01.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.03.21 / Pontuskonferenz / Gemeinsam gegen Frankreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-21 vom 12. März 2021

Pontuskonferenz
Gemeinsam gegen Frankreich
Manuel Ruoff

Es gibt geopolitische Konstanten über Systemwechsel hinweg, die bis zum heutigen Tage von Bedeutung sind. Dazu zählt der Wunsch Russlands nach eisfreien Zugängen zu den Weltmeeren. Ein Weg führt von der Krim über das Schwarze Meer und das Mittelmeer in den Atlantik. Ähnlich konstant wie dieser russische Wunsch ist jener der Westmächte, zumindest russischen Kriegsschiffen diesen Weg zu verbauen. Man denke nur an den heutigen Konflikt um die Krim mit deren Marinestützpunkt.

Nach dem Krimkrieg von 1853 bis 1856 hatten die Westmächte Oberwasser. Da Großbritannien und Frankreich diesen Krieg mit dem Osmanischen Reich gegen Russland gewonnen hatten, besagte der abschließende Frieden von Paris, dass das Schwarze Meer (Pontus Euxinus) neutral und entmilitarisiert sei. Das bedeutete, dass Russland keine Schwarzmeerflotte unterhalten durfte. Russland bemühte sich fortan um eine Revision des Friedensvertrages im Allgemeinen und dieser sogenannten Pontusklausel im Besonderen. Da das nur gegen den Widerstand Frankreichs möglich war, war es an der Schwächung der neuen führenden Großmacht Kontinentaleuropas interessiert.

An einer Schwächung Frankreichs war ab der Luxemburgkrise von 1867 auch Preußen interessiert. Seit dieser Krise war nämlich klar, dass eine deutsche Einigung auf absehbare Zeit nur gegen französischen Widerstand durchsetzbar sein würde. 

Das Ergebnis war eine preußisch-russische Zusammenarbeit auf Kosten Frankreichs. Russland unterstützte Preußen im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, indem es ihm den Rücken freihielt. Der Zar übte nicht nur selbst im Kriege wohlwollende Neutralität, er bekundete darüber hinaus die Bereitschaft, die Neutralität des 1866 von Preußen geschlagenen gemeinsamen österreichischen Nachbarn notfalls mit Waffengewalt zu erzwingen. Ein Zweifrontenkrieg blieb damit Preußen erspart.

Im Gegenzug unterstützte Preußen Russland in der Pontusfrage sowohl indirekt als auch direkt. Zum einen schwächte es durch seine militärischen Erfolge im Deutsch-Französischen Krieg die internationale Position Frankreichs und dessen Möglichkeiten, die Ergebnisse des Krimkrieges notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Zum anderen unterstützte es Russland auf diplomatischem Parkett. 

Nach den entscheidenden Erfolgen der Deutschen in der Schlacht von Sedan vom 1. und 2. September 1870 und bei der Belagerung von Metz vom 20. August bis 27. Oktober wagte es Russland am 31. Oktober, einseitig die Pontusklausel aufzuheben. In der Hoffnung, Russland am Verhandlungstisch noch einfangen zu können, lud Großbritannien die anderen fünf Großmächte unter Einschluss Italiens und das Osmanische Reich zu einer Pontuskonferenz in seine Hauptstadt ein. Dort konnten die Westmächte als Zugeständnis wenigstens erreichen, dass die Durchfahrt durch die Meerengen weiterhin von der Zustimmung des Osmanischen Reiches abhing. Ansonsten akzeptierten die Westmächte vor 150 Jahren, am 13. März 1871, nolens volens das Ende der Neutralität und Waffenlosigkeit des Schwarzen Meeres.