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12.03.21 / Online-Lexikon / Wie Wikipedia, aber weniger linkslastig / Der Mitbegründer der Online-Enzyklopädie Larry Sanger arbeitet an einer ideologiefreieren Alternative

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-21 vom 12. März 2021

Online-Lexikon
Wie Wikipedia, aber weniger linkslastig
Der Mitbegründer der Online-Enzyklopädie Larry Sanger arbeitet an einer ideologiefreieren Alternative
Lydia Conrad

Der promovierte Philosoph Lawrence Mark „Larry“ Sanger ist einer der Mitbegründer der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia, die am 15. Januar 2001 freigeschaltet wurde. Später überwarf sich der 1968 in Bellevue, Washington, geborene US-Amerikaner mit seinem Partner Jimmy Wales und stieg im März 2002 aus dem Projekt aus. Anschließend entwickelte sich Sanger zu einem der schärfsten Kritiker der Wikipedia. Zunächst bemängelte er vor allem, dass für die Organisatoren des Internet-Lexikons die Meinung von Laien genauso schwer wiege wie die von Experten. 

Daher versuchte der Internetpionier ab 2005, mit Digital Universe und Citizendium Alternativen zu Wikipedia zu entwickeln. Allerdings blieb beiden Enzyklopädien der Erfolg verwehrt, obwohl sie auf qualitativ hochwertige Beiträge von namentlich genannten Fachleuten setzten. Ebenso scheiterte das Vorhaben des Wikipedia-Pioniers, mit Infobitt News ein freies Nachrichtenportal im Internet zu etablieren.

2011 begann Sanger schließlich, auch die ideologische Schlagseite von Wikipedia anzuprangern. Mittlerweile sei das Online-Lexikon zu einem Sprachrohr der Linken verkommen. Dabei wäre es in den ersten Jahren nach 2001 selbst bei Einträgen zu den umstrittensten Themen der Zeit üblich gewesen, Vertreter des gesamten Meinungsspektrums zu Wort kommen zu lassen.

Totalversagen des Systems

Den Vorwurf, dass Linke die einstmals freie Enzyklopädie gekapert hätten, erneuerte Sanger im Mai 2020 auf seiner persönlichen Internetseite. Unter der Überschrift „Wikipedia ist stark voreingenommen“ schrieb er, die Neutralitätspolitik des Lexikons sei „tot“. Und im Interview mit dem Online-Portal „Just the News A.M.“ sagte Sanger dann außerdem noch, wenn Schulkinder bei dem Online-Lexikon Wikipedia Informationen über das Thema Sozialismus suchten, würden sie keinerlei konservative oder kritische Aussagen finden. „Das ist wirklich problematisch. Das ist keine Bildung. Das ist Propaganda“, so Sanger.

Auslöser für Sangers erneute Kritik war ein Bericht des Nachrichtensenders Fox News vom 18. Februar 2020, in dessen Verlauf der Investigativjournalist Maxim Lott feststellte, dass die beiden englischsprachigen Wikipedia-Hauptseiten zum Sozialismus und zum Kommunismus „gewaltige 28.000 Wörter“ umfassten, „aber keinerlei Diskussion über die von sozialistischen und kommunistischen Regimes begangenen Völkermorde, bei denen zig Millionen Menschen getötet wurden oder verhungerten“. Das Lexikon, so Lott weiter, verschweige beispielsweise, dass die Hungersnot in der Ukraine von 1932/33 aus dem Befehl des sowjetischen Diktators Joseph Stalin resultierte, Unmengen von Getreide ins Ausland zu exportieren. Dies stehe exemplarisch für das Totalversagen des Systems Wikipedia.

Nun steht auch ein Financier bereit

Angesichts dessen kündigte Sanger an, künftig mit aller Energie auf die Schaffung eines „altmodischen, führerlosen, besitzerlosen Netzwerkes“ hinzuarbeiten, das an die Stelle der Wikipedia treten und zur Basis einer „freien … globalen Wissensgemeinschaft ohne zentrale Kontrolle“ werden solle. Den Grundstein für diese sogenannte Encyclosphere hat Sanger schon Ende 2019 gelegt – und mit der gemeinnützigen Knowledge Standards Foundation steht mittlerweile nun auch ein Financier bereit. Mit dessen Hilfe will Sanger der Wikipedia, die derzeit noch an 13. Stelle der beliebtesten Internet-Seiten der Welt steht, den Rang ablaufen. Dabei lautet sein Credo: „Eine kleine Elite darf nicht die Macht haben, zu bestimmen, was die Allgemeinheit wissen darf.“ 

Um Encyclosphere zu einem wirksamen Instrument ungehinderter Meinungsäußerung und Informationsverbreitung zu machen, plant Sanger, vollkommen ohne Administratoren auszukommen. Denn die hätten sich bei Wikipedia immer öfter als Zensoren erwiesen. Die Freiheit des Wortes und des Denkens solle damit quasi bereits in der DNA der neuen Online-Enzyklopädie verankert sein.

Nun steht abzuwarten, ob es Sanger gelingen wird, all diese Verheißungen zu erfüllen. Immerhin führte sein erster diesbezüglicher Versuch mit einer „Everi­pedia“ zwischen Dezember 2017 und Oktober 2019 zu keinem Erfolg.