19.04.2024

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12.03.21 / Verkehr / Rot-grüner Konflikt festgefahren / Verkehrssenatorin Günther aufgelaufen: Berliner SPD stellt sich bei Plänen zur „autofreien Stadt“ quer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-21 vom 12. März 2021

Verkehr
Rot-grüner Konflikt festgefahren
Verkehrssenatorin Günther aufgelaufen: Berliner SPD stellt sich bei Plänen zur „autofreien Stadt“ quer
Frank Bücker

Sieben Monate vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus verschärfen die Grünen ihre Politik der Autofahrerfeindlichkeit. Damit setzen sie sich aber auch in Gegensatz zum Koalitionspartner SPD. Das Projekt autofreie Innenstadt ist daher erst mal vom Tisch. Die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther wollte für das Erreichen des Ziels einer autofreien City die konkrete Jahreszahl 2030 festschreiben. Die Sozialdemokraten machen dabei nicht mit. Nun heißt es „mittelfristig“. 

Ab 2035 wollte Günther Autos sogar aus dem gesamten Stadtbereich verbannen. Die Senatorin gibt sich uneinsichtig: „Mittelfristig“ könne „auch vor 2030 sein“. Ausgenommen davon sollten nur Elektroautos sein. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Harald Moritz: „Wir Grüne werden uns weiter dafür einsetzen, zeitnah klare Zeitvorgaben dafür festzulegen, sodass Planungssicherheit besteht.“ Günther ergänzt: „Es soll zu einer Neuaufteilung des Straßenraums kommen.“ 

Giffey: „Wirklichkeitsfremd“

Der Koalitionspartner reagiert eisig auf die Pläne. SPD-Bürgermeisterkandidatin Franziska Giffey hat für derartige Ambitionen nur das Etikett „wirklichkeitsfremd“ übrig. Ihre Partei setzt sich auch für den Weiterbau des Abschnitts 17 der Berliner Stadtautobahn A 100 ein. Sie sorgte überdies dafür, dass Günthers sogenanntes Klimaschutzpaket mit City-Maut und höheren Parkgebühren im vergangenen Herbst scheiterte. Eigentlich haben SPD und Grüne in der Berliner Verkehrspolitik keine Gemeinsamkeiten mehr, denn auch beim U-Bahn-Bau verfolgen beide unterschiedliche Prioritäten.

Günthers neueste Vorstellungen, was den ruhenden Verkehr angeht, würden sich bei einer Realisierung nur langfristig auswirken. Für neue Wohnungen kündigte sie „deutlich weniger Parkplätze“ an und nannte als Eckzahlen nur noch zehn bis 30 Parkplätze, die pro 100 errichteten Wohnungen bereitgestellt werden sollten. Bislang galt ein Richtwert von 30 bis 80 Stellplätzen für 100 Wohnungen. 

Günther will, dass künftig nur noch 18 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt werden – 2008 waren es noch 33 Prozent. Dies soll auf dem Wege des Zwangs erreicht werden. Günther: „Die mobile Zukunft mit 82 Prozent gehören ÖPNV, Radlern, Fußgängern.“

Die Berliner Wirtschaft reagiert ablehnend. Der Chef der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck: „Mit seinen Verkehrsleitlinien betreibt der Senat Schaufensterpolitik.“ Amsinck wird sehr konkret: Wäre es dem Senat ernst mit der Verkehrswende, „hätte er längst für einen beschleunigten Ausbau der Schienenverbindungen ins Umland, aber auch für die Ertüchtigung von U-Bahnen und Tram gesorgt“. 

Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) übt Kritik: „Wenn die Leitlinien mehr sein sollen als Wunschdenken, braucht es realistisch umsetzbare und klar definierte Ziele mit Meilensteinen und Preisschild.“ Was aus Günthers Plänen wird, entscheidet sich bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26. September 2021 und vor allen Dingen daran, mit wem die SPD dann ein Regierungsbündnis anstrebt. In den verbleibenden sieben Monaten kann sie wenig Dauerhaftes veranlassen.