlich schneller impfen und auch schneller bei der Beschaffung von Schnelltests sind, immer drängender die Frage auf, warum hierzulande als einziges Mittel zur Pandemie-Bekämpfung die Fortsetzung des alle Beteiligten nervenden Lockdown bleibt. 

Je nach politischer Heimat sind Antworten schnell zur Hand. Die Opposition und die SPD zeigen – zumal in den Tagen vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – genüsslich auf die Union. Das ist nicht unverdient, kommen doch mit der Kanzlerin, dem Gesundheitsminister und dem Wirtschaftsminister maßgebliche Verantwortliche aus den Reihen der CDU. Dass sich, wie sich vor Tagen zeigte, zwei Abgeordnete an der Vermittlung von Atemschutzmasken bereicherten, macht die Bredouille der Union nicht eben kleiner.

Gleichwohl können sich die anderen nicht einfach aus der Affäre ziehen. Fast alle Parteien stehen im Bund, in den Ländern und in den Kommunen in der Verantwortung. Und bis auf wenige Ausnahmen wie Tübingen, wo es dem Grünen Boris Palmer gelang, die Schwachen vor dem Coronavirus zu schützen, sind fast überall die gleichen Fehler zu beobachten. So offenbart die gegenwärtige Krise einen breiten Mangel an der Fähigkeit, in Zeiten der Not richtig zu handeln. 

Ursachen des Niedergangs

Eine wesentliche Ursache für diesen Mangel ist der Mehltau, der sich in den vergangenen Jahren über die politische Landschaft gelegt hat. Seit ihrem Amtsantritt 2005 hat es die Bundeskanzlerin perfektioniert, grundlegende Richtungskämpfe ins Leere laufen zu lassen. Debatten darüber, was gut für dieses Land ist, gibt es ebenso wenig wie Diskussionen darüber, ob das Agieren der gewählten Volksvertreter den Bürgern nützt oder nicht. 

Auch in der Wirtschaft ist seit Jahren eine schleichende Verschiebung der Bewertungsmaßstäbe zu beobachten. Warben früher Unternehmen mit Parametern wie Leistung, Design oder einem günstigen Preis für ihre Waren, so stellen sie heute heraus, dass ihre Produkte „klimaneutral“ hergestellt werden oder dass alle Zutaten „fair gehandelt“ sind. Und warben die Firmen früher um die besten Köpfe, so verkünden sie heute, möglichst viele Frauen oder Angehörige ethnischer Minderheiten in die Verantwortung bringen zu wollen. Erst vor wenigen Tagen kündigte Audi an, die eigene Kommunikation auf „gendergerechte Sprache“ umzustellen, um ein „Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt“ zu setzen. 

Ähnlich die Verhältnisse in der Wissenschaft. Hier können selbst namhafte Koryphäen schnell in das Sperrfeuer – zumeist anonymer – „Studierendengruppen“ geraten, wenn sie in ihren Arbeiten elementare Fragen der „Gendergerechtigkeit“ oder die Anliegen einer Minderheit missachten. Die Forschungsergebnisse sind denn auch allzu oft entsprechend lustlos, banal – und irrelevant. 

Ist es angesichts dieser Entwicklungen ein Wunder, dass in unserem Land derzeit so wenig gelingt? Ist es ein Wunder, dass in einer Gesellschaft, in der die richtige Haltung wichtiger ist als die erbrachte Leistung, in einer Ausnahmesituation niemand da ist, der souverän durch die Krise führt? Insofern könnte die Corona-Pandemie zu einem Wendepunkt der deutschen Politik werden – hin zu einer neuen Ernsthaftigkeit, die Probleme offen benennt und handwerklich meistert.